Fortbildungskosten für Kinderbetreuungspersonen
Fortbildungskosten für Kinderbetreuungspersonen
Seit 1.9.2016* besteht in Tirol eine gesetzliche Fortbildungspflicht für Betreuungspersonen in Kinderbetreuungseinrichtungen. In Zusammenhang mit dieser treten mehrere arbeitsrechtliche Fragen auf: Ist die Zeit des Besuchs dieser Fortbildung entgeltpflichtige Arbeitszeit oder hat die Betreuungsperson sich in ihrer Freizeit fortzubilden? Kann die Kinderbetreuungseinrichtung die Fortbildung anordnen? Muss sie ihrer AN diese Fortbildungsveranstaltung auch zur Gänze bezahlen? Kann sie für die von ihr bezahlte Fortbildung eine Kostenrückersatzklausel im Rahmen des § 2d AVRAG mit der AN vereinbaren?
Zur Förderung der Erwerbsbetätigung von Eltern ist ein Angebot von Kinderbetreuungsplätzen von erheblicher Bedeutung. Diese werden in Kinderbetreuungseinrichtungen, die teils von öffentlichen, teils von privaten Personen (idR von Vereinen) erhalten werden, angeboten. In Tirol gilt für beide das Tiroler Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz (Tir KBKBG), welches mit 1.9.2010 das bisherige Tiroler Kindergarten- und Hortgesetz und das Landesgesetz über die fachliche Anstellungserfordernisse für KindergärtnerInnen und für Erzieher an Horten und an Schülerheimen abgelöst und die bisher im Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetz geregelte Tagesbetreuung durch Tagesmütter bzw -väter sowie die für Kinderkrippen, Spielgruppen und Tageseltern geltenden Richtlinien des Landes Tirol zusammengefasst hat. Damit soll allen Kindern die bestmögliche Bildung, Erziehung, Betreuung und Pflege gewährt werden.* So darf der Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtung, der auch für die Beistellung des für die Betreuung der Kinder erforderlichen Fachpersonals verantwortlich ist,* gem § 29 Abs 1 Tir KBKBG nur für die jeweilige Tätigkeit fachlich geeignetes Personal heranziehen. Konkretisiert wird dies durch eine Mindestquote an Betreuungspersonen,* welche die in §§ 31 ff Tir KBKBG genannten Anstellungs- und Zusatzerfordernisse aufweisen müssen. Wird diese Mindestquote im laufenden Betrieb unterschritten, ist die Kinderbetreuungseinrichtung vom Erhalter stillzulegen.* Nicht nur, dass der Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtung der behördlichen Aufsicht unterliegt,* der Weiterbetrieb mit nicht fachlich geeignetem Personal ist für den Erhalter strafbar.*
Als Beitrag zur Qualitätsbildung, -sicherung und -entwicklung hat seit 1.9.2016 jede Betreuungsperson spätestens binnen eines Jahres nach dem Beginn des Dienstverhältnisses den Nachweis über die Absolvierung eines Kurses in Erster Hilfe im Ausmaß von 16 Stunden zu erbringen.* Weiters sieht – ergänzend zum Mindestpersonaleinsatz des § 29 Tir KBKBG, die der Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtung zu erfüllen hat – § 29a Abs 1 Tir KBKBG nunmehr eine Fortbildungsverpflichtung der Betreuungspersonen vor.* Danach sind Betreuungspersonen verpflichtet, „a) mindestens alle vier Jahre einen Kurs in Erster Hilfe zu absolvieren und b) regelmäßig, zumindest jedoch im Ausmaß von 15 Stunden pro Jahr, an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen
“. Dabei haben gem § 29a Abs 2 leg cit Fortbildungsveranstaltungen der Beratung, Weiterbildung und dem Erfahrungsaustausch zu dienen und insb die je-50weils berufsspezifischen Anforderungen zu thematisieren. Generell dienen Fortbildungen dazu, fachlichen Entwicklungen in einem Beruf nachzufolgen und so die im Zuge der Ausbildung erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem aktuellen Stand zu erhalten und zu vertiefen.* Damit sind Fortbildung und Ausbildung voneinander zu unterscheiden:* Mit erstem bleibt das erhalten, was mit zweitem erworben wurde.
Unzweifelhaft ist die jeweilige Betreuungsperson – nicht der Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtung – Adressat der Fortbildungspflicht nach § 29a Abs 1 Tir KBKBG. Damit ist die Fortbildungspflicht als eine berufsrechtliche Verpflichtung konstruiert, wie sie – in unterschiedlichen Ausmaßen – auch für andere Berufe, vorzugsweise im Gesundheitsbereich,* vorgeschrieben wird.* Die Betreuungsperson hat daher regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse zu absolvieren und an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, um überhaupt als Betreuungsperson in Tiroler Kinderbetreuungseinrichtungen tätig werden zu dürfen, auch wenn der Verstoß gegen die Fortbildungspflicht keinen eigenen Verwaltungsstraftatbestand darstellt.
§ 29a Abs 3 Tir KBKBG ergänzt die berufsrechtliche Fortbildungspflicht der Betreuungsperson mit der Verpflichtung des Erhalters der Kinderbetreuungseinrichtung, „Betreuungspersonen die Teilnahme an den im Abs. 1 genannten Kursen und Fortbildungsveranstaltungen zu ermöglichen
“. Dies isoliert betrachtet bedeutet, dass der AG die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung während der Arbeitszeit nicht verhindern kann, sondern diese als Dienstverhinderungsgrund iSd § 1154b Abs 5 ABGB zu begreifen ist mit der Folge, dass das Arbeitsentgelt für die Zeit der Fortbildung, soweit sie in die vereinbarte Arbeitszeit fällt, weiter zu zahlen ist.
Die Betreuungspersonen werden in aller Regel im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zum Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtung als AG beschäftigt. Im Arbeitsvertrag verpflichten sie sich zur Arbeitsleistung als Betreuungsperson, sei es als pädagogische Fachkraft, Assistenzkraft oder Stützkraft.* Die durch § 29a Abs 1 Tir KBKBG berufsrechtlich obliegende Fortbildungsverpflichtung schlägt sich über das geschuldete Bemühen der Betreuungsperson als AN auf ihre arbeitsvertragliche Pflicht nieder, wodurch sie auch gegenüber ihrem AG zur Absolvierung der Erste- Hilfe-Kurse und zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen verpflichtet ist.* Für pädagogische Fachkräfte, die bei Tiroler Gemeinden oder Gemeindeverbänden beschäftigt sind, sieht § 102 Abs 2 Tir Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 2012 (G-VBG 2012) dezidiert vor, dass ihre Dienstzeit auch Fortbildungen erfasst, die sie gem § 105 Tir G-VBG 2012 zu besuchen haben.*
Daran, dass der AN fachliche Entwicklungen beobachtet, erfasst und übernimmt und so seine berufliche Tätigkeit lege artis ausübt, hat der AG auch ein unmittelbares Interesse: Zum einen ist er auf das Vorliegen aller Voraussetzungen, insb auch in personeller Hinsicht, zum Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtung angewiesen,* zum anderen ist er aus haftungsrechtlichen Gründen nach §§ 1293 ff iVm § 1313a ABGB gegenüber den in seiner Einrichtung betreuten Kindern und deren Eltern zur sorgfältigen Auswahl seiner AN sowie Einhaltung von deren berufsrechtlichen Fortbildungsverpflichtungen angehalten.*
Diese Einschreibung der gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung in die vertraglich vereinbarte Arbeitspflicht der Betreuungsperson hat Auswirkungen in zwei Richtungen: Einerseits ist der AG berechtigt, seiner Betreuungsperson die Weisung zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu erteilen. Dieser Weisung, die letztlich nur die vereinbarte Arbeitsleistung konkretisiert, hat die Betreuungsperson nachzukommen, auch wenn sie die Fortbildung berufsrechtlich zulässigerweise nicht sofort absolvieren müsste. Lediglich Fortbildungen, die das erforderliche Ausmaß des § 29a Abs 1 Tir KBKBG übersteigen, darf sie ab-51lehnen. Freilich sind beim Besuch der Fortbildungsveranstaltung auch die höchstzulässigen Arbeitszeitgrenzen sowie Arbeitsruhebestimmungen zu beachten, deren Übertretung etwa bei Fortbildungen am Wochenende drohen können.
Andererseits hat der AG im Rahmen seiner Fürsorgepflicht die Voraussetzungen für eine solche Fortbildung zu bieten, damit seine AN die mit ihm vereinbarte und von ihm geforderte Arbeit auch bestimmungsgemäß erbringen kann.* Nach der bisherigen höchstgerichtlichen Rsp* ist aber für diese Fürsorgepflicht Bedingung, dass die Fortbildung dem AN „für sich allein in dem erforderlichen Maße regelmäßig nicht möglich ist
“. Möglich ist dies dem AN nur, wenn es ihm auch zumutbar ist. Bestimmende Kennzahl dafür sind die aufzuwendenden Kosten, welche im Verhältnis zum Arbeitsentgelt zu bewerten sind. Ist bspw die erforderliche Fortbildung mit einem Fachbuch möglich, so wird die Bereitstellung dieses Buches für den AN allein zumutbar sein. Die Kosten jener Fortbildungsveranstaltungen, wie sie in § 29a Abs 1 Tir KBKBG berufsrechtlich vorgeschrieben sind, werden jedoch regelmäßig die Zumutbarkeitsgrenzen der Betreuungsperson übersteigen, weshalb der Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtung aus der Fürsorgepflicht die Voraussetzungen für diese Fortbildung zu bieten haben wird.
Bei Gesundheitsberufen in Krankenanstalten tritt § 11d KAKuG hinzu, wonach Träger von Krankenanstalten sicherzustellen haben, dass eine regelmäßige Fortbildung für das nichtärztliche Personal gewährleistet ist; für das ärztliche Personal in Krankenanstalten muss gem § 8 Abs 1 Z 9 KAKuG sein Dienst so eingerichtet sein, dass es sich im erforderlichen Ausmaß fortbilden kann. Daraus wird abgeleitet, dass die in Krankenanstalten tätigen Angehörigen von Gesundheitsberufen für die im dienstlichen Interesse gelegenen Fortbildungsveranstaltungen Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Übernahme der mit der Fortbildungsveranstaltung verbundenen Kosten durch den Rechtsträger haben.* Die Verpflichtung des § 29a Abs 3 Tir KBKBG erscheint im Vergleich zu jenen der Krankenanstaltenträger reduziert, muss aber nicht eigens ausgeleuchtet werden. Denn so wie § 8 Abs 1 Z 9 und § 11d KAKuG lediglich zur Fürsorgepflicht hinzutreten und diese untermauern,* so verbreitert § 29a Abs 3 Tir KBKBG nur die dogmatische Grundlage für diese Fürsorgepflicht gegenüber der Betreuungsperson, ist aber nicht ihr alleiniger Ursprung.*
Die Konsequenzen aus dieser arbeitsrechtlichen Fortbildungspflicht gehen über § 29a Abs 3 Tir KBKBG hinaus: Die Fortbildung ist nicht bloß ein Dienstverhinderungsgrund, im Gegenteil: Der Besuch der Fortbildungsveranstaltung stellt gerade die Erfüllung des Arbeitsvertrages dar. Damit ist das Arbeitsentgelt nicht nur für die Zeit der Fortbildung fortzuzahlen, soweit sie in die vereinbarte Arbeitszeit fällt, sondern die Teilnahme an der gesamten Fortbildung ist als Arbeitszeit – gegebenenfalls als Mehrarbeit oder Überstunden – zu werten. Für den Fall, dass keine Mehr- oder Überstundenarbeit vereinbart war, kann die Betreuungsperson die Weisung ihres AG zum Fortbildungsbesuch dann nicht ablehnen, wenn keine andere Fortbildungsveranstaltung, die mit Lage und Ausmaß der vereinbarten Arbeitszeit kompatibel ist, besucht werden kann, denn ihre Treuepflicht beinhaltet bereits ihre Zustimmung zu dieser Mehrarbeit.*
Eine Aliquotierung der bezahlten Fortbildungszeit im Verhältnis zum Beschäftigungsausmaß der Betreuungsperson findet nicht statt, weil die gesamte Fortbildung für die Arbeitsleistung auch der nur teilzeitbeschäftigten, gar nur geringfügig beschäftigten Betreuungsperson erforderlich ist. Denn auch teilzeitbeschäftigte Betreuungspersonen haben das gesamte Wissen einzusetzen, das ihnen in der Fortbildung vermittelt wurde; dementsprechend sind die in § 29a Abs 1 lit b Tir KBKBG genannten 15 Stunden pro Jahr vom Beschäftigungsausmaß unabhängig.
Auch die Kosten der Fortbildungsmaßnahme einschließlich der notwendigen Hin- und Rückreise hat der AG zu tragen. Anders als bei Kosten einer52 Ausbildung, bei der zuerst der auszubildende AN profitiert und erst später der AG, der Arbeitsleistungen mit dann angehobener Qualifikation erwartet, ist die Grundlage nicht § 1014 ABGB* sondern besagte Fürsorgepflicht gem § 1157 ABGB.* Diese ist jedoch relativ zwingend,* weshalb der AG die Fortbildungskosten vertraglich nicht auf die Betreuungsperson überwälzen kann.
Gleich ist auch bei der Frage einer Kostenrückersatzklausel zu differenzieren: Während für Ausbildungskosten der Rückersatz in den Grenzen des § 2d AVRAG vertraglich vereinbart werden kann, können bloße Fortbildungen nicht mit einer Kostenrückersatzklausel versehen werden;* Fortbildungen sind vom Begriff der Ausbildung iSd § 2d AVRAG nicht erfasst.*
Die Zeit des Besuchs der in § 29a Abs 3 Tir KBKBG vorgeschriebenen Fortbildungen ist zur Gänze entgeltpflichtige Arbeitszeit; bei Nichtbezahlung des Entgelts besteht die Gefahr einer strafbaren Unterentlohnung gem § 29 Abs 1 LSD- BG.* Dafür kann der AG – unter Beachtung des AZG und ARG – den Besuch der Fortbildung auch anordnen. Weiters ist der AG verpflichtet, die Fortbildung selbst sowie Hin- und Rückreise zu bezahlen. Die Vereinbarung einer Kostenrückersatzklausel ist hingegen nicht möglich.