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Abweichen eines Primararztes vom lehrbuchmäßigen Standardvorgehen als Entlassungsgrund?

RICHARDHALWAX
§ 88 Abs 2 Z 2 NÖ LBG

Der Kl war als Primararzt ab Dezember 2008 an einem Landesklinikum der Bekl beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem NÖ Landesbedienstetengesetz (NÖ LBG). Am 6.12.2010 sprach die Bekl die Entlassung des Kl aus, weil er sich im Juni desselben Jahres bei der Behandlung eines Patienten einer besonders schweren Verletzung von ärztlichen Aufklärungs- und Dokumentationspflichten schuldig gemacht habe. Am 21.2.2011 sprach sie überdies eine Eventualentlassung mit der Begründung aus, der Kl habe durch grob sorgfaltswidrige Behandlungsweise den Tod des genannten Patienten verschuldet. Der Kl bekämpfte beide Entlassungen mit dem Feststellungsantrag, dass sein Dienstverhältnis sowohl über den 6.12.2010 als auch über den 21.2.2011 hinaus weiterhin aufrecht sei, obgleich er wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und sprach aus, dass sein Dienstverhältnis noch bis zum 31.5.2011 aufrecht weiterbestanden habe. Der erste Entlassungsausspruch sei zwar verfristet gewesen und für die Eventualentlassung liege kein hinreichend schwerwiegender Anlass vor, nach den Bestimmungen des NÖ LBG sei die Eventualentlassung aber iSd § 92 Abs 1 NÖ LBG als berechtigte Kündigung zu behandeln, die das Dienstverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet habe.

Die gegen diese E von beiden Parteien erhobenen außerordentlichen Revisionen wurden vom OGH gem § 510 Abs 3 ZPO zurückgewiesen, weil keine erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO vorlagen. Es stellt insb keine unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts dar, dass es im Einzelfall noch kein exzeptionelles, die sofortige Entlassung rechtfertigendes Fehlverhalten war, wenn der Kl im konkreten Fall wissentlich von einem lehrbuchmäßigen chirurgischen Standardvorgehen abgewichen ist, zumal in § 88 Abs 2 Z 2 NÖ LBG auch eine fehlende fachliche bzw persönliche Eignung (nur) als Kündigungsgrund genannt wird.