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Auch ohne ausländische Beschäftigungszeiten kann die Nichtanrechnung einschlägiger Dienstzeiten diskriminierend und damit unionsrechtswidrig sein

MARTINACHLESTIL

Der kl AN steht seit 1.1.1998 als Arzt in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum beklagten Sozialversicherungsträger (bekl AG). Auf das Dienstverhältnis ist die Dienstordnung B für die Ärzte bei Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) anzuwenden. Für die Einstufung wurden dem kl AN bei der Begründung des Dienstverhältnisses gem § 13 Abs 1 Z 1 DO.B insgesamt Vordienstzeiten im Ausmaß von 14 Jahren, vier Monaten und neun Tagen angerechnet. Nicht angerechnet wurde ein weiterer Zeitraum an Dienstzeiten in anderen Dienstverhältnissen als angestellter Arzt im Ausmaß von einem Jahr, zehn Monaten und zehn Tagen. Denn nach § 13 DO.B sind lediglich nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Dienstzeiten im Anstellungsverhältnis zu österreichischen Sozialversicherungsträgern anzurechnen.

Mit seinen Klagen vom 1.12.2015 begehrt der kl AN ua die Feststellung, dass die bekl AG für die Zukunft die Abrechnung seiner Bezüge und sonstigen Ansprüche unter voller Berücksichtigung auch dieser Vordienstzeiten vorzunehmen habe. Die dieser Vordienstzeitenanrechnung entgegenstehende damalige Regelung des § 13 DO.B sei wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der AN unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden.

Das Berufungsgericht gab dem Begehren des kl AN unter Bezugnahme auf die Judikatur des EuGH (5.12.2013, C-514/12, SALK)statt. Die zum Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses des kl AN geltende Fassung des § 13 Abs 1 Z 1 DO.B, wonach nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur solche Dienstzeiten anzurechnen sind, die im Anstellungsverhältnis zu österreichischen Sozialversicherungsträgern zurückgelegt wurden, schließe von vornherein die Anrechnung ausländischer, im Geltungsbereich des Unionsrechts verbrachter Vordienstzeiten aus. Dies sei eine unzulässige Beeinträchtigung der AN-Freizügigkeit nach Art 45 AEUV (ex-Art 39 EGV) sowie Art 7 Abs 1 der damals gültigen VO (EWG) 1612/68 (nunmehr Freizügigkeitsverordnung VO [EU] 492/2011) und daher unionsrechtswidrig. Der kl AN könne derzeit zwar keine einschlägigen Beschäftigungszeiten im Ausland vorweisen, sei aber von der diskriminierenden Vorschrift insofern betroffen, als auch sein Anspruch auf AN-Freizügigkeit, nämlich als österreichischer Staatsangehöriger im Ausland zu arbeiten und bei einer Rückkehr keine Nachteile in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten zu erleiden, berührt werde.

Der OGH schloss sich dem Berufungsgericht an und verwies auf dessen zutreffende Begründung. Ein Verstoß gegen unmittelbar anzuwendendes Unionsrecht ziehe die Unwirksamkeit des davon betroffenen KollV(-Teils) nach sich. Daher seien auch Kollektivvertragsbestimmungen, die Art 45 AEUV entgegenstehen, nichtig. Die DO.B für die Ärzte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs sei ein KollV. Nationale Bestimmungen wie § 13 DO.B, die einen AN, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sei, daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen Beeinträchtigungen der AN-Freizügigkeit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden AN angewandt werden.