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Kein schlüssiger Widerruf einer Kompetenzübertragung an den Zentralbetriebsrat

HANNESSCHNELLER

Die kl Betriebsratskörperschaft war mit der vom Zentralbetriebsrat (ZBR) verhandelten BV nicht einverstanden und wollte diese gerichtlich als unwirksam feststellen lassen. Das Argument des kl BR war, dass es zwar eine Kompetenzübertragung vom BR an den ZBR gegeben hätte (vgl § 114 Abs 1 Satz 1 ArbVG), diese aber schlüssig (konkludent) widerrufen worden sei (diese Möglichkeit eines Widerrufs besteht nach § 114 Abs 1 Satz 2 ArbVG). Diese schlüssige Willenserklärung des BR sei dem schriftlichen und mündlichen Ausdruck der Unzufriedenheit des Betriebsratsgremiums über das Verhandlungsergebnis zu entnehmen sowie der Ablehnung bzw Stimmenthaltung durch den Betriebsratsvorsitzenden bei der Abstimmung über die Sachfrage, ob der ZBR eine BV konkreten Inhalts abschließen soll.

Der OGH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen, wonach kein schlüssiger Widerruf der seinerzeitigen Kompetenzübertragung festgestellt werden konnte. Ob ein Verhalten als schlüssige Willenserklärung in einem bestimmten Sinn zu werten ist, richtet sich immer nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls. Grundsätzlich ist bei der Annahme der Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen gem § 863 ABGB Vorsicht geboten. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt.

In der Entscheidung der Vorinstanzen, dass weder dem schriftlichen und mündlichen Ausdruck der Unzufriedenheit über das Verhandlungsergebnis, noch dem verneinenden Votum bzw der Stimmenthaltung des Vorsitzenden des kl BR bei einer Abstimmung der eindeutige objektive Erklärungswert eines Widerrufs der Kompetenzübertragung an den ZBR beizumessen sei, konnte der OGH keine unvertretbare Rechtsauffassung erkennen. Es steht fest, dass dem Vorsitzenden des kl BR die Rechtslage bezüglich der erforderlichen Kompetenzübertragung an den ZBR bewusst war, zumal er die Bekl ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hatte. Aus deren Sicht wäre daher umso mehr zu erwarten gewesen, dass die kl Partei einen etwaigen Widerruf nach den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie im Interesse aller an den Verhandlungen Beteiligten ausdrücklich und unmissverständlich erklären würde.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:

Im Hinblick auf die Rechtssicherheit, ob eine BV des ZBR in allen Betrieben des Unternehmens Gültigkeit hat oder nicht, ist es zu begrüßen, dass in stRsp zu § 863 ABGB strenge Anforderungen an schlüssig-konkludente Willenserklärungen (hier: Widerrufserklärung) gestellt werden: „Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt.

Seit einer Novellierung des § 114 ArbVG im Jahr 2013 ist ein Widerruf der Kompetenzübertragung nur noch „aus wichtigem Grund“ möglich, wenn es sich um eine bereits in Behandlung (zB Verhandlung zwischen ZBR und Betriebsinhaber) stehende Angelegenheit handelt. Damit soll verhindert werden, dass „unterhalb“ des ZBR angesiedelte Betriebsratskörperschaften laufende Verhandlungen zwischen AG und ZBR aus geringfügigen oder unsachlichen Gründen torpedieren können. Bei Vorliegen wichtiger Gründe (konkret drohende, objektivierbare Nachteile für die Belegschaft oder einzelne AN; Untätigkeit des ZBR) soll hingegen ein Widerruf jederzeit möglich sein – und dieser Widerruf sollte im Lichte der vorliegenden OGH-E möglichst ausdrücklich, klar und bestimmt erfolgen.