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Keine Haftung des Arbeitskollegen für einen nicht vorhersehbaren Arbeitsunfall

MARTINACHLESTIL

Der kl AN geriet in der Werkshalle mit seinem rechten Fuß unter den vom bekl Arbeitskollegen gelenkten rückwärtsfahrenden Elektrogabelstapler und wurde schwer verletzt. Der Bekl hatte ordnungsgemäß nach hinten geblickt. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 1 bis 1,5 km/h anstatt der tatsächlichen und im Arbeitsleben typischen Fahrgeschwindigkeit von 3 bis 4 km/h wäre der Arbeitsunfall nicht passiert. Die Vorinstanzen verneinten eine Haftung des bekl Arbeitskollegen77 mangels Verschuldens, weil er nicht damit rechnen musste, dass der kl AN trotz laufender Sicherheitsunterweisungen – einschließlich jener, vor Queren der Fahrspur des Staplers mit dem Staplerfahrer Blickkontakt aufzunehmen – ohne Beachtung des Werksverkehrs in die Fahrspur des Staplers treten würde.

Für den OGH war diese E nach der Lage des Falles vertretbar; er wies die außerordentliche Revision des Kl daher zurück. Bei der Beurteilung der für die Fahrlässigkeitsschuld erforderlichen Vorhersehbarkeit des Schadens ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen; das schließt in der Regel, von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen, das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN:

Bei einer Verletzung am Körper durch einen Arbeitsunfall gilt für AG das Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG: Danach ist eine Haftung für Schäden (Ersatzpflicht) nach den Bestimmungen des ABGB auf vorsätzliche Schadenszufügung beschränkt. Gelten AN als „Aufseher“ im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG, so kommt ihnen ebenfalls das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG zugute, andernfalls haften sie, wie im konkreten Fall, nach den allgemeinen Grundsätzen des § 1295 ABGB für die Folgen der von ihnen zugefügten Verletzungen. Das bedeutet, sie haften grundsätzlich auch bei leichter und grober Fahrlässigkeit; ein allfälliges Mitverschulden des Verletzten ist gem § 1304 ABGB zu berücksichtigen. Im konkreten Fall hatte der OGH eine Schadenersatzpflicht des Kollegen deshalb verneint, weil diesen kein Verschulden am Arbeitsunfall traf.