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KollV ÖBB Arbeitszeit: Nachtfaktor steht auch im Falle einer Dienstverhinderung zu

RICHARDHALWAX
§ 8 ÖBB Arbeitszeit KollV; § 16 AVB

Der kl BR begehrte ua die Feststellung, dass die AN der Bekl, auf deren Dienstverhältnis allgemeine Vertragsbedingungen (im Folgenden: AVB) Anwendung finden, Anspruch auf Bewertung der zu erbringenden Arbeitsleistung zwischen 22:00 und 6:00 Uhr gemäß dem Nachtfaktor in § 8 Abs 3 ÖBB Arbeitszeit KollV haben, wenn diese Arbeitsleistung wegen einer Dienstverhinderung infolge Krankheit oder Unfalls oder eines Kuraufenthalts ausfällt und für die Dienstverhinderung Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.

Durch die genannte Regelung wird der tatsächlichen Arbeitszeit im Nachtzeitraum ein Nachtfaktor von 0,8 zugrunde gelegt, sodass 8/10tel einer Zeiteinheit als ganze Zeiteinheit zu werten sind (zB 48 Minuten tatsächliche Arbeitszeit = 60 Minuten Anrechnung). Die Bekl bestritt, weil nur bei tatsächlicher Mehrbelastung durch Nachtarbeit ein zusätzlicher Erholungsbedarf entstünde. Der Nachtfaktor gewähre dem AN kein zusätzliches Entgelt.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt, weil es bedenklich sei, wenn eine Regelung dazu führe, dass kranke AN auf ihre Krankheit nicht Rücksicht nehmen würden, um keine finanziellen Nachteile zu erleiden. Das Berufungsgericht änderte die E dahin ab, dass es das Feststellungsbegehren im revisionsgegenständlichen Punkt abwies. Der OGH habe zu § 8 ÖBB Arbeitszeit KollV bereits ausgesprochen, dass damit den AN für die Nachtarbeit kein zusätzliches Entgelt zugesichert werde, sondern nur eine Verringerung der Arbeitspflicht (OGH 14.9.1988, 9 ObA 213/88).89

Aufgrund des Revisionsantrags des Kl stellte der OGH die Klagsstattgebung des Erstgerichts wieder her. Nicht die Bestimmung des § 8 ÖBB Arbeitszeit KollV, sondern § 16 AVB regelt die Entgeltfortzahlung bei unterbliebener Nachtarbeit. Nach dieser Regelung haben die AN der Bekl Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsprechend den §§ 2 EFZG und 8 AngG. Die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung gehen vom Ausfallsprinzip aus, nach dem der AN während eines Urlaubs oder Krankenstandes grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten hat, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte. Nach dem Konzept des § 8 Abs 3 ÖBB Arbeitszeit KollV soll grundsätzlich die Sollarbeitszeit im einmonatigen Durchrechnungszeitraum durch den Erwerb der Zeitwerte erreicht werden. Die Nichtanwendung des Nachtfaktors für solche Zeiten, in denen ein AN zwar nach der jeweils geltenden Diensteinteilung zur Nachtarbeit eingeteilt ist, seine (geplante) Arbeitsleistung jedoch (insb wegen Krankheit) nicht erbringen kann, hätte daher zur Folge, dass der AN für seine (krankheitsbedingte) Abwesenheit – im Ausmaß des nicht erworbenen Zeitguthabens – zusätzliche Arbeitszeit leisten (oder wie der Kl es plastisch formuliert: „den Krankenstand teilweise einarbeiten“) müsste. Ohne Anwendung des Nachtfaktors für die eingeteilte Arbeitszeit hätte der AN in diesem Umfang zusätzliche Stunden zu arbeiten, um im Durchrechnungszeitraum seine Normalarbeitszeit zu erfüllen. Dies liefe aber dem geltenden Verständnis vom Wesen der Entgeltfortzahlung zuwider, wonach der AN so gestellt werden soll, als hätte er die ausgefallene Arbeit tatsächlich erbracht.