198Arbeitnehmer-Kündigung bei Vorliegen eines Austrittsgrundes – keine Kündigungsentschädigung mangels Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses
Arbeitnehmer-Kündigung bei Vorliegen eines Austrittsgrundes – keine Kündigungsentschädigung mangels Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses
Hat ein AN keinen sofortigen Austritt erklärt, sondern nur eine Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist, so hat er dadurch objektiv zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses trotz der von ihm behaupteten verschlechternden Versetzung durch die AG zumindest während der Kündigungsfrist nicht unzumutbar war. Daher hätte der AN im Verfahren besonders darlegen müssen, weshalb der objektive Eindruck, die Fortsetzung wäre ihm doch zumutbar, falsch gewesen ist.
Einem AN wurde nach Entzug der Funktion eines Abteilungsleiters mitgeteilt, dass er künftig nur noch in der geringerwertigen Funktion eines Projektleiters tätig sein werde. Daraufhin kündigte der AN sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gebotenen Kündigungsfrist „aufgrund der angekündigten verschlechternden Versetzung“. Mit seiner Klage begehrte er die Zahlung einer Kündigungsentschädigung, da er das Dienstverhältnis zwar durch Kündigung beendet, sich aber ausdrücklich auf einen Austrittsgrund berufen habe.
Nachdem das Berufungsgericht den Anspruch auf Kündigungsentschädigung als zu Recht bestehend ansah, entschied der OGH nach Rekurs der AG durch Teilurteil in der Sache selbst iS einer Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.
„In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass es einem Arbeitnehmer, der berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden, nicht verwehrt werden kann, dieses Recht in einer für den Arbeitgeber regelmäßig günstigeren Form dadurch auszuüben, dass er sich mit einer größeren oder kleineren Lösungsfrist zufrieden gibt, wenn aus dem Inhalt seiner Erklärung deutlich erkennbar ist, dass er für sich einen wichtigen Lösungsgrund beansprucht (4 Ob 22/54 = SZ 27/56; 4 Ob 15/67 = Arb 8381; RIS-Justiz RS0028469). Eine Lösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen liegt in diesen Fällen daher auch dann vor, wenn sie ‚nicht von heute auf morgen vor sich geht‘, sondern in die äußere Form einer Kündigung gekleidet wird (RIS-Justiz RS0028539). Maßgebend ist nur, ob zwischen den Vertragspartnern klar ist, dass ein wichtiger Lösungsgrund geltend gemacht wird und es sich daher nicht um eine gewöhnliche Kündigung handelt, zu der es der Angabe von Gründen nicht bedarf (4 Ob 22/54 ua). Wählt der Arbeitnehmer daher wie hier statt des vorzeitigen Austritts die Kündigung und weist er dabei auf den Austrittsgrund hin, so ist dies grundsätzlich zulässig. […]
Einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung kann der Kläger hier aber schon ausgehend von seinen Prozessbehauptungen nicht geltend machen. Dabei ist als selbstverständlich voranzustellen, dass der bloß Kündigende – abgesehen von der gewählten Beendigungsart – nur dann die Ansprüche eines Austretenden erfolgreich geltend machen kann, wenn die Voraussetzungen eines vorzeitigen Austritts vorliegen.328
4.1 Ein wichtiger Grund, der die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ermöglicht, liegt nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre nur dann vor, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die eine Auflösung anstrebende Vertragspartei unzumutbar ist.“
Der AN wollte hier trotz Selbstkündigung so gestellt werden, wie wenn er berechtigt vorzeitig ausgetreten wäre, da er ja das Vorliegen eines Austrittsgrundes – nämlich die beabsichtigte verschlechternde, vertragsändernde Versetzung – behauptete. Es gibt zahlreiche oberstgerichtliche Entscheidungen, in denen den Kl Ansprüche wie bei berechtigtem Austritt zuerkannt wurden, wenn sie gestützt auf einen Austrittsgrund gekündigt hatten. Dabei ging es in den meisten Fällen um den Austrittsgrund der Gesundheitsgefährdung/Gesundheitsschädigung und den Erhalt der gesetzlichen Abfertigung. Im vorliegenden Fall wurde die „Kündigungsentschädigung“ eingeklagt, das ist ein in § 29 Abs 1 AngG geregelter Schadenersatzanspruch in Höhe jenes Entgelts, das der AG bei AG-Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist zahlen hätte müssen.
Soweit überschaubar, beschäftigt sich der OGH (in der Konstellation Selbstkündigung in Verbindung mit einem Austrittsgrund) erstmals ausführlich mit dem Thema der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, die ja Voraussetzung für einen berechtigten vorzeitigen Austritt ist. Beim Austrittsgrund der Gesundheitsgefährdung/Gesundheitsschädigung wurde bislang die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses offenbar vom OGH impliziert bzw die Thematik vom Bekl nicht releviert. Die Einhaltung der Kündigungsfrist und somit der Verzicht des AN auf den plötzlichen Austritt wurden vom OGH sogar im Interesse des AG gesehen, wohl deswegen, weil der AG dadurch besser disponieren kann (Einstellen eines Nachfolgers usw, vgl zB OGH 2.9.1992, 9 ObA 158/92).
Trotzdem der AG hier bereits in erster Instanz vorgebracht hat, dass die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den AN nicht gegeben gewesen wäre, hat der AN kein anderslautendes Vorbringen dazu erstattet und dadurch den Prozess verloren. Weil der OGH die Problematik über die Schiene der (Un-)Zumutbarkeit löste, konnte dahingestellt bleiben, ob die „angekündigte verschlechternde Versetzung“ überhaupt einen Austrittsgrund darstellte.