98KollV für Handelsangestellte – Verfall einer Nachforderung zur zunächst unbeanstandet angenommenen Abfertigung bei Geltendmachung erst nach Ablauf der Verfallsfrist
KollV für Handelsangestellte – Verfall einer Nachforderung zur zunächst unbeanstandet angenommenen Abfertigung bei Geltendmachung erst nach Ablauf der Verfallsfrist
Das durch DG-Kündigung beendete Arbeitsverhältnis eines AN dauerte von 1.6.1987 bis 30.6. 2015. In der Endabrechnung wurde dem AN auf Grundlage eines laufenden Bruttomonatsgehalts von € 3.433,11 eine Abfertigung von € 39.402,- brutto abgerechnet. Mit Schreiben vom 14.7.2015 forderte der AN von der AG die Begleichung weiterer Ansprüche aus dem Dienstverhältnis, das Thema Abfertigung fand jedoch keine Erwähnung. Mit Schreiben vom 23.2.2016 erklärte der AN erstmals, dass seine lediglich auf Basis des Monatsgehalts berechnete Abfertigung nicht nachvollziehbar sei und ihm unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen weitere € 8.661,54158brutto zustünden. In der Klage werden jene drei Zwölftel dieses Betrags begehrt, die auf den bei Beendigung des Dienstverhältnisses am 30.6.2015 fälligen ersten Teilbetrag der Abfertigung im Ausmaß von drei Monatsentgelten entfallen. Die AG wandte ein, die Klagsforderung sei mangels schriftlicher Geltendmachung binnen sechs Monaten ab Fälligkeit nach Pkt XX des anzuwendenden KollV für Handelsangestellte verfallen.
Nachdem schon die Vorinstanzen dem kl AN nicht Recht gegeben hatten, wies auch der OGH dessen Revision ab.
Im Allgemeinen reicht es nach der hier maßgeblichen Kollektivvertragsbestimmung zur Fristwahrung völlig aus, wenn das Verlangen eines AN schriftlich nur dem Grunde nach („mir wurde zu wenig gezahlt“) erhoben wird. Anders stellt sich der Fall dar, wenn sich der AN bei seiner Forderung bereits auf einen exakten Betrag festgelegt hat. Dann macht er diesen, aber nicht gleichzeitig auch eine höhere Forderung geltend. Der AG kann sich auf die ihm bekannt gegebene Höhe einstellen und einer Erhöhung der Forderung nach Ablauf der Verfallsfrist den Einwand des Verfalls entgegenhalten. Im Lichte des Zwecks der Verfallsbestimmung macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob der AN selbst zunächst zu wenig verlangt und seine Forderung zu spät nach oben korrigiert hat, oder ob er – wie hier – den vom AG errechneten und bezahlten Betrag zunächst unbeanstandet angenommen und erst nach Ablauf der Verfallsfrist eine Nachforderung erhoben hat. In beiden Fällen kann von der Geltendmachung einer offenen Differenz nicht die Rede sein, so lange nicht ein konkretes Verlangen gestellt wird. Da dieses Verlangen aber erstmals im Februar 2016 und damit mehr als sechs Monate nach Fälligkeit des ersten Teilbetrags erhoben wurde, ist eine fristgerechte Geltendmachung zu verneinen.
ANMERKUNG DES BEARBEITERS: An dieser Stelle ist nochmals zu betonen, dass zur Wahrung von Verfallsfristen aus juristischer Vorsicht somit generell von einer ziffernmäßigen Geltendmachung von Ansprüchen abzuraten ist. |