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Mehrmalige Stichtagsverschiebung während des laufenden Verfahrens ist zulässig

ALEXANDERDE BRITO

Der Kl verrichtete Hilfsarbeitertätigkeiten. Er bezog vom 1.4.2013 bis 31.3.2014 eine befristete Invaliditätspension. Der Antrag auf Weitergewährung wurde abgewiesen. Der Kl vollendete am 19.7.2013 sein 50. Lebensjahr, seit 17.2.2014 war er arbeitslos gemeldet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG sei nicht gegeben, weil der Kl noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Verweisungstätigkeiten zu verrichten. Die Voraussetzungen für die „Härtefallregelung“ seien zu verneinen, weil § 255 Abs 3a ASVG verlange, dass der Versicherte mindestens zwölf Monate unmittelbar vor dem Stichtag arbeitslos gemeldet gewesen sei. Der Bezug einer befristeten Invaliditätspension könne eine Arbeitslosmeldung nicht ersetzen.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Kl nicht invalid iSd § 255 Abs 3 ASVG sei. Da er am 19.7.2013 sein 50. Lebensjahr vollendet habe, verschiebe sich der Stichtag vom 1.4. auf 1.8.2013, so dass die Voraussetzungen der „Härtefallregelung“ zu diesem Stichtag zu prüfen seien. Während der letzten zwölf Monate, unmittelbar vor dem 1.8.2013, sei der Kl nicht arbeitslos gemeldet gewesen, sondern erst ab dem 17.2.2014. Im Revisionsverfahren war strittig, ob der Stichtag in einem anhängigen Verfahren nur einmal, nämlich auf den Monatsersten nach Erreichung des 50. Lebensjahres, verschoben werden kann oder noch einmal auf den (frühestmöglichen) Stichtag, sollte während des Verfahrens inzwischen die Voraussetzung einer zwölfmonatigen Arbeitslosigkeit gem § 255 Abs 3a ASVG erfüllt sein.

Der OGH verwies auf seine stRsp, dass, wenn während des gerichtlichen Verfahrens eine Änderung des Gesundheitszustandes, eine Gesetzesänderung oder eine sonstige Änderung der Anspruchsvoraussetzungen eintritt, diese zu berücksichtigen sind und eine Stichtagsverschiebung zulässig ist. Dass auch eine mehrfache Stichtagsverschiebung zulässig ist, ergibt sich (indirekt) bereits aus der OGH-E vom 29.1.2013, 10 ObS 146/12m, in der davon ausgegangen wurde, dass bei Eintritt mehrerer Umstände nacheinander (zunächst Inkrafttreten des § 255 Abs 3a und 3b ASVG mit 1.1.2011, sodann Vollendung des 50. Lebensjahres des Kl mit 1.11.2011) die Anspruchsvoraussetzungen bezogen auf den (späteren) Stichtag 1.11.2011 zu prüfen seien. Auch im vorliegenden Fall steht einer mehrfachen Stichtagsverschiebung auf den 1.3.2015 nichts im Weg. Das Berufungsgericht hat daher das Verfahren fortzusetzen und die Tatsachen- und Beweisrüge zu der dem Kl noch möglichen Arbeitshaltung und dem noch zumutbaren Zeitdruck zu erledigen.109