Das Sozialversicherungsänderungsgesetz 2017 und Begleitgesetze
Das Sozialversicherungsänderungsgesetz 2017 und Begleitgesetze
Ziel der Maßnahmen im Bereich der Frühintervention ist es, Versicherte seitens der Krankenversicherungsträger bei längeren Krankenständen zu einem Gespräch einzuladen, um über bestehende Angebote zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit zu informieren. Mit dieser Vorgangsweise sollen Versicherte möglichst frühzeitig unterstützt werden, wenn dies ihr Gesundheitszustand erfordert, zumal die Erfolgsaussichten für den Erhalt der Arbeitsfähigkeit erfahrungsgemäß umso größer sind, je zeitgerechter interveniert wird.
Gem § 34a Abs 1 RRK (Richtlinien für die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Rehabilitation sowie von Leistungen im Rahmen der Festigung der Gesundheit und der Gesundheitsvorsorge) (AVSV/2016/0177) kommen für Maßnahmen der Frühintervention Versicherte in Betracht, die aufgrund der in § 33a Abs 1 genannten Indikationen seit mindestens 28 Tagen durchgehend arbeitsunfähig in Folge von Krankheit sind. Zeiten einer Anstaltspflege, stationären oder ambulanten Rehabilitation, einer Maßnahme der Gesundheitsvorsorge der Pensionsversicherungsträger oder einer Maßnahme zur Festigung der Gesundheit sowie Zeiten von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation in der UV bleiben dabei außer Betracht.
Versicherte, bei denen die Voraussetzungen nach Abs 1 zutreffen, sind vom Krankenversicherungsträger zu einem freiwilligen Beratungsgespräch einzuladen. In diesem Gespräch ist der weitere Krankheits- und Heilungsverlauf zu erörtern, auf bestehende Präventions-, Frühinterventions- und Rehabilitationsmaßnahmen aufmerksam zu machen sowie auf allfällige nach Abschnitt 7 in Betracht kommende Maßnahmen hinzuweisen. Dabei ist insb auf die im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses ausgeübte Tätigkeit sowie auf die konkrete Arbeitsplatzsituation Bedacht zu nehmen. Diese Richtlinienänderung tritt mit 1.4.2017 in Kraft.
Auch die (im Rahmen der 86. Novelle zum ASVG, BGBl I 2017/29) geschaffene neue Pflichtleistung der PV „Berufliche Rehabilitation bei (drohender) Invalidität oder Berufsunfähigkeit“ soll in die Übersicht nach § 222 ASVG aufgenommen werden. Damit soll in Verbindung mit § 367 Abs 1 zweiter Satz sichergestellt werden, dass in Fällen des § 253e eine Bescheidpflicht besteht. Diese ist auch bei positiver Erledigung erforderlich, weil ein Bescheid gem § 253e als Anspruchsvoraussetzung für das Umschulungsgeld gem § 39b AlVG normiert ist.
Mit dieser Änderung soll klargestellt werden, dass präventive Maßnahmen der Rehabilitation auch dann zu gewähren sind, wenn vorübergehende Invalidität droht oder wahrscheinlich ist. In der derzeitigen Fassung sind präventive Maßnahmen der Rehabilitation nur dann zu gewähren, wenn die Voraussetzungen für eine Invaliditätspension gem § 254 Abs 1 vorliegen. § 254 erfasst gem Abs 1 Z 1 nur dauerhafte Invalidität. Um zu vermeiden, dass präventive Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nur nach dem strengen Maßstab der dauerhaften Invalidität – eine Besserung des Gesundheitszustandes muss mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein – gewährt werden, war auch eine Bestimmung aufzunehmen, die den Anspruch auf präventive Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität sicherstellt. In Hinkunft soll immer dann, wenn Invalidität droht – mindestens im Ausmaß von sechs Monaten oder dauerhaft – ein Rechtsanspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehen (sofern die Maßnahmen zweckmäßig und zumutbar sind). Dieser Rechtsanspruch soll jedoch nur dann bestehen, wenn die Wartezeit für eine Invaliditätspension erfüllt ist und auch noch kein Anspruch auf eine Alterspension besteht.
Dies soll mit dem Verweis auf § 255b gewährleistet werden. Im § 255b ist die vorübergehende Invalidität mit einem Ausmaß von mindestens sechs Monaten definiert. Weiters wird in § 255b auf die Bestimmungen des § 254 Abs 1 Z 2 bis 4 verwiesen; Z 3 regelt das Erfordernis der Wartezeit und Z 4, dass die Voraussetzungen für die Alterspension noch nicht erfüllt sind. Der Verweis auf die Z 2 war auszunehmen, weil es ja gerade um die Gewährung von beruflichen Maßnahmen der Rehabilitation geht.
Aufgrund dieser Änderung war auch in § 39b AlVG klarzustellen, dass eine Rechtsanspruch auf Umschulungsgeld immer dann besteht, wenn gem § 253e eine berufliche Maßnahme der Rehabilitation gewährt wurde.
Die Neufassung dieser Bestimmung definiert zweierlei: Zum einen wird übersichtlich festgelegt, in welchen Bezügen die Pensionsversicherungsanstalt130 (PVA) die Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit hinsichtlich eines Berufsfeldes festzustellen hat. Andererseits werden in dieser Bestimmung die Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation, bei der die Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit eine entscheidende Rolle spielen, abschließend geregelt.
Diese Bestimmung stellt klar, dass alle Rehabilitationsmaßnahmen gem § 253e vom AMS durchzuführen sind.
Diese Bestimmung stellt klar, dass die Feststellung des Rechtsanspruches auf eine berufliche Maßnahme der Rehabilitation gem § 253e eine Leistungssache ist.
Im § 367 Abs 1 und 4 ist geregelt, dass in allen Fällen des § 253e ein Bescheid des Pensionsversicherungsträgers zu ergehen hat. Durch § 307a Abs 5 ist jedoch festgelegt, dass die Durchführung der Maßnahmen durch das AMS zu erfolgen hat und § 39b AlVG stellt sicher, dass in all diesen Fällen Anspruch auf Umschulungsgeld besteht.
Damit wird auch eine klare Abgrenzung von beruflichen Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen, die in § 303 geregelt sind, getroffen.
Diese Bestimmung erfasst nunmehr ausschließlich berufliche Maßnahmen, die von der PVA nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen sind. Hier wird in vollem Umfang auf § 198 Bezug genommen. § 198 ermöglicht hinsichtlich der Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeitsregeln flexiblere Lösungen und zudem ist auch der Berufsschutz für die Gewährung einer Maßnahme nicht ausschlaggebend. Hinzu kommt das breitere Leistungsspektrum des § 198, das auch Berufsfindungs- und Berufsorientierungsmaßnahmen sowie Arbeitstrainings umfasst. Weiters sind auch Gewährung von Zuschüssen und Darlehen möglich. Um die Wichtigkeit dieses Ansatzes für eine Verbreiterung und Verbesserung der beruflichen Rehabilitation zu betonen, wurden diese – der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt förderlichen – Maßnahmen ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. Nichtsdestotrotz sind diese Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen zu erbringen, bedürfen also eines Antrages des/der Versicherten oder des/der RehabilitationsgeldbezieherIn und sind innerhalb des Ermessensspielraumes zu gewähren.
Berufliche Maßnahmen nach § 303 sind auch RehabilitationsgeldbezieherInnen zu gewähren. Mag auch die Zweckmäßigkeit oder Zumutbarkeit für die Umschulung auf ein Berufsfeld gem § 253e nicht vorliegen, wird es doch nach einer gewissen Dauer des Rehabilitationsgeldbezuges in vielen Fällen sinnvoll sein, niederschwellige berufliche Maßnahmen einzuleiten oder zu versuchen bzw mit Arbeitstrainings die Wiedereingliederungsfähigkeit zu fördern. Damit wird es den Pensionsversicherungsträgern und dem Casemanagement ermöglicht, schon während des Rehabilitationsgeldbezuges die Arbeitsfähigkeit zu festigen bzw den Kontakt zum Arbeitsmarkt aufrecht zu erhalten.
Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen soll die bisherige Praxis der Pensionsversicherungsträger in Sachen MBOR eine klare gesetzliche Grundlage erhalten. Der Leitgedanke der MBOR ist die Ausrichtung der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation an den Anforderungen der Arbeitswelt und insb dem aktuellen bzw angestrebten Arbeitsplatz. In Ergänzung und Weiterentwicklung der „klassischen“ medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation handelt es sich dabei um eine spezifische, auf die Bedürfnisse der im Erwerbsleben stehenden RehabilitandInnen zugeschnittene Leistung. Neben der Erkrankung wird in besonderem Maß die berufliche Situation in den Fokus der Behandlung gestellt.
Elemente der MBOR sind beispielsweise ein spezielles Arbeitsplatztraining oder auch Gruppenprogramme zum beruflichen Verhalten und Erleben (etwa Stressbewältigung oder Konfliktlösung am Arbeitsplatz). Den RehabilitandInnen sollen im Rahmen der MBOR Strategien aufgezeigt werden, die ihnen helfen, die Anforderungen ihres Arbeitsplatzes zu bewältigen.
Derzeit gibt es im AlVG keine einheitlichen Verjährungsregelungen. Personen, die einmal Arbeitslo-131sengeld oder Notstandshilfe bezogen haben, deren Ausmaß nie bescheidmäßig festgestellt wurde, können daher noch viele Jahre danach eine Neuberechnung ihrer Ansprüche verlangen.
Für länger zurück liegende Ansprüche auf Leistungen aus der AlV soll eine generelle Verjährungsfrist von drei Jahren gelten, nach deren Ablauf eine Änderung nicht mehr möglich ist, weder zu Gunsten noch zu Lasten der LeistungsbezieherInnen.
Die Regelung über den Anspruch auf Umschulungsgeld nach dem AlVG wird an die neuen Bestimmungen über den Rechtsanspruch auf berufliche Rehabilitation bei (drohender) Invalidität oder Berufsunfähigkeit angepasst werden.
Künftig sollen alle Mitteilungen über die Zuerkennung einer Leistung aus der AlV einen Hinweis enthalten, dass die bezugsberechtigten Personen, wenn sie mit der zuerkannten Leistung nicht einverstanden sind, binnen drei Monaten nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über den Leistungsanspruch verlangen können. Eine ähnliche Vorgangsweise ist derzeit bereits bei der Einstellung von Leistungen vorgesehen. Nach Ablauf dieser Frist soll eine entschiedene Sache vorliegen.
Die zur Bestreitung der Ausgaben in den nächsten zwei Jahren erforderliche finanzielle Ausstattung des Sozial- und Weiterbildungsfonds ermöglicht eine Absenkung der von den AG zu leistenden Beiträge zum Sozial- und Weiterbildungsfonds gem § 22d Abs 1 AÜG für den Zeitraum von zwei Jahren. Dadurch kann die Belastung der AG mit lohnabhängigen Abgaben ab dem zweiten Quartal 2017 bis einschließlich erstes Quartal 2019 von 0,8 auf 0,35 % gesenkt und der Aufbau finanzieller Reserven in einem nicht erforderlichen Ausmaß vermieden werden.
In den Übergangsbestimmungen der §§ 337 Abs 1 und 2 wird eine Gleichbehandlung von ideellen Miteigentum, in § 337 Abs 1a werden Wahrungsbestimmungen, in § 337 Abs 2 und § 338 Abs 2 wird eine Fristverlängerung und in § 354 Abs 2 BSVG wird eine Schutzbestimmung im Zusammenhang mit der Einheitswerthauptfeststellung 2014 angepasst.
Gem § 105 Abs 3 letzter Satz ArbVG besteht derzeit ein erhöhter Kündigungsschutz für AN, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben, ab dem vollendeten zweiten Beschäftigungsjahr. Dieser erhöhte Kündigungsschutz wird durch die Novellierung (IA 1140/A BlgNR 25. GP) aufgehoben. Künftig lautet der letzte Satz: „Dies gilt nicht für Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt ihrer Einstellung das 50. Lebensjahr vollendet haben.“
Gem den EB zum Initiativantrag wird mit der Änderung versucht, die Kündigungsschutzregelungen für Insider und Outsider zu differenzieren. Für jene, die bereits in Beschäftigung waren, bleibt der erhöhte Kündigungsschutz im Alter erhalten. Für jene, die mit über 50 Jahren auf Arbeitssuche sind, erhöhen sich die Chancen auf eine Arbeitsmarktreintegration – ein Abgleiten in Alterslangzeitarbeitslosigkeit und damit auch in psychische Erkrankungen, Invaliditäts- und Frühpensionen könnte reduziert werden, womit auch die Gefahr von Altersarmut sinke.
Damit ist das Alter bei der Sozialwidrigkeitsprüfung gem § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG lediglich nicht mehr „besonders“ gem Abs 3b zu berücksichtigen, aber das Alter bleibt hinsichtlich der Interessenbeeinträchtigung prüfungsrelevant.
Die Tätigkeitsdauer der Betriebsräte und Personalvertretungsorgane beträgt derzeit vier Jahre. Durch Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes (BGBl I 12/2017), des Post-Betriebsverfassungsgesetzes und Behinderteneinstellungsgesetzes (IA 1938/A BlgNR 25. GP) wurde die Periode auf 5 Jahre verlängert. Gem den EBs des jeweiligen Gesetzes hätten sich die Bedingungen der Arbeitswelt und die Anforderungen an die Belegschaftsvertretung seit der Einführung dieser Bestimmung vor 30 Jahren grundlegend verändert. Dies erfordere eine Stärkung der Kontinuität der Gremien. Darüber hinaus wäre auch die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates auf fünf Jahre verlängert worden. Aus diesem Grund werde die Tätigkeitsdauer der Personalvertretungsorgane sowie der Rechnungsprüfer auf fünf Jahre verlängert.132