68Kein Aussonderungsrecht des Arbeitnehmers bezüglich vom Arbeitgeber einbehaltener Altersversorgungsbeiträge im Insolvenzverfahren
Kein Aussonderungsrecht des Arbeitnehmers bezüglich vom Arbeitgeber einbehaltener Altersversorgungsbeiträge im Insolvenzverfahren
Der Kl war seit 18.11.1996 beim AG beschäftigt. Der AG behielt monatlich einen Teil des Lohns ein, um ihn als Beitrag zu einer betrieblichen Altersversorgung auf das Versorgungskonto des AN bei einer Pensionskasse einzuzahlen. Die Beiträge ab Jänner 2013 wurden vom AG zwar einbehalten, jedoch nicht mehr an die Pensionskasse weitergeleitet. Am 1.10.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des AG eröffnet. Die Beiträge der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung wurden von der Garantieeinrichtung übernommen. Hinsichtlich der Beiträge von Jänner bis Juni 2013 brachte der AN Klage beim Arbeitsgericht Darmstadt ein. Im Rahmen dieses Ausgangsrechtsstreits führte der Kl aus, es stehe ihm nach § 47 InsO ein Recht auf Aussonderung des geforderten Betrages aus der Insolvenzmasse zu. Die Beiträge seien nur treuhänderisch einbehalten worden und deshalb nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Darüber hinaus läge ein Verstoß gegen Art 8 der RL 2008/94/EG vor, sollte ihm kein Recht auf Aussonderung der geschuldeten Beiträge aus der Insolvenzmasse zuerkannt werden.
Das Arbeitsgericht Darmstadt wies die Klage ab. Es stellte fest, dass der Kl keinen Anspruch auf Auszahlung der Beiträge habe, sondern lediglich die Einzahlung der Beiträge auf sein Versorgungskonto begehren könne. Der AN habe weiters keinen Beweis für das Bestehen einer Treuhandabrede mit dem AG erbracht. Darüber hinaus würde ein Aussonderungsrecht, selbst wenn es eine Treuhandvereinbarung gegeben hätte, an der fehlenden Bestimmbarkeit des Treuhandvermögens im Verhältnis zu den übrigen Beträgen, die sich in der Insolvenzmasse befinden, scheitern.
Der Kl brachte gegen dieses Urteil Berufung beim Hessischen Landarbeitsgericht ein. Das Berufungsgericht beschloss das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Verstößt ein nationales Verständnis einer Regelung, wonach fällige Lohnansprüche, die dem AG zur Verwahrung überlassen wurden, um sie zu einem bestimmten Stichtag an eine Pensionskasse zu zahlen, von diesem aber nicht auf ein gesondertes Konto eingezahlt wurden und deshalb dem Aussonderungsrecht gem § 47 InsO entzogen sind, gegen die Regelung des Art 8 der RL 2008/94/EG bzw das übrige Unionsrecht?
Hierzu hat der EuGH bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum verfügen, um den Schutz der Ansprüche auf Leistungen bei Alter aus einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung bei Zahlungsunfähigkeit des AG zu regeln. Eine Verpflichtung zum vollständigen Schutz ist laut Ansicht des EuGH ausgeschlossen. Die Mitgliedstaaten sind aber verpflichtet, im Einklang mit dem von der RL verfolgten Ziel, den in Art 8 geforderten Mindestschutz zu garantieren. So erfordert eine ordnungsgemäße Umsetzung von Art 8 aus Sicht des EuGH, dass der AN zumindest die Hälfte der Leistungen im Alter erhält, die sich aus seinen erworbenen Rentenansprüchen, für die er Beiträge im Rahmen einer betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtung entrichtet hat, ergeben (EuGH 25.4.2013, C-398, Hogan; EuGH 25.1.2007, C-278/05, Robins).
Im vorliegenden Anlassfall hätten sich die Rentenansprüche des AN um einen Betrag von € 5,-95 bis € 7,- im Monat verringert. Unter diesen Umständen verlangt Art 8 der RL nach Ansicht des EuGH keinen Schutz, der über das dem Kl bereits gewährte Maß hinausgeht.
Folglich ist laut EuGH die Vorlagefrage derart zu antworten, dass Art 8 der RL 2008/94/EG dahin auszulegen ist, dass er nicht vorschreibt, dass bei Zahlungsunfähigkeit des AG die vom Lohn eines ehemaligen AN einbehaltenen und in Altersversorgungsbeiträge umgewandelten Beträge, die der AG zugunsten des AN auf ein Versorgungskonto hätte einzahlen müssen, aus der Insolvenzmasse auszusondern sind.