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Verpflichtung zur Rückzahlung einer rechtswidrig vereinbarten „Urlaubsablöse“ im Baugewerbe

MANFREDTINHOF

Eine von der AG vorgegebene Vereinbarung über die Bezahlung eines „Urlaubsgeldvorschusses“ – wenngleich sie darauf ausgerichtet war, auf Kosten des AN die Entgeltfortzahlungsverpflichtung der AG für eine nach § 1155 Abs 1 ABGB zu entlohnende Dienstfreistellung zu beseitigen – weist auch Züge einer nach § 9a BUAG rechtsunwirksamen Urlaubsablöse auf, weil die künftigen Naturalurlaubsansprüche des AN dadurch im Ergebnis verringert worden wären. War dem AN aufgrund der von ihm unterfertigten Vereinbarung bewusst, dass er auf den ausdrücklich als Vorschuss bezeichneten Urlaubszuschuss im Zeitpunkt des Empfangs keinen Anspruch hatte, weil er über keine ausreichende Anwartschaft auf diese Leistung gegenüber der BUAK verfügte, kann er sich nicht auf einen gutgläubigen Verbrauch des Vorschusses berufen und wurde damit im Ergebnis um den – mangels Urlaubsvereinbarung rechtsgrundlos ausbezahlten – Urlaubszuschuss bereichert.

SACHVERHALT

Einem im Baugewerbe beschäftigten Estrichleger wurden von der AG einseitig zwölf Tage, an denen es keine Arbeit für ihn gab, als Urlaub eingetragen. Da er zu diesem Zeitpunkt die zeitliche Anwartschaft für weiteres Urlaubsentgelt nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) nicht erfüllte, vereinbarte er auf Initiative der AG die Auszahlung eines Urlaubsgeldvorschusses, der nach Erreichen der Anwartschaft mit dem tatsächlich von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) ausgezahlten Urlaubsgeld gegenverrechnet werden sollte. Da der AN nach der Winterpause kein weiteres Arbeitsverhältnis mehr zur AG einging, kam es nicht mehr zur vereinbarten Verrechnung und die AG klagte auf Rückzahlung des von ihr ausgezahlten Vorschusses.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der AG keine Folge: Es behandelte die gegenständliche Vereinbarung wie eine unzulässige Urlaubsablöse, weil damit gegen freiwillige Zahlung eines zu diesem Zeitpunkt nicht gebührenden Urlaubszuschusses die Urlaubsanwartschaften des AN verkürzt worden wären. Aufgrund des verbotenen Inhalts der Vereinbarung, die sich ungerechtfertigt zu Lasten des AN ausgewirkt hätte, sei eine Rückzahlungsverpflichtung zu verneinen. Der OGH erachtete die Revision der AG als berechtigt: Der AN musste den als Urlaubsgeldvorschuss erhaltenen Betrag somit zurückzahlen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] Diese Umgehungskonstruktion [gemeint ist der Inhalt der im Sachverhalt erwähnten Vereinbarung, Anm des Bearbeiters] brachte es mit sich, dass der Beklagte zwar zunächst insgesamt um den ausbezahlten Urlaubszuschuss (der mangels Urlaubsvereinbarung nicht zustand) zu viel erhalten hat, letzten Endes, wenn er nach der Winterpause wieder ein Arbeitsverhältnis zur Klägerin begonnen und weitere Urlaubsanwartschaften gegenüber der BUAG erworben hätte, durch die nachträgliche Abwicklung um sein anteiliges Urlaubsgeld gebracht worden wäre. Von einem vereinbarten ‚reinen Lohnvorschuss‘, wie die Revision meint, kann bei diesem Sachverhalt keine Rede sein.

3. Auf die Ungültigkeit einer vereinbarten Urlaubsablöse kann sich nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Arbeitgeber berufen (RIS-Justiz RS0031534). Dieser kann die Rück-330zahlung einer gezahlten Urlaubsablöse so lange nicht begehren, als der Arbeitnehmer nicht auf einem Verbrauch des Urlaubs besteht oder – nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Ansprüche nach §§ 9, 10 UrlG stellt (9 ObA 181/98b mwN). Eine Rückforderung der Ablöse ist aber zulässig, wenn die neuerliche Geltendmachung des unwirksam abgelösten Urlaubs zu einer doppelten Abgeltung und damit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Arbeitnehmers führen würde.

4. Der Beklagte hat sich auf die Unwirksamkeit der Urlaubsablösevereinbarung berufen.

Die rechtlichen Konsequenzen dieses Standpunkts müssen allerdings von der Situation ausgehen, dass die Vereinbarung nicht zur Gänze zur Ausführung gelangt ist, sondern nur der erste, den Beklagten durch die Auszahlung einer ihm mangels wirksamen Urlaubsverbrauchs nicht gebührenden Sonderzahlung begünstigende Abschnitt verwirklicht wurde. Da das Arbeitsverhältnis nach der Winterpause vom Beklagten aus eigenem Willen nicht mehr aufgenommen wurde, kam es zu keinen weiteren verrechenbaren Anwartschaften gegenüber der BUAG mehr, sodass die Klägerin den für sich geplanten Vorteil endgültig nicht mehr lukrieren konnte. […]

6. Die mit der Klage angestrebte Rückabwicklung der Vereinbarung verkürzt entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts keine berechtigten Ansprüche des Beklagten.

Es hätte die Vereinbarung vom November 2012 dem Beklagten zwar insgesamt zum Nachteil gereicht, wenn sie in allen Teilen zur Ausführung gelangt wäre, dazu ist es aber nicht gekommen. Die von der Klägerin ursprünglich verfolgte verpönte Absicht rechtfertigt es für sich allein nicht, dem Beklagten den ‚Vorschuss‘ auf eine Leistung zu belassen, auf die er wegen seines eigenen Entschlusses, das Arbeitsverhältnis nicht mehr aufzunehmen, endgültig keinen Anspruch mehr erwerben konnte. […]“

ERLÄUTERUNG

Vereinbarungen über Urlaubsablösen – also finanzielle Abgeltungen von Urlaubstagen bei aufrechtem Dienstverhältnis – sind rechtswidrig und deshalb verpönt, weil der Erholungszweck des Urlaubes dadurch vereitelt wird. Auch das BUAG, das den ständig wiederkehrenden saisonbedingten Unterbrechungen der Dienstverhältnisse im Baugewerbe Rechnung trägt und daher die BUAK anstelle des AG zur Auszahlung des Urlaubsgeldes und Administration der Urlaubstage einsetzt, sieht in seinem § 9a vor, dass Vereinbarungen zwischen AG und AN, die für den Nichtverbrauch des Urlaubes Geld oder sonstige vermögenswerte Leistungen des AG vorsehen, rechtsunwirksam sind. Der OGH erkennt in der Bezahlung des gegenständlichen „Urlaubsvorschusses“ auch eine Art Urlaubsablöse, weil ja die künftigen Urlaubsansprüche des AN durch die beabsichtigte Gegenverrechnung mit dem dann von der BUAK zu bezahlenden Urlaubsentgelt geschmälert worden wären.

Zwischen den Parteien und auch seitens der Gerichte herrscht Einigkeit darüber, dass die getroffene Urlaubsvereinbarung rechtswidrig und daher unwirksam war. Während der AN und die Vorinstanzen aber davon ausgehen, dass diese Vereinbarung ausschließlich im Interesse der AG getroffen worden und für den AN insofern nachteilig gewesen sei, als sich dadurch sein Anspruch auf Urlaubsabfindung gegen die BUAK verkürzt habe, meint der OGH, dass der AN durch die Rückzahlung der Ablöse ja gar nicht in seinen Ansprüchen verkürzt wäre. Die Vereinbarung sei nämlich nicht zur Gänze erfüllt worden, weil der AN nach der Winterpause seinen Dienst nicht mehr antrat und sich so seine Urlaubsanwartschaften bei der BUAK und auch das von dieser künftig zu zahlende Urlaubsgeld bewahrte, da es nicht mehr zu einer Gegenverrechnung kommen konnte. Der AN sei derjenige, der somit bereichert und daher zur Rückzahlung verpflichtet sei.

Der AN war offensichtlich während seines Arbeitsverhältnisses nicht über seine Rechte bei Entfall der Dienstleistung aus Gründen, die der AG zu vertreten hat, informiert. Es hätte ihm nämlich gem § 1155 Abs 1 ABGB trotzdem das Entgelt gebührt, wenn er zur Arbeitsleistung bereit war. Somit wäre ihm auch ohne Dienstleistung sein Entgelt zugestanden, ohne einen Urlaubsverbrauch thematisieren zu müssen. So aber musste der AN aus bereicherungsrechtlichen Gründen das vom AG bezahlte Urlaubsgeld zurückzahlen und bekam im Ergebnis nichts für den Zeitraum des Entfalls der Dienstleistung. Das Gerichtsverfahren hätte eventuell anders geendet, wenn der AN – der ja selbst von einer unwirksamen Urlaubsvereinbarung ausging – eine Gegenforderung in Höhe der Entgeltfortzahlung für die Freistellungstage eingewendet hätte.331