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Entlassung nach Kündigung in Kenntnis des Entlassungsgrundes unberechtigt

MANFREDTINHOF
§ 27 Z 4 dritter Fall AngG

Am 26.2.2014 sprach eine AG die Kündigung eines als Filialleiter beschäftigten AN aus, weil sie nach einer Kontrolle festgestellt hatte, dass ein anderer Mitarbeiter der AG für den AN an mehreren Tagen in der Früh zu Zeitpunkten „eingestempelt“ hatte, zu denen der AN weder bereits im Betrieb war noch außerhalb des Betriebs eine Arbeitstätigkeit des AN für die AG festgestellt werden konnte. Am 28.2.2014 wurde dem AN das Entlassungsschreiben übergeben.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der AG zurück. In der Auffassung des Berufungsgerichts, die AG habe auf ihr Entlassungsrecht verzichtet, weil sie den AN in Kenntnis des Entlassungsgrundes, nämlich der Manipulationen bei der Zeiterfassung, gekündigt hat, ist keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen. Nach herrschender Rsp und Lehre liegt in der Kündigung durch den AG grundsätzlich ein konkludenter Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts bezüglich des der Kündigung vorausgegangenen Verhaltens. Dadurch, dass die AG nach ihren Angaben erst am Tag nach der Kündigung erfahren habe, dass die Vorgangsweise des Einstempelns durch einen anderen Mitarbeiter „bereits sehr lange Zeit praktiziert“ worden sei, gelangte sie nicht in Kenntnis eines neuen, eine Entlassung begründenden Sachverhalts. Durch den schlüssigen Verzicht auf die Geltendmachung jenes Sachverhalts als Entlassungsgrund, der der AG zum Zeitpunkt der Kündigung bekannt war, ist ihr somit die Berufung auf den Entlassungstatbestand des § 27 Z 4 dritter Fall AngG (Anmerkung des Bearbeiters: „wenn er andere Bedienstete zum Ungehorsam gegen den Dienstgeber zu verleiten sucht“) verwehrt.