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Verjährungsverzicht betrifft im Zweifel nur unverjährte Ansprüche und endet nach Abschluss eines „Musterprozesses“

KLAUSBACHHOFER

Die Bekl vereinbarte am 6.4.2010 mit Vertretern der Gewerkschaft, bis zur Klärung der Rechtslage in vier von AN der Bekl gegen diese geführten Arbeitsrechtsverfahren, von weiteren Klagen Abstand zu nehmen. Die anhängigen Verfahren sollten als Musterverfahren geführt und ausgehend von deren Ergebnissen eine allfällige Nachverrechnung für alle, auch bereits ausgeschiedene, Mitarbeiter vorgenommen werden. Ohne diese Vereinbarung hätte die Gewerkschaft für ihre Mitglieder 80 bis 90 Klagen eingebracht, um die Verjährung von Ansprüchen zu verhindern, was der Bekl bekannt war.

Die erste Entscheidung in einem Musterverfahren fällte der OGH am 25.6.2014. Gerichtlich geltend gemacht wurden die revisionsgegenständlichen Ansprüche allerdings erst mit Schriftsätzen vom 12.6. bzw 12.8.2015. Es handelte sich dabei noch dazu ausschließlich um Ansprüche vom 1.3.2005 bis 31.3.2007, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Verjährungsverzichts bereits verjährt waren.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen eines schlüssigen Verzichts auf die Verjährungseinrede durch die Bekl. Der OGH sah im Hinblick auf den strengen Beurteilungsmaßstab an konkludentes Verhalten des einen Verzicht Erklärenden diese Entscheidung als vertretbar und nicht korrekturbedürftig an und wies die gegen die Berufungsentscheidung erhobene außerordentliche Revision der Kl zurück.

Begründend führte der OGH aus, dass ein Verzichtsvertrag zwar auch – wie im gegenständlichen Fall – durch einen Vertrag zugunsten Dritter vereinbart werden kann. Der Verzicht muss auch nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent erfolgen. Bei der Beurteilung, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist jedoch besondere Zurückhaltung und Vorsicht geboten und ein strenger Maßstab anzulegen.

Selbst wenn die Gewerkschaft den Erklärungen der Bekl einen wirksamen Verjährungsverzicht entnehmen durfte, ließe dies nicht den Schluss zu, dass sich dieser auch auf die zu diesem Zeitpunkt bereits verjährten Ansprüche bezog. Überdies hätte sie diesen nur so verstehen dürfen, dass die Bekl damit nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den Musterprozessen auf die Einrede der Verjährung gegenüber den betroffenen Mitarbeitern verzichtete. Da die erste Entscheidung in einem Musterverfahren bereits am 25.6.2014 vom OGH gefällt wurde, erfolgte die erst ein Jahr später vorgenommene gerichtliche Geltendmachung zu spät.