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Keine Ehrenbeleidigung iSd § 1330 ABGB, wenn der Dritte die Mitteilung mangels Sprachkenntnissen nicht verstehen kann

MANFREDTINHOF

Ein AN hatte seiner ehemaligen AG gegenüber in Anwesenheit deren Buchhalters behauptet, die AG würde die Mitarbeiter „ausnehmen“. Diese Äußerungen erfolgten in serbokroatischer Sprache und waren für den Buchhalter zwar wahrnehmbar, aber nicht verständlich. Mit ihrer Klage begehrte die AG vom AN auf Grundlage des § 1330 ABGB – der einen Schadenersatzanspruch bei Ehrenbeleidigung vorsieht – die Unterlassung der Verbreitung dieser Behauptung.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der AG zurück.

Er führt aus, dass zur Verwirklichung des Tatbestandes der Ehrenbeleidigung nach § 1330 ABGB in der Regel eine (konkrete) Wahrnehmbarkeit durch einen Dritten genügt und es nicht entscheidend ist, ob der Dritte die Mitteilung auch tatsächlich vernommen hat. Aus der Begriffsbestimmung der Ehre als ein aus der Personenwürde entspringender, jedermann zukommender Anspruch auf achtungsvolle Behandlung durch andere ergibt sich aber auch, dass eine Ehrverletzung nur vorliegen kann, wenn sich durch sie an der Einschätzung des Verletzten durch seine Umwelt etwas geändert hat oder ändern kann. Da dies in der Regel nicht der Fall ist, wenn der Dritte eine Mitteilung mangels Sprachkenntnissen nicht verstehen kann, hat das Berufungsgericht die erforderliche Mindestpublizität der Äußerungen hier vertretbar verneint. Dass der Geschäftsführer der146AG dem Buchhalter im Nachhinein vom Inhalt des Gesprächs in Kenntnis setzte, es auszugsweise auch übersetzt hatte und ihm das Protokoll mit den Aussagen übergab, ist eine der AG selbst zurechenbare Verbreitung der Behauptungen und schon deshalb nicht geeignet, den Tatbestand einer Ehrenbeleidigung oder Rufschädigung iSd § 1330 Abs 1 oder 2 ABGB zu begründen.