201Kündigung eines Universitätsprofessors – kein Recht auf Beschäftigung
Kündigung eines Universitätsprofessors – kein Recht auf Beschäftigung
Im Falle einer im Wesentlichen auf geistigen Fähigkeiten beruhenden Tätigkeit kann der unwiederbringliche Schaden durch Nichtausübung für einen bestimmten Zeitraum nicht ohne weiteres angenommen werden. Vielmehr bedarf es der Behauptung und der Bescheinigung einer konkreten Gefährdung.
Der Kl (als gefährdete Partei) ist seit 1.7.2009 bei der bekl Universität (und Gegnerin der gefährdeten Partei) als Universitätsprofessor beschäftigt.
Mit Schreiben vom 30.9.2015 sprach die Bekl die Kündigung des Dienstverhältnisses zum 31.12.2015 aus. Mit E-Mail vom 3.12.2015 forderte die Bekl den Kl auf, einen Übergabetermin betreffend Institutsräumlichkeiten und Arbeitsmittel vor dem Beendigungsdatum zu vereinbaren. Nach dem Datum würden alle Zugänge und Berechtigungen der Systeme der Universität gesperrt werden.
Der Aufgabenbereich des Kl umfasst die Vertretung und Förderung seines Fachgebiets in Forschung und Lehre sowie die Erfüllung der Forschungsaufgaben des Instituts. Ihm sind auch die damit im Zusammenhang stehenden administrativen Aufgaben, insb die Führung der ihm unterstellten fünf Mitarbeiter, übertragen.
Mit seiner Klage begehrt der Kl die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den 31.12.2015 hinaus. Die Kündigung sei formal unwirksam und inhaltlich nicht berechtigt. Zugleich beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt „zur Sicherung des Anspruchs auf Lehr- und Forschungstätigkeit während des Verfahrens über die Rechtswirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses werde der Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens geboten, dem Kläger im Umfang des bestehenden Arbeitsvertrags die Lehr- und Forschungstätigkeit uneingeschränkt zu belassen, insbesondere die Leitung des Instituts für R* zu belassen und ihm die betrieblichen, infrastrukturellen und personellen Mittel in der Ausstattung des Instituts nicht zu entziehen“.
Er habe einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, da eine erzwungene Unterbrechung der Lehr- und Forschungstätigkeit unabwendbar zu einer Beeinträchtigung seiner persönlichen Interessen am Erhalt seiner wissenschaftlichen Qualifikation, Reputation und Beziehungen und damit seines wissenschaftlichen Niveaus führend würde, was als unwiederbringlicher Schaden anzusehen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Der OGH gab den Rekursen beider Parteien teilweise Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und sprach der Kl einen immateriellen Schadenersatz von € 1.200,- zu.
„[…] In erster Instanz begehrte der Kläger die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Z 2 EO zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens. Die nun im Revisionsrekurs enthaltenen Ausführungen zu § 381 Z 1 EO entfernen sich daher vom ursprünglich gestellten Antrag und sind für das Verfahren nicht von Relevanz. […]
Ausgehend vom Wortlaut der vom Kläger beantragten einstweiligen Verfügung dient diese nicht der Sicherung des Anspruchs im Hauptverfahren, nämlich der Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, sondern der Sicherung des Anspruchs auf ‚Lehr- und Forschungstätigkeit während des Verfahrens über die Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses‘. Aus dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung lässt sich jedoch entnehmen, dass der Kläger tatsächlich den klagsweise geltend gemachten Anspruch sichern wollte. […]
Richtig verweist die Beklagte darauf, dass im Falle einer im Wesentlichen auf geistigen Fähigkeiten beruhenden Tätigkeit der unwiederbringliche Schaden durch Nichtausübung für einen bestimmten Zeitraum nicht ohne weiteres angenommen werden kann. Vielmehr bedarf es der Behauptung und der Bescheinigung einer konkreten Gefährdung. Dabei ersetzt der allgemeine Hinweis auf eine in abstrakto mögliche Gefährdung des Anspruchs nicht die im Gesetz geforderte Behauptung von Tatsachen, die die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Abwendung eines unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0005295). Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens auch nicht allein aus dem Umstand, dass sich ein Anspruch unmittelbar aus dem Gesetz ableiten lässt. […]
Insgesamt liegt daher, insbesondere im Hinblick darauf, dass […] die Voraussetzungen streng zu prüfen sind, kein ausreichend konkretes Vorbringen zu einem drohenden unwiederbringlichen Schaden vor. Da aber die Gefährdung bereits im Antrag schlüssig behauptet werden muss und un-332schlüssige Sicherungsanträge abzuweisen sind, ohne dass der gefährdenden Partei ein weiteres Vorbringen zu ermöglichen wäre (RIS-Justiz RS0005452 [T6]), ist der Antrag des Klägers schon aus diesem Grund unberechtigt.“
Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs im vorliegenden Fall zugelassen, weil noch keine Rsp zur Frage bestand, ob Universitätslehrer in einem aufrechten Dienstverhältnis aus Art 17 StGG (Grundrecht auf freie Wissenschaft und Lehre) ein Recht auf Beschäftigung – iSd Ermöglichung der Benutzung universitärer Einrichtungen – ableiten könnten.
Wesentliche und streng zu prüfende Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind das Vorliegen eines Hauptanspruchs und dessen Gefährdung.
Der OGH hat abgesehen von den gesetzlichen Tatbeständen (zB § 18 BAG; § 18 TAG) in der Vergangenheit nur in besonderen Ausnahmefällen (Gefäßchirurg: OGH 13.11.1996, 9 ObA 2263/96a; Neurochirurg: OGH 28.11.2002, 8 ObA 202/02t; Profifußballer: OGH 1.2.2007, 9 ObA 121/06v) ein Recht auf Beschäftigung zuerkannt. Im Gegensatz zu den erwähnten Ausnahmefällen, bei denen der Qualitätsverlust oder die Minderung von manuellen handwerklichen Fähigkeiten gefährdet waren, erfordert die Tätigkeit eines Universitätsprofessors geistige Fähigkeiten, weshalb für den OGH allein aus den Umständen keine offenkundige Gefährdung erkennbar war, die ein Recht auf Beschäftigung rechtfertigen würde. Mangels jeglicher Tatsachenbehauptungen des Kl konnte daher auch keine konkrete Gefährdung bescheinigt werden. Dass die Gefährdung durch konkrete Tatsachenbehauptungen darzutun ist, wurde vom OGH bereits in der Vergangenheit klar zum Ausdruck gebracht.
Wäre es dem Kl gelungen, eine konkrete Gefährdung zu bescheinigen, hätte der OGH die offengebliebene Rechtsfrage beantworten müssen, ob auch Universitätslehrern basierend auf den leitenden Grundsatz des Rechts der freien Wissenschaft und Lehre des Art 17 StGG grundsätzlich ein Recht auf Beschäftigung zusteht. Selbst wenn dies bejaht worden wäre, hätte in der Folge eine Interessenabwägung vorgenommen werden müssen, weil die Gefährdung des beruflichen Fortkommens nicht automatisch zu einer Verdrängung der AG-Interessen führen kann.