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Veränderungen des Pflegebedarfs sind bei Pflegegeldbezug auf Grund eines übergeleiteten Hilflosenzuschusses nach dem Zustandsbild zum Zeitpunkt der Überleitung zu beurteilen

ANDREATUMBERGER
§ § 9 Abs 4, 38 und 39 BPGG

Der 1966 geborene Kl musste sich im Jahr 1983 einer Angiomoperation mit darauffolgender Hirnblutung unterziehen. Er bezog bis Ende Juni 1993 einen Hilflosenzuschuss, der gem §§ 38 Abs 1 und 39 Abs 1 BPGG seit dem 1.7.1993 in Pflegegeld der Stufe 2 umgewandelt wurde.

Am 30.7.1993 wurde – soweit im Akt ersichtlich – von der Bekl ein Pflegegeldgutachten eingeholt, in dem festgestellt wurde, dass ein Zustand nach operierter Angiomblutung mit Hemiplegie rechts besteht und infolgedessen ein Pflegbedarf von 80 Stunden bestehe. An welchen Einschränkungen der Kl vor dem Juli 1993 gelitten hat und welche Form von Hilfe und Betreuung er davor benötigte, ist nicht feststellbar. Im Jänner 2016 entzog die Bekl mit Ablauf des Monats Februar 2016 dem Kl das Pflegegeld. Der Kl begehrte in seiner Klage die Weitergewährung des Pflegegeldes der Stufe 2 über den Februar 2016.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es kam zu dem Ergebnis, dass zwar der Pflegebedarf zum Zeitpunkt der Entziehung nur noch 54 Stunden beträgt, aber die Bekl nicht den Nachweis der wesentlichen Änderung des Zustandsbildes des Kl erbracht habe. Eine Entziehung oder Neubemessung sei daher mangels wesentlicher Veränderung des Zustandsbildes nicht möglich. Das Urteil des Erstgerichts mit Zuerkennung eines Pflegegeldes der Stufe 1 erwuchs in diesem Umfang in178Rechtskraft. Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahingehend ab, dass es den Zuspruch der Stufe 1 bestätigte und das Mehrbegehren auf Weitergewährung von Pflegegeld der Stufe 2 über den Februar 2016 hinaus abwies.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rsp zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage fehle, ob bei der Entziehung oder Neubemessung eines im Weg der Überleitung nach § 38 Abs 1 BPGG gewährten Pflegegeldes auf eine Veränderung des Pflegebedarfs gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Überleitung per 1.7.1993 oder aber auf den Zeitpunkt der Zuerkennung des Hilflosenzuschusses abzustellen sei.

Die Revision des Kl ist nach Ansicht des OGH zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der OGH führt aus, dass sich die Entziehung oder Herabsetzung des Pflegegeldes nach § 9 Abs 4 BPGG richtet. Danach ist Voraussetzung für die Neubemessung des Pflegegeldes, dass eine für dessen Höhe wesentliche Veränderung des Zustandsbildes des Pflegebedürftigen und in dessen Folge eine Änderung im Umfang des Pflegebedarfs vorliegt, die die Gewährung einer anderen Pflegegeldstufe erforderlich macht. Diese Grundsätze sind auch bei einem übergeleiteten Pflegegeld gem den §§ 38 Abs 1, 39 Abs 1 BPGG anzuwenden.

Eine Person, der – wie dem Kl – zum 30.6.1993 ein Hilflosenzuschuss zuerkannt worden war, ist daher so zu behandeln, als wäre ihr mit Bescheid oder Urteil ab 1.7.1993 Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 zuerkannt worden. In solchen umgewandelten Fällen gilt der Hilflosenzuschuss mit 30.6.1993 als rechtskräftig eingestellt und es gibt in diesen Fällen keinen vor dem 1.7.1993 liegenden „letzten Gewährungsakt“ mehr, der als Grundlage für den gem § 9 Abs 4 BPGG vorzunehmenden Vergleich herangezogen werden könnte.

Es kommt also auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der (erstmaligen) gesetzlichen Zuerkennung des Pflegegeldes mit 1.7.1993 an. Das festzustellende Zustandsbild und seine Veränderungen, bezogen auf die Zeitpunkte der Gewährung und Herabsetzung des Pflegegeldes, bilden die Grundlage für die Einschätzung der dadurch bewirkten Veränderung des Pflegebedarfs.

Der OGH bestätigt das Berufungsgericht auch dahingehend, dass es zu dem Ergebnis gelangte, dass sich das Zustandsbild des Kl seit 1993 wesentlich verändert hat und der Kl zum Zeitpunkt der Entziehung wesentlich weniger Betreuungs- und Hilfsleistungen im Vergleich zum Zeitpunkt der Gewährung (1.7.1993 – hier gesetzliche Gewährung) benötigt und infolgedessen keinen Pflegebedarf der Stufe 2 mehr hat.