59Sicherung nicht abgeführter Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse durch Insolvenz-Entgelt-Fonds
Sicherung nicht abgeführter Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse durch Insolvenz-Entgelt-Fonds
Die §§ 3 Abs 1, 13a, 13d Abs 1 IESG räumen dem AN einen Anspruch auf Insolvenz-Entgelt, aber keinen direkten Zahlungsanspruch, ein. Der Insolvenz-Entgelt-Fonds schuldet die Beiträge dem zuständigen Krankenversicherungsträger, der die Beiträge an die Betriebliche Vorsorgekasse weiterzuleiten hat.
Der Anspruch des AN auf Leistung der korrekten Beiträge durch den AG kann daher nur gerichtlich festgestellt werden, aber nicht mittels Leistungsklage gegenüber dem Insolvenz-Entgelt-Fonds durchgesetzt werden.
Die Kl begann ihre Tätigkeit als Bezirksleiterin eines großen Handelswarenkonzerns am 15.5.2000 in Deutschland. Am 1.5.2004 wechselte sie zum österreichischen Tochterunternehmen und arbeitete ab diesem Zeitpunkt ausschließlich in Österreich.
Am 4.7.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet. Auf Grund der baldigen Schließung des Unternehmens beendete die Kl am 11.10.2013 ihr Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen berechtigten Austritt gem § 25 IO. Die Kl meldete die nicht abgeführten Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse zuzüglich der angefallenen Verzugszinsen für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses in Österreich als Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren an und beantragte dafür Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH.
Die IEF-Service GmbH lehnte die geltend gemachten Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse samt Verzugszinsen mit der Begründung ab, dass es nach den Bestimmungen des IESG keinen Anspruch des AN auf Auszahlung der Beiträge als Insolvenz-Entgelt gebe, da die IEF-Service GmbH diese Beiträge nicht dem AN, sondern dem zur Beitragseinhebung zuständigen Sozialversicherungsträger schulde.
Die Abweisung der Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse samt Verzugszinsen wurde mittels Klage bekämpft.
Im Zuge der mündlichen Streitverhandlung dehnte die Kl ihr Begehren um die Eventualfeststellung aus, dass ihr Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse von 1.6.2004 bis 31.12.2011 nach Maßgabe der §§ 13d und 13a IESG zu Recht bestehe.
Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren der Kl ab und gab dem Eventualbegehren statt. Ein Auszahlungsanspruch der Kl bestehe nicht. Die Bekl sei aber verpflichtet, das Insolvenz-Entgelt für die nicht entrichteten Beiträge im Verwaltungsweg an den zuständigen Sozialversicherungsträger weiterzuleiten.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Bekl keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit der Maßgabe, dass es dem Spruch eine durch Weglassen des Forderungsbetrags und des Beitragszeitraums verdeutlichte Fassung gab.
Der Revision der Bekl wurde nicht Folge gegeben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruchpunkt 2. der erstinstanzlichen E wie folgt zu lauten hat:
„2. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Insolvenz-Entgelt für Beiträge gemäß § 6 BMSVG aus dem vom 1. Mai 2004 bis 11. Oktober 2013 bestandenen Dienstverhältnis zur A* GmbH bzw T* GmbH besteht für die Zeit vom 4.7.2011 bis 31.12.2011 nach Maßgabe der §§ 13d iVm 13a IESG zu Recht.“
„2. […] Gemäß § 13a Abs 1 IESG umfasst der ‚Anspruch des Anspruchsberechtigten‘ auch die auf den Dienstnehmer entfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung. Nach § 13d Abs 1 IESG gilt § 13a leg cit für die vom84 Arbeitgeber zu leistenden Beiträge gemäß § 6 BMSVG oder gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung die BV-Kassenbeiträge treten.
Die §§ 3 Abs 1, 13a, 13d Abs 1 IESG räumen dem Arbeitnehmer in einem bestimmten Bereich einen Anspruch auf Insolvenz-Entgelt ein, aber weder einen (direkten) Zahlungsanspruch (vgl 8 ObS 5/09g), noch eine Parteistellung im Verwaltungsverfahren zwischen den Versicherungsträgern. Das rechtliche Interesse der Klägerin ergibt sich aus dem Umstand, dass im vorliegenden Verfahren zwar nicht dem Grunde nach eine Leistungspflicht der Beklagten strittig war, wohl aber der konkrete Leistungszeitraum; diese Frage kann zwischen den Streitteilen nur durch eine Feststellung geklärt werden. […]
4. […] Die nach § 13a Abs 2 IESG gesicherten Beitragsanteile umfassen zwar nicht nur offene Rückstände, sondern auch laufende Beitragsanteile, die auf die gesicherten (sonstigen) Ansprüche nach § 1 Abs 2 IESG entfallen. Die Klägerin hat ihr Feststellungsbegehren allerdings auf den Zeitraum bis zum 31.12.2011 beschränkt, sodass einer darüber hinaus reichenden Feststellung die Bestimmung des § 405 ZPO entgegensteht.“
Die Betrieblichen Vorsorgekassenbeiträge sind ausschließlich vom AG zu entrichten. Ausmaß und Abfuhr der Beiträge ist in den §§ 6–8 BMSVG geregelt. Danach hat der AG die Beiträge an den zuständigen Krankenversicherungsträger zur Weiterleitung an die Betriebliche Vorsorgekasse zu überweisen. Für die Einhebung und Weiterleitung der Betrieblichen Vorsorgekassenbeiträge ist somit ausschließlich der Krankenversicherungsträger zuständig. Es gelten die gleichen Regelungen wie für die allgemeinen Beiträge (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsbeiträge) zur SV. Das BMSVG sieht keine Kompetenz der Betrieblichen Vorsorgekasse selbst zur Geltendmachung und Eintreibung rückständiger Beiträge vor.
Erfüllt der AG seine Beitragspflicht nicht ordnungsgemäß, ist primär der zuständige Krankenversicherungsträger verpflichtet, Nachforderungen vorzuschreiben. § 6 Abs 2 BMSVG verweist diesbezüglich auf die entsprechenden Bestimmungen des ASVG. Es sind somit jene Regelungen heranzuziehen, die für die nicht ordnungsgemäße Abfuhr der Beiträge zur SV vorgesehen sind.
Der AN hat das Recht, zur Sicherung seiner Beitragszeiten und Beitragsgrundlagen beim zuständigen Krankenversicherungsträger einen Antrag gem § 68 ASVG auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge durch den AG einzubringen. Dieses Recht auf Feststellung verjährt grundsätzlich binnen drei Jahren ab Fälligkeit der Beiträge. Hat der AG die erforderlichen Angaben über den Versicherten oder dessen Entgelt nicht innerhalb der dafür in Betracht kommenden Frist gemacht, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tag der Meldung zu laufen. Die Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich auf fünf Jahre, wenn der AG oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36 ASVG) keine oder unrichtige Angaben bzw Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw über deren Entgelt gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig erkennen hätte müssen. § 68 ASVG wird streng ausgelegt: Die meldepflichtige Person muss sich grundsätzlich die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung erforderlichen Kenntnisse verschaffen und hat den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Wurde eine als zum Grundwissen des Meldepflichtigen zu zählende Meldepflicht verletzt, so darf die Behörde nach der Rsp des VwGH ohne weiteres von einer verschuldeten Meldepflichtverletzung ausgehen, sofern der Meldepflichtige nicht darlegt, aus welchem besonderen Grund ihn ausnahmsweise kein Verschulden trifft. In den überwiegenden Fällen steht den AN, für die nur unzureichende Beiträge entrichtet wurden, daher die fünfjährige Frist zur Verfügung, um die Feststellung der Leistungspflicht des AG beim Krankenversicherungsträger zu beantragen und damit die volle Beitragswirksamkeit dieser Zeiten sicherzustellen. Damit ist den AN das Eintreibungsrisiko zumindest für diesen Zeitraum abgenommen, sofern es nicht zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt.
Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, sind die rückständigen Beiträge nur im Rahmen des § 13a iVm § 13d IESG gesichert. Gem § 13a IESG umfasst der Anspruch des AN auf Insolvenz-Entgelt nicht nur den tatsächlichen Entgeltanspruch, sondern auch die auf den AN entfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen SV (DN-Beitragsanteile), mit Ausnahme der Beiträge zur AlV.
Für die vom AG zu leistenden Beiträge zur Betrieblichen Vorsorgekasse gilt gem § 13d IESG ebenfalls § 13a leg cit mit der Maßgabe, dass an die Stelle der DN-Beitragsanteile die Betrieblichen Vorsorgekassenbeiträge treten. Die Betrieblichen Vorsorgekassenbeiträge sind somit den DN-Beitragsanteilen gleichgestellt. Die Beiträge sind von dem für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger innerhalb der in § 13a Abs 3 IESG vorgesehenen Frist beim Insolvenz-Entgelt-Fonds geltend zu machen. Neben den DN-Beitragsanteilen, die auf die gesicherten Entgeltansprüche entfallen, sind auch jene Beiträge gesichert, die innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Insolvenzstichtag rückständig geworden sind.85
Der Insolvenz-Entgelt-Fonds schuldet die Beiträge dem für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger. Die Verrechnung der Beiträge erfolgt im direkten Weg. Das IESG sieht somit keinen Anspruch des AN auf Direktauszahlung der Betrieblichen Vorsorgekassenbeiträge durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds vor. Die spezielle Norm des § 13d verweist ausdrücklich auf § 13a IESG. Daher fehlt es laut OGH an einem Recht des AN auf direkte Auszahlung der Beiträge. Der Anspruch des AN auf Leistung der korrekten Beiträge durch den AG kann daher nur gerichtlich festgestellt werden, aber nicht mittels Leistungsklage gegenüber dem Insolvenz-Entgelt-Fonds durchgesetzt werden (OGH 30.7.2009, 8 ObS 5/09g).
Im Anlassfall sind die rückständigen Beiträge für den Zeitraum 4.7.2011 bis 4.7.2013 durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds gesichert. Die letzte Gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben des AG hatte im Dezember 2011 stattgefunden. Da hierbei keine Beitragspflicht des AG nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) festgestellt wurde, entschloss sich die Gebietskrankenkasse (GKK) noch vor Bescheiderlassung durch die Bekl, die rückständigen Beiträge für den Zeitraum vom 1.1.2012 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die zuständige Betriebliche Vorsorgekasse nachzuentrichten. Daher beschränkte sich das Feststellungsbegehren der Kl auf den Zeitraum 4.7. bis 31.12.2011. Unabhängig davon wurden später ergänzend noch weitere rückständige Beiträge für die Zeit von 1.7.2008 bis 3.7.2011 – entsprechend der Fünf-Jahresfrist des § 68 ASVG – von der GKK an die zuständige Betriebliche Vorsorgekasse nachbezahlt, da die GKK es verabsäumt hatte, die Beiträge beim AG einzuheben und an die Betriebliche Vorsorgekasse weiterzuleiten.
Der Anlassfall beinhaltet eine weitere interessante, im Verfahren vor dem OGH aber nicht mehr relevante Sachverhaltskomponente zum Thema Konzernarbeitsverhältnis gem § 46 Abs 3 Z 3 BMSVG:
Der österreichische AG bestätigte anlässlich der Übernahme des Arbeitsverhältnisses, dass sämtliche Beschäftigungszeiten, die in Deutschland zugebracht worden waren, angerechnet werden. Die Kl ging vor diesem Hintergrund von einem Anspruch auf Abfertigung (alt) aus.
Der von der Kl im Insolvenzverfahren angemeldete Anspruch auf Abfertigung wurde vom Insolvenzverwalter bestritten. Die dagegen eingebrachte Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen (OLG Linz 25.2.2015, 12 Ra 6/15m unter Bezugnahme auf OGH 11.5.2006, 8 ObA 33/06w). Danach ist § 46 BMSVG auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden, deren Beginn nach dem 31.12.2002 erfolgt ist. Auf die in § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG normierte Ausnahme (Wechsel des AG im Konzern) könne sich die AN nicht berufen. Sinn dieser Ausnahmeregelung ist, bereits bestehende Anwartschaften aufrecht zu erhalten. Wesentliche Voraussetzung dafür ist daher, dass die Konzernkarriere des AN bereits vor dem 31.12.2002 begonnen haben muss und das Arbeitsverhältnis dem bis dahin geltenden Abfertigungsrecht unterlegen ist. Das Arbeitsverhältnis in Deutschland begründete aber keinen Abfertigungsanspruch nach dem AngG. Auch die Vordienstzeitenanrechnung des AG ist nicht geeignet, einen Anspruch der Kl auf Abfertigung alt zu begründen. Im Zeitpunkt des Wechsels der Kl nach Österreich war die alte Abfertigungsregelung bereits seit längerem außer Kraft. Daher konnte die Bestätigung des AG, wonach das ursprüngliche Eintrittsdatum maßgeblich sein solle, nicht so verstanden werden, dass der AG der Kl damit eine vertragliche Abfertigung zusichern wollte.