Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz
Das neue LSD-BG enthält jedoch nicht nur den wesentlichen Inhalt der oben angeführten Bestimmungen des AVRAG. Darüber hinaus wurden auch Beschäftigungsverhältnisse nach dem Heimarbeitsgesetz in die Lohnkontrolle des LSD-BG einbezogen. Weiters enthält das neue Gesetz einschlägige Bestimmungen aus dem Landarbeitsrecht und dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG). Es handelt sich also um eine Art Kodifikation des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsrechts.
Lohndumping hat naturgemäß auf Grund der großen Unterschiede im Lohnniveau zu den neuen Mitgliedstaaten der EU einen starken grenzüberschreitenden Bezug. Grenzüberschreitende Behördenkooperationen oder grenzüberschreitende Vollstreckungen haben daher eine wesentliche Bedeutung. Im Jahr 2014 hat man folglich auf europäischer Ebene mit der Durchsetzungs-RL (RL 2014/67/EU) die Rechtsgrundlagen dafür geschaffen, die nunmehr in Österreich im Zuge des LSD-BG in nationales Recht umgesetzt werden. Vorgesehen ist insb die grenzüberschreitende behördliche Zusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI“). Dabei handelt es sich um ein auf europäischer Ebene entwickeltes IT-gestütztes Netzwerk, um die Verwaltungszusammenarbeit über Grenzen hinweg zu vereinfachen und zu beschleunigen. Im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Zustellung und Vollstreckung von Entscheidungen inländischer Behörden in anderen EU-Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten ist zu bedenken, dass Österreich nur für einen Teil der dafür erforderlichen Rechtsvorschriften zuständig ist. Der dazu korrespondierende Teil für die Zustellung bzw Vollstreckung muss im jeweiligen anderen Staat erlassen werden. Bis wann dies in den anderen Mitgliedstaaten erfolgt und inwieweit dies auch in der Praxis funktioniert, wird sich zeigen. Sollte es dabei Probleme geben und die Strafverfolgung oder der Strafvollzug im Ausland weiterhin unmöglich oder wesentlich erschwert sein, so stehen die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen weiterhin zur Verfügung. Dh, bei Verdacht einer Verwaltungsübertretung ist es grundsätzlich möglich, vom Verdächtigen selbst für die zu erwartende Geldstrafe eine vorläufige Sicherheit einzuheben oder – falls dies nicht möglich ist – gegebenenfalls vom Auftraggeber bzw (im Falle einer Arbeitskräfteüberlassung) vom Beschäftiger eine Sicherheitsleistung zu verlangen.
Schon bisher waren bestimmte Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer, wie etwa geschäftliche Besprechungen oder die Teilnahme an Seminaren, von den Bestimmungen gegen Lohndumping ausgenommen. Mit dem LSD-BG erfolgt eine Erweiterung bzw Klarstellung in Bezug auf die Teilnahme an Vorträgen sowie den Besuch von und die Teilnahme an Tagungen.
Auch Arbeitsleistungen der grenzüberschreitenden Personen- oder Güterbeförderung, die ausschließlich im Rahmen des Transitverkehrs erbracht werden und Tätigkeiten im Rahmen universitärer Aus- und Weiterbildungs- oder Forschungsprogramme werden nun grundsätzlich ausgenommen, sofern die Tätigkeiten von geringem Umfang und von kurzer Dauer sind. Unter kurzer Dauer ist ein Zeitraum von einem bis mehreren Tagen zu verstehen.
Im Zusammenhang mit konzerninternen Entsendungen gibt es zwei neue Ausnahmeregelungen. Einerseits sind AN mit einer monatlichen Bruttoentlohnung von durchschnittlich mindestens 125 % des Dreißigfachen der täglichen Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG (2016: € 6.075,-) bei Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer ausgenommen.
Andererseits sind konzerninterne Einsätze von besonderen Fachkräften in folgenden Bereichen vom LSD-BG ausgenommen: zum Zweck der Forschung365 und Entwicklung, der Abhaltung von Ausbildungen durch die Fachkraft, der Planung von Projektarbeit oder zum Zweck des Erfahrungsaustausches, der Betriebsberatung, des Controllings oder der Mitarbeit im Bereich der von und für mehrere Länder zuständigen Konzernabteilungen mit zentraler Steuerungs- und Planungsfunktion (sogenannte Clusterabteilungen).
Zeitlich limitiert ist diese Ausnahme mit insgesamt zwei Monaten je Kalenderjahr. Unter einer besonderen Fachkraft ist laut den Erläuterungen zum Gesetz eine innerhalb des Konzerns tätige Person zu verstehen, die über die für die Tätigkeitsbereiche, die Verfahren oder die Verwaltung der aufnehmenden Konzernunternehmung unerlässliche Spezialkenntnisse verfügt. Bei der Bewertung dieser Kenntnisse ist auch zu berücksichtigen, ob die Fachkraft über ein hohes Qualifikationsniveau einschließlich einer angemessenen Berufserfahrung für bestimmte Arbeiten oder Tätigkeiten verfügt, die spezifische technische Kenntnisse erfordern.
Teilweise ausgenommen von den Schutzbestimmungen gegen Lohn- und Sozialdumping waren schon bislang Arbeiten außerhalb des Baubereichs iZm der Lieferung einer Anlage an einen inländischen Betrieb. Diesbezüglich wird nun „klargestellt“, dass die Ausnahme nur für solche Anlagen gilt, die im Ausland durch den AG oder einen mit diesem im Konzern verbundenen AG gefertigt wurden.
Weiters wird „klargestellt“, dass die Ausnahme neben den Montagearbeiten, der Inbetriebnahme und den damit verbundenen Schulungen und Reparaturleistungen zukünftig auch Servicearbeiten iZm der gelieferten Anlage erfasst.
Bei den Entsendemeldungen gibt es einerseits Erleichterungen, andererseits Verschärfungen. Erleichterungen insofern, als die Frist von einer Woche für die Erstattung der Meldung entfällt und es genügt, wenn die Meldung vor der Arbeitsaufnahme des grenzüberschreitend entsendeten oder überlassenen AN erfolgt. Weiters gibt es Vereinfachungen bei mehrmaligen Entsendungen innerhalb eines kurzen Zeitraums und einer größeren Anzahl an AN.
Verschärft werden die Sanktionen bei Verstoß gegen die Meldevorschriften: Der Strafrahmen beträgt ab 2017 € 1.000,- bis € 10.000,- pro AN. Wiederholte rechtskräftige Bestrafungen können zu einer Untersagung der Dienstleistung in Österreich führen.
Die Lohnunterlagen sind grundsätzlich am Arbeitsort in deutscher Sprache bereitzuhalten. Der Arbeitsvertrag kann auch in englischer Sprache bereitgehalten werden. Bei mobilen AN im Transportbereich wird nun klargestellt, dass die Unterlagen ab der Einreise nach Österreich bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen sind.
Im Übrigen gibt es insofern Erleichterungen als es unter bestimmten Voraussetzungen genügt, die Unterlagen bei einer inländischen Zweigniederlassung oder Tochter- oder Muttergesellschaft des Unternehmens oder bei einem in Österreich niedergelassenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder Notar bereitzuhalten. Voraussetzung ist aber jedenfalls, dass dies in der Entsendemeldung angegeben wird.
Die Haftung des Auftraggebers für offene Entgeltansprüche gegenüber AG mit Sitz in einem Drittstaat ändert sich nur geringfügig. Für entsandte AN haftet der Auftraggeber zukünftig als Bürge und Zahler. Der Schuldner muss also den Hauptschuldner nicht vorher mahnen, sondern kann von diesem ebenso wie vom Hauptschuldner die Schuld einfordern. Klargestellt wird, dass die Haftung voraussetzt, dass der Auftrag für das Unternehmen des Auftraggebers durchgeführt wird.
Neu ist die Bestimmung über die Haftung des Auftraggebers für Entgeltansprüche grenzüberschreitend entsandter oder überlassener AN im Baubereich. Der Auftraggeber haftet auch hier als Bürge und Zahler. Der Auftraggeber, der selbst nicht Auftragnehmer der beauftragten Bauarbeiten ist, also der Bauherr, haftet aber eingeschränkt. Er haftet nämlich nur dann, wenn er vor der Beauftragung von der Nichtzahlung des Entgelts wusste oder diese auf Grund offensichtlicher Hinweise ernsthaft für möglich halten musste und sich damit abfand.
Für die Begründung der Haftung ist erforderlich, dass der AN die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) spätestens acht Wochen nach Fälligkeit des Entgelts über seine Forderungen sowie die konkreten Angaben dazu informiert und die BUAK in weiterer Folge den Auftraggeber darüber unter Angabe eines konkreten Betrages informiert.366
Der Auftraggeber kann dann die Leistung des Werklohns gegenüber dem Auftragnehmer (= AG) in der Höhe dieses Betrages zuzüglich eines angemessenen Betrages für allfällige Kosten eines gerichtlichen Verfahrens verweigern. Soweit der Auftraggeber das ausständige Entgelt zahlt, wird er von seiner Schuld gegenüber dem Auftragnehmer befreit. Darüber hinaus kann die BUAK auf ähnlichem Weg auch die Zuschläge für das Urlaubsentgelt nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz gegenüber dem Auftraggeber geltend machen.
Die Haftung betrifft Auftragnehmer von öffentlichen Aufträgen, die zumindest einen Teil des Auftrages an ein anderes Unternehmen (Subunternehmen) weitergeben. Voraussetzung ist, dass der Auftrag in einer nach dem Vergaberecht unzulässigen Weise oder entgegen vertraglichen Vereinbarungen weitergegeben wird. Gleiches gilt für einen Subunternehmer, wenn dieser einen Auftrag oder einen Teil davon in unzulässiger Weise weitergibt.
Unzulässig wäre es etwa nach dem Bundesvergabegesetz, wenn der Auftragnehmer einen Subunternehmer ohne Zustimmung des Auftraggebers einsetzt. Der öffentliche Auftraggeber hat dem AN über die Zulässigkeit der Weitergabe des Auftrages Auskunft zu geben. Auch diesfalls handelt es sich um eine Haftung als Bürge und Zahler.
Für die Geltendmachung der Haftungsansprüche von AN nach den §§ 8 bis 10 LSD-BG gegen den Auftraggeber ist das Arbeits- und Sozialgericht zuständig (§ 50 Abs 1 Z 9 ASGG).
In Zukunft ist jährlich vom Sozialminister in Zusammenarbeit mit dem Finanzminister ein Kontrollplan zu erstellen. In diesem ist ua zu dokumentieren, inwieweit die Finanzpolizei ausreichend mit Personal ausgestattet ist. Der Finanzminister hat dementsprechend für eine ausreichende Personalausstattung zu sorgen. Der Kontrollplan ist erstmalig für 2018 zu erstellen.
Im Zuge des LSD-BG wurden auch Änderungen im Arbeitsinspektionsgesetz vorgenommen. Diese betreffen insb die grenzüberschreitende Zustellung, Zusammenarbeit der Behörden und Strafverfolgung in Verbindung mit Übertretungen von Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, Sicherheit, Gesundheit und Hygiene am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen iZm den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen sowie von Kindern und Jugendlichen.
Hilfreiche Informationsquellen im Internet zur Rechtslage bei grenzüberschreitenden Entsendungen und Überlassungen bzw zu den Kollektivverträgen in Österreich sind www.entsendeplattform.at und www.kollektivvertrag.at.