202

Anerkenntnisurteil nach Insolvenzeröffnung: Keine Bindungswirkung gegenüber Insolvenz-Entgelt-Fonds

MARGITMADER

Der Erstkl war als freier DN beim insolventen Unternehmen beschäftigt. Der Zweitkl übte seine Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin nur gelegentlich als nebenberufliche Zuverdienstmöglichkeit aus. Er hatte weder ein vorgeschriebenes Stundenpensum zu absolvieren, noch wurde seine Anwesenheit, seine Arbeitszeit oder die Art und Weise seiner Arbeitsverrichtung vom AG kontrolliert. Er war nicht zu einer Arbeitsleistung verpflichtet.

Nach der Insolvenzeröffnung meldeten beide Kl ihre Ansprüche im Insolvenzverfahren an und beantragten für ihre offenen Forderungen Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH. Der Insolvenzverwalter bestritt zunächst die angemeldeten Forderungen. Beide Kl brachten daraufhin Feststellungsklagen gegen den Insolvenzverwalter ein. Im Zuge des Prüfungsprozesses wurde zugunsten beider Kl ein Anerkenntnisurteil gefällt.

Die IEF-Service GmbH lehnte dennoch einen Teil der Ansprüche des Erstkl als nicht nach dem IESG gesicherte Ansprüche ab. Die Ansprüche des Zweitkl wurden mit der Begründung, es liege kein Arbeitsverhältnis, sondern lediglich eine lose Vertragsbeziehung vor, zur Gänze abgewiesen.

Die gegen die Bescheide erhobenen Klagen wurden abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung vom Berufungsgericht bestätigt. Die außerordentliche Revision der beiden Kl wurde zurückgewiesen.

Gem § 7 Abs 1 IESG ist die IEF-Service GmbH bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruches an die hierüber ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, die gegenüber dem Antragsteller rechtskräftig geworden sind, gebunden. Diese Bindung tritt aber nicht ein, wenn der Entscheidung kein streitiges Verfahren vorangegangen ist – wie zB bei einem Zahlungsbefehl oder Versäumungsurteil – oder ein Anerkenntnisurteil gefällt wurde, sofern diese Gerichtsentscheidung vor weniger als sechs Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder vor Erlassung eines gleichzuhaltenden Gerichtsbeschlusses rechtskräftig geworden ist. Die IEF-Service GmbH ist demnach an Gerichtsentscheidungen, denen kein streitiges Verfahren vorangegangen ist, nur dann gebunden, wenn sie vor mehr als sechs Monaten vor Insolvenzeröffnung oder eines gleichgestellten Insolvenztatbestandes rechtskräftig geworden sind.333

Beide Kl haben erst nach Konkurseröffnung ein Anerkenntnisurteil gegen den Insolvenzverwalter erwirkt. Das Berufungsgericht hat unter Berufung auf § 7 Abs 1 IESG diesem Anerkenntnisurteil keine Bindungswirkung in Bezug auf § 1 Abs 1 erster Satz IESG – AN-Eigenschaft der Kl – beigemessen. Diese Rechtsansicht entspricht laut OGH sowohl dem eindeutigen Wortlaut als auch dem Zweck der Gesetzesbestimmung. Das Argument der Kl, der AN habe im Falle eines prozessualen Anerkenntnisses des AG schon aus Kostengründen gar keine andere Wahl, als die Fällung eines Anerkenntnisurteils zu beantragen, wodurch sich auch die IEF-Service GmbH die Übernahme weiterer Prozesskosten ersparen würde, wurde vom OGH verworfen. Der Zweck des § 7 Abs 1 zweiter Satz IESG besteht in der Unterbindung von einseitigen Parteiendispositionen zu Lasten des Insolvenz-Entgelt-Fonds durch die Gewährleistung einer inhaltlichen Überprüfung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, da kein schutzwürdiges Interesse des AN auf Bezug von Insolvenz-Entgelt für eine unberechtigte Forderung besteht.

Nach § 1 Abs 1 IESG haben AN, freie DN iSd § 4 Abs 4 ASVG, Heimarbeiter sowie deren Hinterbliebene und Rechtsnachfolger Anspruch auf Insolvenz-Entgelt. Der Erstkl erhielt jene Ansprüche, die sich bei der Beurteilung seines Vertragsverhältnisses als freies Dienstverhältnis ergeben, von der Bekl zuerkannt. Die darüberhinausgehenden Ansprüche des Erstkl wie zB Stornoreserve, Aufwandersatzrückforderung und „incentive rice“ wurden als schon dem Grunde nach nicht nach dem IESG gesicherte Ansprüche abgewiesen.

Der Zweitkl übte seine Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin nur gelegentlich als nebenberufliche Zuverdienstmöglichkeit aus. Er strebte mit seinem Rechtsmittel die Qualifikation seines Vertragsverhältnisses als Angestelltenverhältnis an. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach es sich bei dieser losen Form der Vertragsbeziehung um ein „völlig atypisches“ – iS von überhaupt kein – Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 4 ASVG handelt und der Zweitkl daher nicht zum Kreis der nach § 1 Abs 1 IESG Anspruchsberechtigten gehört, ist nach Ansicht des OGH jedenfalls nicht unvertretbar.

Die Beurteilung der Vorinstanzen erwies sich somit nicht als korrekturbedürftig.