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Freie DienstnehmerInnen und Sicherung der Kündigungsentschädigung bei Insolvenz: Gesetzliche Kündigungsfrist maßgeblich

MARGITMADER

Der Kl war von 1.6. bis 4.10.2015 als freier DN beschäftigt. Laut freiem Dienstvertrag konnte das Vertragsverhältnis von beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu jedem Monatsletzten gekündigt werden. Mit Beschluss vom 3.9.2015 wurde über das Vermögen des DG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kl erklärte daraufhin am 4.10.2015 gem § 25 IO seinen vorzeitigen berechtigten Austritt aus dem Dienstverhältnis und beantragte – den Regelungen des freien Dienstvertrages entsprechend – Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 5.10. bis 30.11.2015 als Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH.

Die IEF-Service GmbH lehnte die geltend gemachte Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von 2.11. bis 30.11.2015 als nicht gesichert ab. Die gegen den Bescheid erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Die Revision des Kl wurde vom OGH zurückgewiesen.

Die Auflösung eines freien Dienstvertrages ist weder gesetzlich noch kollektivvertraglich geregelt. Nach Rsp und Lehre sind aber die Kündigungsmodalitäten der §§ 1159, 1159a, 1159b sowie der §§ 1162 bis 1162d ABGB analog anzuwenden.

Kündigt der Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens bereits angetretene Arbeitsverhältnisse gem § 25 IO, so hat er nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen – ohne Rücksicht auf allfällige Kündigungstermine – einzuhalten. Allfällige einzelvertraglich vereinbarte längere Kündigungsfristen sind für ihn unbeachtlich.86

Im vorliegenden Fall wurde das freie Dienstverhältnis durch berechtigten vorzeitigen Austritt des Kl gem § 25 IO gelöst.

Bei einem privilegierten Austritt nach § 25 IO gebührt dem AN eine als Schadenersatzanspruch zu qualifizierende Kündigungsentschädigung. Das Ausmaß dieser Kündigungsentschädigung orientiert sich nicht am begünstigten Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters oder des eigenverwaltenden Schuldners, sondern an der ordnungsgemäßen AG-Kündigung. Der AN hat demnach Anspruch auf Schadenersatz gem § 29 AngG bzw § 1162b ABGB für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordnungsgemäße AG-Kündigung hätte verstreichen müssen.

Die besonderen Lösungsrechte der Arbeitsvertragsparteien nach § 25 IO sind auf freie Dienstverträge sinngemäß anzuwenden.

Freie DN iSd § 4 Abs 4 ASVG haben seit Jänner 2008 Anspruch auf Insolvenz-Entgelt nach § 1 Abs 1 IESG (§ 2a IESG idF BGBl I 2007/104 bzw § 1 Abs 1 IESG idF BGBl I 2010/29).

§ 3 IESG regelt das Ausmaß des Insolvenz-Entgelts. Diese Bestimmung ist auch für freie DN maßgeblich. Nach § 3 Abs 3 IESG sind der Berechnung des Insolvenz-Entgelts für gesicherte Ansprüche nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen.

Daraus folgt, dass in § 3 Abs 3 IESG – entgegen der Ansicht des Kl – nicht nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen, sondern auch die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungstermine angesprochen werden. Eine Wiederholung der Wortfolge „gesetzlichen oder kollektivvertraglichen“ unmittelbar vor dem Wort „Kündigungstermine“ ist aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung unterblieben.

Der Berechnung des Insolvenz-Entgelts sind somit die einschlägigen gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die entsprechenden gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrunde zu legen. Sind in einer BV oder in einem Arbeitsvertrag für den AN günstigere (längere) Kündigungsfristen des AG vorgesehen, so sind diese bei der Berechnung des Insolvenz-Entgelts nicht zu berücksichtigen.

Da sich der Kl im Anlassfall weder auf einen gesetzlichen noch einen kollektivvertraglichen Kündigungstermin berufen kann, hat er nur Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für die Dauer der vierwöchigen Kündigungsfrist, nicht jedoch bis zum vertraglich vereinbarten Kündigungstermin.