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Bewertung der Privatnutzung eines Dienstwagens nach dessen Entziehung

MANFREDTINHOF

Das amtliche Kilometergeld stellt eine angemessene Berechnungshilfe für den Geldersatz der entzogenen Privatnutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs dar, entspricht es doch am ehesten den Kosten, die dem AN bei Nutzung eines eigenen Wagens statt eines Dienstwagens entstehen.

Lässt sich durch Auslegung einer konkret getroffenen Vereinbarung nicht ableiten, in welchem Umfang der AN Anspruch auf Naturalleistung (hier: Privatnutzung des Pkws) hatte, wird sich die Bewertung nach der betrieblichen Übung bzw nach der zwischen den Parteien einvernehmlich gelebten Übung zu orientieren haben. Diese kann aber nicht aus der Fahrleistung nach der Entziehung des Dienstwagens, sondern nur aus der durchschnittlichen Privatnutzung vor diesem Zeitpunkt abgeleitet werden. Zur Errechnung des Geldwerts unregelmäßiger Naturalbezüge kann von einem Monatsdurchschnitt des letzten Jahres ausgegangen werden.

SACHVERHALT

Der Kl ist seit 1.11.1980 bei der Bekl als Angestellter beschäftigt. Am 28.7.2008 wurde ihm gegenüber die fristlose Entlassung ausgesprochen. In einem vom Kl angestrengten Gerichtsverfahren wurde diese Entlassung für rechtsunwirksam erklärt. Bis zur Entlassung stand ihm ein Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Auf Aufforderung der Bekl stellte er das Fahrzeug im Zuge der Entlassung zurück. Bis Ende Jänner 2009 nutzte der Kl ein ihm von einem Bekannten überlassenes Fahrzeug, danach erwarb er einen Neuwagen. Seit Dezember 2013 steht ihm wieder ein Dienstwagen zur Verfügung.

Der Kl begehrte ca € 75.000,- als Äquivalent für die Entziehung des Dienstwagens. Dieser Betrag ergab sich aus dem Ansatz des amtlichen Kilometergeldes für die nach der Entziehung gefahrenen Kilometer, aber auch aus Anschaffungskosten des Neuwagens und Mietkosten des überlassenen Fahrzeuges.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren teilweise statt und stellten hinsichtlich des Umfangs der Ersatzleistung vorwiegend auf die nach Entziehung des Dienstwagens festgestellte Kilometerleistung ab. Der OGH erachtete die von beiden Parteien eingebrachten Revisionen als zulässig und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Erörterung und Verfahrensergänzung auf.75

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Die Höhe des Geldersatzes richtet sich nach dem Vorteil, der dem Dienstnehmer durch den Naturalbezug entstanden ist, also danach, was er sich durch die Naturalleistung erspart hat (9 ObA 68/97a mwN; Wachter in

Reissner
[Hrsg], Angestelltengesetz [2013] § 23, Rz 60). Zweck der Abgeltung von Naturalbezügen ist es, ein entsprechendes Äquivalent zu ermitteln (9 ObA 2019/96v mwN).

4. Auch die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken stellt eine Naturalleistung dar. In der Entscheidung 9 ObA 220/93 wurden vom Obersten Gerichtshof die amtlichen Sachbezugswerte als brauchbare Richtlinien für eine Privatnutzung des vom Arbeitnehmer für dienstliche Zwecke benötigten Fahrzeugs angesehen, da diese gewissermaßen nur einen Annex zur primär dienstlichen Nutzung des Fahrzeugs darstellen (so schon Schrank in

Runggaldier
, Abfertigungsrecht 173; vgl auch 8 ObA 42/98d). Dass bei der Ermittlung des Werts des Naturalbezugs wiederholt die nach der Sachbezugswerteverordnung vorzunehmende fiskalische Bewertung als brauchbare Orientierungshilfe akzeptiert wurde, ändert aber nichts daran, dass Naturalbezüge grundsätzlich mit ihrem tatsächlichen Wert zu berücksichtigen sind. Bei einem erheblichen Auseinanderfallen der fiskalischen Bewertung vom tatsächlichen Wert kann daher auf diese Berechnungshilfe nicht zurückgegriffen werden. In einem solchen Fall kann nur auf den tatsächlichen Wert des Naturalbezugs abgestellt werden, da es sonst zu einer ungebührlichen Schmälerung der gesetzlichen Ansprüche des Arbeitnehmers kommt. […]

5. […] Grundsätzlich kann daher dem Berufungsgericht darin gefolgt werden, dass das amtliche Kilometergeld eine angemessene Berechnungshilfe für den Geldersatz der entzogenen Privatnutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs darstellt, entspricht es doch am ehesten den Kosten, die dem Kläger bei Nutzung eines eigenen Wagens statt eines Dienstwagens entstehen, sollen doch durch das Kilometergeld sämtliche mit der Verwendung des Fahrzeugs im Zusammenhang stehende Kosten wie Wertverlust, Treibstoff, Versicherungen, Steuern und Gebühren abgegolten werden (vgl auch Weiß, Private Nutzung von Dienstfahrzeugen, DRdA 2008, 533). Das beantwortet aber nicht die Frage, in welchem Umfang dem Kläger Anspruch auf Geldersatz zusteht, sondern nur, wie dieser gegebenenfalls angemessen bewertet werden kann. Da der Geldersatz ein Äquivalent für die entzogene Naturalleistung darstellt, hat er sich notwendigerweise daran zu orientieren, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Anspruch auf Naturalleistung hatte. […] Mangels konkreterer Vereinbarungen über den Umfang des Naturalbezugs richtet sich die Ermittlung des Werts daher an der tatsächlichen Nutzung bis zum Entzug. Berücksichtigt man, dass der Ermittlung des Geldwerts von Naturalbezügen gerade im Zusammenhang mit Abfertigungen besondere Bedeutung zukommt, kann bei Errechnung des Geldwerts unregelmäßiger Naturalbezüge auch auf die für Abfertigungen geltende Regelung abgestellt werden, dass, wenn die Monatsentgelte einer Schwankung unterliegen, von einem Monatsdurchschnitt des letzten Jahres ausgegangen wird (vgl RIS-Justiz RS0043295).

[…]

8. […] Soweit der Kläger meint, dass bei Entzug eines Dienstfahrzeugs auf die Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeugs abzustellen ist, und er damit auf den Ersatz des Anschaffungswerts eines Fahrzeugs abzielt, lässt er unbeachtet, dass ihm nicht ein in seinem Vermögen stehendes Fahrzeug entzogen wurde, sondern nur die Nutzungsmöglichkeit, die vom Wert des Fahrzeugs zu unterscheiden ist. Daher besteht weder ein Anspruch auf die Kosten des tatsächlich vom Kläger angeschafften Fahrzeugs noch eines fiktiv anzuschaffenden, dem im Vermögen des Klägers ja auch ein adäquater Gegenwert gegenüberstehen würde.

Aber auch Mietwagenkosten sind nicht zu ersetzen. Bereits in der Entscheidung 5 Ob 557/85 wurde darauf verwiesen, dass ein Benützungsentgelt nach dem ortsüblichen Mietzins bei Sachen, die auf lange Zeit (jedenfalls im privaten Bereich) üblicherweise nicht gemietet werden, sondern käuflich erworben werden, zu nicht sachgerechten, und damit ungerechten Ergebnissen führen, weil ein Benützungsentgelt schon in verhältnismäßig kurzer Zeit die Höhe des Barkaufpreises erreichen würde. Tatsächlich kann in solchen Fällen nicht davon ausgegangen werden, dass ein Mietentgelt dem entspricht, was sich der Kläger durch die Nutzungsmöglichkeit erspart hat. So würde der Zuspruch des gesamten Mietentgelts unberücksichtigt lassen, in welchem Umfang tatsächlich eine Privatnutzung erfolgte und dass der dem Kläger entzogene Dienstwagen selbst nach dem Vorbringen des Klägers jedenfalls teilweise auch für dienstliche Fahrten genutzt wurde. Durch einen Zuspruch der vollen Leasingraten würde daher dem Kläger letztlich mehr zukommen, als durch die zuvor eingeräumte Privatnutzungsmöglichkeit des Dienstwagens.“

ERLÄUTERUNG

Bisher fehlte oberstgerichtliche Rsp darüber, ob im Fall der Entziehung des Dienstwagens mit unbeschränkter Privatnutzung das amtliche Kilometergeld ein angemessenes Äquivalent bildet. Der OGH stellte zwar schon des Öfteren fest, dass die amtlichen Sachbezugswerte als brauchbare Orientierungshilfe für den Wert der Privatnutzung eines Kfz dienen können. Diese fiskalische Bewertung müsse aber nicht unbedingt den tatsäch-76lichen Wert der Privatnutzung, welcher aber maßgeblich ist, widerspiegeln. Im vorliegenden Fall stützt sich der AN auf das Kilometergeld als Grundlage für die Bewertung, weil ihm dessen Ansatz gerechter und vor allem lukrativer erscheint als der des Sachbezugs. Dies wurde auch so vom OGH akzeptiert und führt zur nächsten Frage: In welchem Umfang kann das Kilometergeld herangezogen werden? Hier weicht die Ansicht des OGH von der des AN und der Vorinstanzen entscheidend ab: Während der AN und die Vorinstanzen die tatsächlich gefahrenen Kilometer nach Entziehung des Dienstwagens zur Berechnung des Wertes der Privatnutzung heranziehen, sind nach Auffassung des OGH die vor der Entziehung des Pkws gefahrenen „Privatkilometer“ entscheidend. Dahingehend sind von den Vorinstanzen bislang aber keinerlei Feststellungen getroffen worden, weshalb das Verfahren ergänzungsbedürftig ist und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde. Der OGH hat auch gleich die Anleitung zur Berechnung mitgeliefert: Analog zur Berechnung der Abfertigung ist von einem Durchschnitt der im letzten Jahr vor der Entziehung des Dienstwagens privat gefahrenen Kilometer auszugehen. Der Heranziehung der Wiederbeschaffungskosten des Fahrzeuges bzw der (fiktiven) Mietwagenkosten als Äquivalent für die entzogene Privatnutzung wird vom OGH hingegen eine Absage erteilt.