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Freiwillige Betriebsvereinbarung nach § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG – wirksamer Ausschluss der Nachwirkung

MARTINACHLESTIL

Eine vom BR mit dem AG mit 28.11.2012 abgeschlossene BV zu einem „Zielgruppenprämien-Modell“ enthielt ua folgende Bestimmung: „Diese Betriebsvereinbarung tritt mit 1.1.2013 in Kraft und ersetzt die bisherige ‚Betriebsvereinbarung über Leistungsentlohnung‘ vom 19.1.1995. Es gelten hinsichtlich Beendigung im Weiteren die Bestimmungen des § 96 Abs 2 ArbVG, wonach eine Kündigung von jedem der Vertragspartner jederzeit unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zu jedem Monatsende schriftlich erfolgen kann. Die Vertragsparteien vereinbaren als ersten möglichen Kündigungstermin den 31.12.2013. Im Fall einer Kündigung entfällt das Zielgruppenprämien-Modell zur Gänze [...].

Der AG teilte dem BR mit Schreiben vom 29.9.2015 mit, dass er die BV über die Zielgruppenentlohnung vom 28.11.2012 kündigt und dass das Zielgruppenprämien-Modell nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Gänze entfällt. Seit Jänner 2016 wurden keine Prämien iSd BV mehr ausbezahlt.

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 Abs 2 ASGG begehrte der ÖGB die Feststellung, dass die BV vom 28.11.2012, die als solche gem § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG zu qualifizieren sei (was im gegenständlichen Verfahren auch nicht strittig war), gem § 32 Abs 3 ArbVG nachwirke.

Der OGH ging in seiner Begründung auf die unterschiedlichen Lehrmeinungen zur Frage ein, ob die gesetzliche Anordnung der Nachwirkung nach § 32 Abs 3 ArbVG zwingend ist, oder ob die Partner der BV diese für den Fall der Kündigung in ihrer Vereinbarung wirksam ausschließen können. Im Ergebnis schloss er sich jenen Lehrmeinungen an, die eine zulässige Parteiendisposition (auch) für die Nachwirkung einer faktultativen BV nach § 32 Abs 3 ArbVG befürworten:

In den Angelegenheiten des § 97 Abs 1 Z 7 bis 26 ArbVG (fakultative Betriebsvereinbarungen) können die Parteien eine BV abschließen; ein Abschluss kann in diesen Materien aber von keiner der beiden Betriebspartner erzwungen werden. Die Bestimmung des § 32 ArbVG räumt den Vertragsparteien fakultativer Betriebsvereinbarungen jede Möglichkeit ein, eine solche Vereinbarung für eine bestimmte Zeit zu befristen oder jederzeit einvernehmlich zu beenden. Auch eine (schriftliche) Kündigung ist329 jederzeit (mangels gesonderter Regelung durch die Vertragsparteien mit einer dreimonatigen Frist) möglich (§ 32 Abs 1 ArbVG). Die Rechtswirkungen der fakultativen BV enden mit deren Erlöschen (§ 32 Abs 3 erster Satz ArbVG). Nur für die Fälle, in denen die Vertragsparteien einer fakultativen BV sich über ihre Geltungsdauer (und damit auch über eine spätere Nachwirkung nach einer Kündigung) nicht ausdrücklich geeinigt haben und sie durch eine einseitige Erklärung einer der beiden Parteien endet, sieht § 32 Abs 3 zweiter Satz ArbVG vor, dass die BV für die im Zeitpunkt ihres Erlöschens von ihr erfassten AN bis zum Abschluss einer neuen (kollektiven oder einzelvertraglichen) Vereinbarung weiter gelten soll.

Die Nachwirkung gem § 32 Abs 3 ArbVG ist daher dispositiv. Die Betriebspartner können beim Abschluss einer fakultativen BV zulässig und wirksam vereinbaren, dass deren Rechtswirkungen (auch) im Fall einer Kündigung mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Vereinbarung enden.