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Sicherung nicht ausgeglichener Zeitguthaben (ohne Durchrechnungszeitraum) durch Insolvenz-Entgelt-Fonds nur für innerhalb der letzten sechs Monate vor Insolvenzstichtag geleistete Arbeitsstunden

MARGITMADER

Nicht ausgeglichene Zeitguthaben sind nach § 3a Abs 1 Satz 3 IESG nur dann gesichert, wenn die abzugeltenden Arbeitsstunden in den in § 3a Abs 1 Satz 1 genannten Zeiträumen geleistet wurden und das Zeitguthaben im Sicherungszeitraum in eine fällige Geldforderung (rück-)umgewandelt wurde.

SACHVERHALT

Der Kl war von 28.5.2008 bis 30.6.2013 als Konstrukteur beschäftigt. In Folge eines Betriebsüberganges ging das Arbeitsverhältnis spätestens am 1.11.2012 auf den Erwerber des Unternehmens über. Der Betriebsübergang wurde vom Erwerber zunächst nicht in Frage gestellt und die bis dahin erworbenen Zeitausgleichsguthaben und Urlaubsanwartschaften übertragen. Erst Monate später wurde der Betriebsübergang vom Erwerber bestritten und die bis 31.10.2012 erworbenen Zeitausgleichsstunden und Urlaubstage nicht mehr anerkannt. Der Kl kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2013. Die nicht ausbezahlten Ansprüche, darunter auch der Anspruch auf Überstundenentgelt für die bis zum 31.10.2012 geleisteten Gutstunden, wurden mit Klage vom 22.11.2013 gerichtlich geltend gemacht. Am 10.7.2014 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des AG eröffnet. Der Kl beantragte Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die IEF-Service GmbH lehnte den Anspruch auf Überstundenentgelt für die bis zum 31.10.2012 geleisteten Gutstunden mit der Begründung, die Gutstunden seien nicht innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Insolvenzstichtag geleistet worden, ab. Die gegen den Bescheid erhobene Klage wurde abgewiesen und die erstinstanzliche Entscheidung vom Berufungsgericht bestätigt. Die außerordentliche Revision des Kl wurde zurückgewiesen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] Nicht ausgeglichene Zeitguthaben sind nach § 3a Abs 1 Satz 3 IESG nur dann gesichert, wenn die abzugeltenden Arbeitsstunden in den in § 3a Abs 1 Satz 1 genannten Zeiträumen geleistet wurden und wenn das Zeitguthaben im Sicherungszeitraum in eine fällige Geldforderung (rück-)umgewandelt wurde (8 ObS 4/16w;3348 ObS 4/14t = RIS-Justiz RS0129469; 8 ObS 7/07y = RS0122693).

Die Voraussetzung, dass die nicht ausgeglichenen Arbeitsstunden im Sicherungszeitraum geleistet wurden, ist im Anlassfall unstrittig nicht erfüllt.

Der Revisionswerber beruft sich auf § 19f Abs 2 und Abs 3 AZG (idF BGBl I 2007/61), wonach der Arbeitnehmer eine Umwandlung seines nicht verbrauchten Zeitguthabens in eine Geldforderung mangels einer entsprechenden Einigung letztlich erst mehr als sechs Monate nach Erbringung seiner (zusätzlichen) Arbeitsstunden verlangen könne. Daraus leitet er die Notwendigkeit ab, entgegen dem Wortlaut des Gesetzes § 3a Abs 1 Satz 3 IESG auch auf Zeitausgleichguthaben anzuwenden, sodass auch ältere, vor dem Sicherungszeitraum geleistete Zeitausgleichsguthaben gesichert seien, sofern sie binnen sechs Monaten ab Entstehen eingeklagt wurden.

Dieses Verständnis steht nicht nur mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und der dazu ergangenen, oben zitierten Rechtsprechung in Widerspruch, sondern auch mit dem auf den Zeitraum der Arbeitsverrichtung abstellenden Zweck der Begrenzung der Sicherung (8 ObS 4/16w; 8 ObS 4/14t).“

ERLÄUTERUNG

Insolvenz-Entgelt für nicht ausgeglichene Zeitguthaben, für die kein Durchrechnungszeitraum vorgesehen ist, gebührt gem § 3a Abs 1 Satz 3 IESG nur dann, wenn die abzugeltenden Arbeitsstunden in den in § 3a Abs 1 Satz 1 IESG genannten Zeiträumen geleistet wurden. Nach § 3a Abs 1 Satz 1 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt für jenes Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Insolvenzstichtag oder, wenn das Arbeitsverhältnis bereits früher geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen Ende fällig geworden ist.

Gem § 19f Abs 2 AZG ist bei Überstundenarbeit, für die Zeitausgleich gebührt und für die der Zeitpunkt des Ausgleichs nicht im Vorhinein vereinbart ist, der Zeitausgleich vom AG binnen sechs Monaten nach Ende des Durchrechnungszeitraums bzw der Gleitzeitperiode zu gewähren. Wird der Zeitausgleich vom AG nicht innerhalb dieser Frist gewährt, kann der AN gem § 19f Abs 3 AZG entweder den Zeitpunkt des Zeitausgleichs mit einer Vorankündigungsfrist von vier Wochen einseitig bestimmen, sofern nicht zwingende betriebliche Erfordernisse diesem Zeitpunkt entgegenstehen, oder eine Abgeltung der Überstundenarbeit in Geld verlangen.

Im vorliegenden Fall konnte ein Verbrauch der Gutstunden nicht erfolgen, da der AG den Betriebsübergang und somit den Anspruch auf Zeitausgleich bereits dem Grunde nach bestritt. Die Rückumwandlung des Zeitausgleichsguthabens in einen Geldanspruch wurde vom Kl nie verlangt, so dass die Fälligkeit des Entgeltanspruches erst mit Ende des Arbeitsverhältnisses eintrat.

Der Kl berief sich darauf, dass die Einhaltung des in § 19f Abs 2 und 3 AZG vorgesehenen langwierigen Verfahrens für die Geltendmachung von Überstundenentgelt immer dazu führe, dass die Voraussetzungen des § 3a Abs 1 Satz 1 IESG nicht erfüllt werden können.

Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die Fälligkeit des Entgelts für die geleisteten Zeitausgleichsstunden eingetreten. Damit habe sich der Anspruch auf Konsumation des Zeitguthabens noch vor Insolvenzeröffnung in einen Anspruch auf Überstundenentgelt für geleistete Zeitausgleichsstunden rückumgewandelt. Das Entgelt für geleistete Überstunden müsse daher nach § 3a Abs 1 Satz 1 und Satz 2 IESG beurteilt werden. Gem § 3a Abs 1 Satz 1 IESG gebührt Insolvenz-Entgelt für jene Ansprüche auf Entgelt, die in den letzten sechs Monaten vor Insolvenzeröffnung bzw vor Ende des Arbeitsverhältnisses fällig geworden sind. Diese Frist von sechs Monaten gilt gem Satz 2 aber dann nicht, wenn Ansprüche, die vor diesem Zeitraum fällig geworden sind, binnen sechs Monaten ab ihrem Entstehen gerichtlich eingeklagt wurden. Der Anspruch auf Überstundenentgelt für das nicht ausgeglichene Zeitguthaben sei innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeklagt worden und somit als gesicherter Anspruch iSd § 3a Abs 1 Satz 1 und Satz 2 IESG anzusehen.

Diese Argumentation wurde vom OGH ausdrücklich abgelehnt. Danach steht die Auffassung des Kl nicht nur mit dem eindeutigen Wortlaut des § 3a Abs 1 IESG und der dazu ergangenen Judikatur, sondern auch mit dem Zweck der Begrenzung der Sicherung von Ansprüchen in Widerspruch. Nach Ansicht des OGH sind Entgeltansprüche für nicht ausgeglichene Zeitguthaben gem § 3a Abs 1 Satz 3 IESG nur dann gesichert, wenn die abzugeltenden Arbeitsstunden in den in § 3a Abs 1 Satz 1 IESG genannten Zeiträumen geleistet wurden und das Zeitguthaben noch im Sicherungszeitraum in eine fällige Geldforderung (rück-)umgewandelt wurde.

Die Voraussetzung, dass die nicht ausgeglichenen Gutstunden im Sicherungszeitraum geleistet worden sein müssen, ist im Anlassfall unstrittig nicht erfüllt. Die Beurteilung der Vorinstanzen erwies sich somit als nicht korrekturbedürftig.335