Weltparlament der Arbeit – Internationale Arbeitskonferenz 2016
Weltparlament der Arbeit – Internationale Arbeitskonferenz 2016
5.000 Delegierte: Regierungs-, AG-, und AN-VertreterInnen der 187 Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation,* aber auch von Internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft an einem Ort. 5.000 Menschen aus aller Welt diskutieren auf einer Konferenz zwei Wochen lang globale Probleme und Herausforderungen in der Arbeitswelt und versuchen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und Beschlüsse zu fassen.
Dieses Jahr fand die Internationale Arbeitskonferenz (idF IAK) in Genf von 30.5. bis 11.6.2016 statt.
Diese Konferenz ist das entscheidende Gremium der ILO* und beschließt Übereinkommen und Empfehlungen zu Themen wie etwa menschenwürdige Arbeit. Die Mitgliedstaaten können dann diese Übereinkommen ratifizieren und sich somit völkerrechtlich zu deren Einhaltung verpflichten.
Die Konferenz tagt – wie ein Parlament – in Ausschüssen. Ein Ausschuss, der jedes Jahr stattfindet, ist der sogenannte Normenausschuss. Hier werden Verfahren gegen Mitgliedstaaten geführt, die gegen ratifizierte Übereinkommen (zB Streikrecht, Diskriminierung, AN-Schutz, Zwangsarbeit) verstoßen, und damit wird die Einhaltung der Normen überprüft.
Zudem gibt es noch drei Ausschüsse zu jährlich variierenden aktuellen Themen, die die Arbeitswelt bewegen. Dieses Jahr fanden Ausschüsse zu folgenden Themen statt: menschenwürdige Arbeitsbedingungen in internationalen Lieferketten, Erklärung zur Sozialen Gerechtigkeit und Beschäftigung im Übergang vom Krieg zum Frieden.
In den letzten fünf Jahren hat es 41 Verletzungen von Gesetzen bzw Case-Law in 21 von 69 untersuchten Ländern gegeben.
Mit besonderem Interesse wurde der Fall des Vereinigten Königreiches – Verstoß gegen Übereinkommen 87 (Vereinigungsfreiheit) – verfolgt. Dort wurden durch das Gewerkschaftsgesetz 2016 aus AN-VertreterInnensicht streikvermeidende Regelungen beschlossen: Einsatz von Leih-AN als StreikbrecherInnen und Erschwerungen von Streikbeschlüssen in einigen Sektoren. Großbritannien wurde von der IAK aufgefordert, die Rechte der AN und AG-Organisationen zu wahren und über die weitere Entwicklung zu berichten. Zum Thema hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie erstellt, inwieweit das international anerkannte Streikrecht von AN und ihren Organisationen in den letzten Jahren Einschränkungen und Verletzungen erfahren hat (Edlira Xhafa, The Right to Strike Struck Down, Mai 2016).
Für Aufmerksamkeit sorgte auch der Fall von Irland wegen Verstoßes gegen Übereinkommen 87 (Vereinigungsfreiheit) und Übereinkommen 98 (Recht auf Kollektivverhandlungen) – beide bilden gemeinsam ein wichtiges Grundprinzip der ILO. Filmkunstschaffende hatten sich zusammengeschlossen und Honorartarife als Basis für ihre Werkverträge vereinbart. Diese Abmachungen wurden aber durch Wettbewerbsrecht untersagt, wodurch sich ein starkes Spannungsverhältnis zu Grundsätzen der ILO zeigt. Der Fall wird die ILO noch weiter beschäftigen.
Der Ruf nach Maßnahmen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in den globalen Lieferketten* besteht schon lange.363
Auslöser, dieses Thema letztendlich auf die Tagesordnung zu setzen, war schließlich der Einsturz des Rana Plaza 2013 und die Fabriksbrände in Pakistan und Bangladesch 2012, die über 1.500 Todesopfer forderten. Letzte größere Beachtung erfuhr das Thema in Gestalt des in Deutschland gegen die Firma „KIK“ geführten Verfahrens über Schadenersatzansprüche von Opfern aus Pakistan.
Hier zeigen sich die – teils eklatanten – Probleme bei der Einhaltung von arbeitsrechtlichen Vorschriften. Leitfirmen treffen Investitionsentscheidungen, die sich auf die Arbeitsbedingungen in ihren globalen Lieferketten auswirken, ohne dass sie unmittelbar für die Beschäftigten verantwortlich sind. Durch den globalen Druck auf Herstellerpreise und Lieferzeiten sowie den harten Wettbewerb unter den Zulieferern entsteht ein Abwärtsdruck auf Löhne, Arbeitsbedingungen und die grundlegenden Rechte der AN. Das Thema der Verantwortlichkeit der Leitfirmen für das, was in ihren Zuliefererbetrieben geschieht, war im Ausschuss heiß umstritten.
Auf der Konferenz setzte sich die AN-Vertretung für die – zumindest langfristige – Erarbeitung eines neuen ILO-Übereinkommens mit Durchsetzungsmöglichkeit auf internationaler Ebene ein. Letztendlich konnte man sich auf Schlussfolgerungen einigen, die Defizite an menschenwürdiger Arbeit in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sowie bei Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen endlich anerkennen und als erster Schritt wird eine ILO-ExpertInnengruppe zur Analyse, ob die bestehenden Instrumente ausreichen oder zusätzliche (auch Normen) notwendig sind, eingerichtet.
Zuletzt noch ein aktueller Erfolg aus der Praxis: Im Fall Pakistan gelang es unter koordinierender Funktion der ILO „KIK“ dazu zu bewegen – zusätzlich zu den bereits 2012 bezahlten 1 Mio USD –, 5,5 Mio USD an Kompensation an die Opfer des Fabriksbrandes zu bezahlen.
In diesem Ausschuss wurde untersucht, inwieweit die vier Ziele der Erklärung, nämlich Schaffung von Arbeitsplätzen, sozialer Schutz, sozialer Dialog sowie dreigliedrige Verhandlungen und die fundamentalen Prinzipien und Rechte bei der Arbeit erreicht wurden. Man setzte sich auch mit der Frage auseinander, inwieweit die ILO die Ziele der Agenda 2030 besser umsetzen kann, indem sie sich etwa mit Akteuren der Finanzwirtschaft (zB Weltbank, IWF) und des Handels (zB WTO) austauscht und kooperiert.
Die Erklärung zur Sozialen Gerechtigkeit ist nämlich im Zusammenhang mit den Millennium Development Goals (MDGs) und der Initiative zur Beendigung von Armut durch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu sehen.
Die Agenda umfasst die drei Nachhaltigkeitsdimensionen Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Menschenwürdige Arbeit ist hier Schlüssel für nachhaltige Entwicklung.
Wichtigste Diskussionspunkte im Ausschuss waren die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Sozialen Gerechtigkeit auch in Hinblick auf die Ratifikation und Umsetzung der Kernarbeitsnormen; die Führungsrolle der ILO durch Integration der Agenda 2030; die Entwicklung von Länderprogrammen durch die Mitgliedstaaten zur Verwirklichung von menschenwürdiger Arbeit und die expliziten Verweise zum Normenüberprüfungsmechanismus als Stärkung.
Die nächste Konferenz wird im Juni 2017 stattfinden.364