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Recht auf Elternteilzeit bleibt auch nach einer Ersatzkarenz bestehen

HERMINKAROUT

Entscheidet sich eine Arbeitnehmerin für eine Ersatzkarenz nach Bekanntgabe der Elternteilzeit, um einen Gerichtsstreit zu vermeiden, bleibt ihr Recht, Elternteilzeit in Anspruch zu nehmen, bestehen, sofern die weiteren nachstehenden Voraussetzungen gegeben sind. Dh, wenn noch keine Elternteilzeit angetreten wurde und die Maximaldauer der Elternteilzeit noch nicht abgelaufen ist.

SACHVERHALT

Die AN hat am 24.1.2013 Zwillinge geboren. Aus diesem Grund nahm sie ein Jahr Karenz in An-160spruch. Vor Ablauf des Karenzjahres teilte sie dem AG mit, dass sie bis zum Ablauf des siebten Lebensjahres der Kinder Elternteilzeit in Anspruch nehmen wolle. Dies wurde vom AG abgelehnt. Es fand schließlich im Rahmen der Elternteilzeitverhandlungen ein Gespräch mit dem AG (§ 15k Abs 1 MSchG) statt. Eine Einigung über die Elternteilzeit wurde bei dieser Besprechung allerdings nicht erzielt. Der AG beabsichtigte, ein entsprechendes arbeits- und sozialgerichtliches Verfahren einzuleiten. Per E-Mail teilte die AN daher mit, dass sie anstelle einer Teilzeitbeschäftigung die Karenz bis zum zweiten Geburtstag der Kinder in Anspruch nehme (§ 15m Abs 1 Z 1 MSchG). Der AG nahm dieses Begehren zur Kenntnis. Schließlich begehrte die AN mit Schreiben vom 30.8.2014 eine Elternteilzeit nach Ende der Ersatzkarenz. Dies wurde vom AG jedoch abgelehnt.

Im vorliegenden Verfahren begehrte die AN die Feststellung, dass sie berechtigt ist, Elternteilzeit zu den von ihr bekanntgegebenen Bedingungen anzutreten. Eine Einigung über Beginn, Dauer, Ausmaß oder Lage der Teilzeitbeschäftigung sei nicht zustande gekommen. Vielmehr habe der AG den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Elternteilzeit dem Grunde nach abgelehnt. Der AG hatte es unterlassen, rechtzeitig beim Arbeits- und Sozialgericht einen Antrag auf gütliche Einigung (prätorischer Vergleich) zu stellen.

Der AG entgegnete, dass die AN eine Ersatzkarenz nach § 15m Abs 1 Z 1 MSchG in Anspruch genommen habe. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, dass eine Ersatzkarenz als Alternative zur Teilzeitbeschäftigung ermöglicht werde. Die AN habe somit keinen weiteren Anspruch, nach Ende der Ersatzkarenz eine Elternteilzeit zu fordern. Aus diesem Grund habe sich für den AG auch die Notwendigkeit erübrigt, einen Antrag zur gütlichen Einigung zu stellen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Vorinstanzen gaben dem Feststellungsbegehren der AN statt. Der OGH bestätigte diese Entscheidung.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

3.2 Nach § 15 Abs 1 MSchG besteht (grundsätzlich) ein Anspruch auf Karenz bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes.

Nach dem hier maßgebenden § 15h Abs 1 MSchG besteht (grundsätzlich) ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung bis zum Ablauf des siebten Lebensjahres des Kindes oder einem späteren Schuleintritt.

Nach der Konzeption des Mutterschutzgesetzes handelt es sich bei der Karenz einerseits und bei der Teilzeitbeschäftigung (Elternteilzeit) andererseits um unterschiedliche Möglichkeiten (für die Mutter), sich neben dem Dienstverhältnis der Kinderbetreuung zu widmen. Zwischen Karenz und Teilzeitbeschäftigung ist demnach streng zu unterscheiden. Dies entspricht der mit der Novelle BGBl I 2004/64 erfolgten ‚Entkoppelung von Karenz und Elternteilzeit (RV 399 BlgNR 22. GP 6)‘.

3.3 Aus den dargestellten gesetzlichen Regelungen ergeben sich folgende Grundsätze:

Die Dienstnehmerin kann wahlweise Karenz und/oder Elterneilzeit in Anspruch nehmen. Dabei ist sie nur an die gesetzlichen Meldefristen (§ 15 bzw § 15j MSchG) und an die gesetzliche Maximaldauer in Abhängigkeit vom Lebensalter des Kindes gebunden. Die (angetretene) Teilzeitbeschäftigung kann von der Dienstnehmerin ein Mal verändert (verlängert oder hinsichtlich der Lage verändert) werden. […]

4.3 Nach § 15m Abs 1 Z 1 MSchG findet kein gerichtliches Verfahren statt. Nach dem klar erkennbaren Regelungszweck soll die Dienstnehmerin die Möglichkeit haben, nach dem Scheitern der innerbetrieblichen Einigung sofort, also ohne gerichtliches Verfahren über die Teilzeitbeschäftigung, in Ersatzkarenz zu gehen. Auch für diese Variante ist wieder vorausgesetzt, dass die Maximaldauer für die Karenz noch nicht abgelaufen ist.“

ERLÄUTERUNG

Nach § 15h Abs 1 MSchG und § 8 VKG besteht ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung (Elternteilzeit) bis zum Ablauf des siebten Lebensjahres des Kindes oder einem späteren Schuleintritt. „Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung“ bedeutet, dass ein solcher Anspruch dem Grunde nach besteht. Über Dauer und Lage muss jedoch eine Vereinbarung mit dem AG getroffen werden.

Ähnlich wie bei der Elternkarenz kann der Anspruch auf Elternteilzeit dem Grunde nach einseitig (durch einseitiges Gestaltungsrecht) durch die AN bestimmt werden. § 15h Abs 1 MSchG hat eine einseitige zwingende Wirkung, die es dem Ermessen der AN überlässt, ob sie von ihrem Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung Gebrauch macht oder nicht. Der Anspruch wird durch die Bekanntgabe der Elternteilzeit innerhalb der vorgesehenen Frist iSd § 15j MSchG geltend gemacht. Durch diese Erklärung übt die AN ihr Gestaltungsrecht aus.

Beim Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15h MSchG ist das Verfahren zur Durchsetzung in § 15k MSchG geregelt (gleichlautende Regelungen sind für Väter bzw dem zweiten Elternteil im VKG geregelt): Kommt binnen vier Wochen ab Bekanntgabe (Meldung) keine (innerbetriebliche) Einigung über Dauer und Lage der Teilzeitbeschäftigung zu Stande, so muss der AG binnen weiterer zwei Wochen beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht einen Antrag nach § 433 Abs 1161ZPO zur gütlichen Einigung stellen. Es muss also das (gerichtliche) Vorverfahren eingehalten werden. Kommt binnen vier Wochen ab Einlangen des Antrages keine gütliche Einigung zu Stande, hat der AG binnen einer weiteren Woche die AN auf Einwilligung in die von ihm alternativ vorgeschlagenen Bedingungen bzw Ausgestaltung der Teilzeitbeschäftigung (Gegenvorschlag zu jenem der AN) zu klagen.

Bei einem Anspruch auf Elternteilzeit obliegt es somit in jedem Fall dem AG, bei Nichteinigung das Gericht anzurufen, widrigenfalls das Verlangen der AN als akzeptiert gilt.

Im gegenständlichen Verfahren war nun strittig, ob die AN, die gegenüber ihrem AG Elternteilzeit begehrte, berechtigt ist, auch nach Bekanntgabe der Inanspruchnahme der Ersatzkarenz (zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens) ein Verlangen auf Elternteilzeit zu stellen.

Die hier maßgebende Bestimmung des § 15m MSchG steht nun an der Schnittstelle zwischen Elternteilzeit und Elternkarenz und nimmt auf beide Systeme Bezug. Diese Bestimmung betrifft den Fall, dass die AN eine Elternteilzeit nach § 15h MSchG beantragt hat, eine erforderliche innerbetriebliche Einigung mit dem AG aber nicht zu Stande gekommen ist. Der AG müsste nunmehr das gerichtliche Verfahren einleiten, falls er den Antritt der Elternteilzeit zu den Bedingungen, wie sie von der AN bekannt gegeben wurde, verhindern will. Dies setzt jedoch voraus, dass die AN auf ihre Bedingungen der Teilzeitbeschäftigung beharrt.

Dadurch soll die AN in die Lage versetzt werden, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Ihr wird die Bürde abgenommen, auf der beantragten Teilzeitbeschäftigung zu beharren. Dies geschieht durch die Bekanntgabe, dass sie „an Stelle“ der verlangten Teilzeitbeschäftigung (Ersatz-)Karenz in Anspruch nimmt. Die Wendung „an Stelle“ bringt nur die zeitliche Komponente in Bezug auf den Erklärungszeitpunkt zum Ausdruck. Die AN erklärt damit, aufgrund der Nichteinigung nunmehr in Ersatzkarenz zu gehen. Sie wechselt also (an Stelle eines Gerichtsstreits) in die Karenz. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist dies gleichbedeutend mit der Erklärung, den Antrag auf Elternteilzeit angesichts des erforderlichen Rechtsstreits zurückzunehmen. Eine darüberhinausgehende Wirkung ist nach dem Gesetz damit nicht verbunden. Dies bedeutet, dass der AN alle Ansprüche und Rechte, die ihr nach anderen Bestimmungen des MSchG zur Verfügung stehen, auch weiterhin gewahrt bleiben.

Mit dieser Lösung steht der Grundsatz im Einklang, dass für die AN so lange die Möglichkeit besteht, eine Karenz zu beantragen, so lange das Kind das zweite Lebensjahr nicht vollendet hat. Ebenso entspricht die dargestellte Lösung dem Grundsatz, dass es auf die Dauer der Elternteilzeit keinen Einfluss hat, ob oder wie lange eine Karenz konsumiert wurde.

Mit § 15m Abs 1 Z 1 stellte der Gesetzgeber klar, dass ein Wechsel in die Ersatzkarenz auch ohne gerichtliches Verfahren (hier nach § 15k MSchG) möglich ist. Nicht richtig ist, dass die AN bei Nichteinigung über die Teilzeitbeschäftigung (hier über die Bedingungen) ein Wahlrecht zwischen der Z 1 und der Z 2 hätte. Das Wahlrecht besteht vielmehr darin, entweder gleich in die Ersatzkarenz zu wechseln (Z 1) oder auf dem Verlangen auf Elternteilzeit (hier auf den Bedingungen) zu beharren und den Prozess abzuwarten. Es ist richtig, dass das Recht auf Elternteilzeit nur einmal in Anspruch genommen werden kann. Eine Elternteilzeit „in Anspruch nehmen“ bedeutet, diese anzutreten. Erfolgt nach der Z 1 ein Wechsel in die Ersatzkarenz, so wurde zwar ursprünglich eine Elternteilzeit beantragt, diese aber nicht in Anspruch genommen.

Insgesamt ergibt sich somit, dass die AN berechtigt ist, auch nach Bekanntgabe der Inanspruchnahme der Ersatzkarenz iSd § 15m Abs 1 Z 1 MSchG ein Verlangen auf Elternteilzeit zu stellen, sofern die anderen Voraussetzungen gegeben sind, sie also noch keine Elternteilzeit in Anspruch genommen (angetreten) hat und die Maximaldauer der Elternteilzeit noch nicht abgelaufen ist.