Spielen am Arbeitsplatz
Spielen am Arbeitsplatz
Das erste und wichtigste Kriterium bei der Frage der Zulässigkeit von Computerspielen am Arbeitsplatz ist die Vereinbarung im jeweiligen Unternehmen, da eine generelle Regelung zu diesem Thema nicht besteht.
Diese kann im Rahmen des Arbeitsvertrags, einer BV oder in Form einer Weisung des AG erfolgen. In der Praxis sind in den Arbeitsverträgen selten konkrete Regeln zur Internet- bzw Gerätenutzung zu finden. Betriebsvereinbarungen nach § 97 Abs 1 Z 6 ArbVG existieren in vielen Betrieben, sind aber meist veraltet und auf aktuelle Internettrends schwer anwendbar. Technologische Innovationen ändern sich schneller als Betriebsvereinbarungen – dementsprechend muss man bestehende Betriebsvereinbarungen den Entwicklungen entsprechend auslegen.
Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen ist wie ein Gesetz auszulegen. Das bedeutet, dass zunächst vom Wortsinn auszugehen ist. Erst wenn der Wortlaut der BV unklar ist, ist nach der systematisch-logischen und historischen Interpretation vorzugehen, dh, man betrachtet die entsprechende Passage im Rahmen der gesamten BV und dem Willen, den die abschließenden Parteien hatten. Als letzter Schritt ist die teleologische Interpretation relevant, was bedeutet, dass die BV nach ihrem Zweck ausgelegt wird. In diesem letzten Schritt kann man zum Ergebnis kommen, dass auch Computerspiele vom Zweck einer bestehenden BV erfasst sind.
Betriebsinhaber und BR müssen nicht unbedingt eine neue BV abschließen, sondern können uU auch eine bestehende BV, die bloß aus technologischer Sicht veraltet ist, mit Hilfe der authentischen Interpretation nach § 8 ABGB ergänzen.*
Vorschriften, welche sich nicht primär mit Computerspielen oder Internetnutzung beschäftigen, können auch relevant sein. Hier sei beispielsweise ein Film- und Fotografierverbot am Betriebsgelände genannt – Pokémon Go ist in diesem Fall aufgrund des erforderlichen Einsatzes der Kamera unzulässig.
Die Grenze für die Vereinbarung bzw Weisung liegt bei der Sittenwidrigkeit. Der Maßstab auf AN-Seite ist die Treuepflicht. Zu beachten sind auch jene grundsätzlichen Vereinbarungen, die bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurden. Im Arbeitsverhältnis besteht in der Regel das Synallagma Arbeit gegen Geld und der AN ist persönlich abhängig. Diese persönliche Abhängigkeit äußert sich darin, dass der AN weisungsgebunden ist und sich in die betriebliche Ordnung eingliedern muss. Der AG darf über den AN und dessen Arbeitskraft verfügen.
Ein Recht auf Computer spielen gibt es nicht – ein gänzliches Verbot ist zulässig, auch wenn dieses in der Praxis kaum zu finden ist.
Die Treuepflicht der AN spielt eine umso wichtigere Rolle, wenn keine Vereinbarung für den konkreten Fall vorliegt – in der Praxis ein sehr häufiger Fall. Für die Prüfung der Zulässigkeit von Computerspielen ist zu eruieren, wieviel als üblich gilt.
Der OGH hat zu diesem Thema noch keine Entscheidung getroffen. In der E vom 25.10.2001, 8 ObA 218/01v, heißt es, dass die fallweise Nutzung des dienstlichen Computers zu privaten Zwecken allein noch keine Vertrauensunwürdigkeit begründet. In der E vom 21.10.1998, 9 ObA 192/98w, sprach der OGH aus, dass private Tele-182fongespräche in geringem Umfang nicht unüblich und somit im Zweifelsfall erlaubt sind. Betrachtet man diese mittlerweile 18 Jahre alte Entscheidung aus heutigem Gesichtspunkt, kann man die Intention des OGH durchaus auf Computerspiele der neuen Generation umlegen.
Vor der Prüfung, ob Computerspiele üblich sind, ist zwischen zwei Arten von Spielen zu unterscheiden.
Es gibt zeitintensive und volle Konzentration erforderliche Spiele wie Ego-Shooter, welche im Arbeitsleben nicht üblich und somit mangels ausdrücklicher Erlaubnis unzulässig sind. Es gibt aber auch kurze, wenig anspruchsvolle Spiele, die man meist über den Internetbrowser oder Handy-Apps spielt wie beispielsweise Strategie- oder Quizspiele, Farmville, Candy Crush, Bubble Shooter, Solitär oder Mahjong.
Letztere Kategorie ist heutzutage auch in der Arbeit üblich und in geringem zeitlichen Ausmaß deshalb mangels gegenteiliger Vereinbarung erlaubt. Die jeweiligen Arbeitspflichten sind aber stets vorrangig, was bedeutet, dass bei dringend oder sofort zu erledigenden Tätigkeiten ein Spiel unzulässig ist.
Vor einigen Jahren war es noch so, dass Computerspiele in der Arbeit ausschließlich am Firmen-PC möglich waren, doch mittlerweile ist Spielen auf vielen Geräten möglich, weshalb zu differenzieren ist, wem das Gerät gehört. Beim Spielen auf dem Computer des AG oder dem Diensthandy benutzt man Arbeitsmittel, weshalb die konkrete Vereinbarung umso wichtiger wird. Im Zusammenhang mit der Vergabe von Arbeitsmitteln wird in den Betrieben oftmals eine BV nach § 97 Abs 1 Z 6 ArbVG geschlossen.
Praktische Probleme ergeben sich aber vielmehr beim Spielen auf privaten Smartphones, was mittlerweile auch die am meisten genutzte Form darstellt. Die Eingriffsmöglichkeiten des AG sind viel schwieriger, eine BV ist hier nur nach § 97 Abs 1 Z 1 möglich.
Ein generelles Handyverbot ist nur dann gerechtfertigt, wenn es das konkrete Tätigkeitsfeld unbedingt erfordert. In etlichen Betrieben wird ein Handyverbot aufgrund des AN-Schutzes vom Arbeitsinspektorat empfohlen. In anderen Fällen, in denen ein Handyverbot nicht unbedingt notwendig ist, wäre es in der heutigen Zeit schikanös und deshalb sittenwidrig. Die AG können im Regelfall nicht verhindern, dass ein AN für wichtige familiäre Fälle kontaktaufnahmebereit ist. Ähnliches gilt für Betriebsratsmitglieder – ein Verbot, Handys mitzuführen, welche ausschließlich der Kontaktaufnahme durch die Belegschaft dient, ist unzulässig.*
Aufgrund der Risiken, die auch die Nutzung von privaten Smartphones am Firmengelände mit sich bringt, werden diesbezügliche Vereinbarungen und Weisungen in der Praxis immer häufiger. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Ablenkung, mangelnde Konzentration und Datenweitergabe.
Selbst wenn der AN auf seinem eigenen Gerät spielt und es kein diesbezügliches Verbot gibt, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob er in seiner Arbeitszeit spielt und somit möglicherweise gegen seine Arbeitspflichten verstößt. In der Arbeitszeit muss der AN seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen.
Das bedeutet allerdings auch: Wenn nichts zu tun ist, verstößt der AN nicht gegen seine Arbeitspflichten, wenn er spielt. Wartet ein AN beispielsweise auf Kunden oder Aufträge, ist ein Computerspiel zulässig, wenn der AN dem AG trotzdem zur Verfügung steht. Entfernt man sich von seinem Arbeitsplatz, weil man Pokémon sucht und steht man dem AG somit nicht zur Verfügung, liegt ein Verstoß gegen die Arbeitspflichten vor. Außerdem ist ein sofortiges Beenden des Spiels erforderlich, wenn beispielsweise das Telefon läutet oder ein Kunde eintrifft. Die Aufmerksamkeit und das Tätigwerden des AN sind in diesen Fällen sofort und ohne Verzögerung geboten.
Auch außerhalb der Arbeitszeit ist jedoch Vorsicht geboten, wenn man sich am Betriebsgelände befindet oder sonst die Gefahr besteht, dass Daten unzulässigerweise weitergegeben werden, wie es bei einem Dienstgerät der Fall sein kann.
Das Spielen von Computerspielen verursacht Kosten für die Nutzung von Internet, Strom und Speicherplatz. Diese Faktoren spielen aber in der Praxis mittlerweile eine untergeordnete Rolle. Ein wesentliches Problem stellt die Virengefahr dar. Durch die Spiele wird der Computer angreifbarer für Viren, deren Beseitigung meist hohe Kosten verursacht. Die Gefahr, dass ein Gerät gehackt wird oder sich darauf ein Virus verbreitet, besteht jederzeit und kann sich auch allein durch das Öffnen eines E-Mail-Anhangs183ergeben. Die große Gefahr bei Spielen ist allerdings, dass die natürlichen Schutzmechanismen ausgeschaltet sind.
Bei den Spielen der neuen Generation ergibt sich allerdings ein ganz anderes Problem, nämlich das der Datenweitergabe. Wer schon einmal eine App heruntergeladen hat, weiß, wie unbesonnen man die Warnung, welche Rechte durch die Installation vergeben werden, wegklickt.
Beim Herunterladen von Apps wird oftmals Zugriff auf die gesamten Kontaktdaten gewährt. Diese meist unbewusste Datenweitergabe geht aber noch viel weiter, auch GPS-Daten werden übermittelt, bei Pokémon Go wird sogar die Umgebung gefilmt. Dass hierbei auch Betriebsgeheimnisse weitergegeben werden, ist wahrscheinlich. Besonders kritisch ist die Lage bei Firmenhandys und Firmencomputern, da es sich bei übermittelten Kontakten um Kundendaten handelt und ein Angreifer auch leicht auf die dienstlichen E-Mails zugreifen kann.
Doch auch Spielen im Internet-Browser, also ohne Download, birgt Risiken. Der Angreifer sieht, welche Dateien, Ordner, Programme oder Systeme geöffnet sind, sobald sein Spiel angeklickt wird. Dh in der Praxis: Wer in der Arbeit spielt, hat oftmals sein E-Mail-Programm im Hintergrund geöffnet und macht unbefugten Zugriff dazu möglich.
Ein Spielemacher hat niemals nur die Motivation, Menschen mit diesem Spaß die Zeit zu vertreiben. Besonders bei Gratis-Spielen muss man sich fragen, wozu dieses Spiel überhaupt erfunden wurde. Manchmal ist der Grund Werbung oder die Analyse von Kundenverhalten – im Regelfall geht es aber rein darum, an Information zu kommen. Kontaktdaten – also die Frage, mit wem ich kommuniziere, wen ich kenne und wen der wiederum kennt – sind sehr viel wert, weshalb es einen gut funktionierenden Markt dazu gibt.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein AN, der ein Computerspiel spielt, Betriebsspionage ermöglicht.
Bei konkretem Schaden haftet der AN dem AG für die dadurch entstandenen Kosten. Ein Entfall oder eine Mäßigung der Ersatzpflicht nach dem DN-Haftpflichtgesetz (DHG) kommt nicht in Frage, wenn das Spielen ausschließlich privaten Zwecken dient, da der Eintritt des Schadens in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht. Die Voraussetzung gem § 2 Abs 1 DHG, dass der Schaden „bei Erbringung seiner Dienstleistung“ zugefügt wurde, ist demnach nicht gegeben.
Auch strafrechtliche Konsequenzen sind möglich, für das Delikt des Geheimnisverrats wird es beim Spielen aber meist am Vorsatz fehlen.
Immer häufiger werden vertragliche Konventionalstrafen für den Fall des Verstoßes gegen Spieleverbote vereinbart. Ein kurzes Ernten bei Farmville kann also teuer werden. Auch Verstöße gegen das Datenschutzgesetz (DSG) sind durch Computerspiele möglich. § 15 DSG besagt, dass AN die ihnen anvertrauten bzw zugänglich gemachten Daten geheim zu halten haben. Eine Übermittlung ist nur aufgrund ausdrücklicher Anordnung des AG zulässig. Bei Verstößen gegen § 15 DSG ist sogar eine Verwaltungsstrafe möglich, für welche allerdings eine vorsätzliche Tathandlung nötig ist. Ob es ein Spieler ernstlich für möglich hält, Daten des AG weiterzugeben und sich damit abfindet, ist im Einzelfall zu prüfen.
Die erste und meist einzige Reaktion der AG gegen unerlaubtes Spielen oder die Datenweitergabe durch das Spielen ist die Entlassung der AN. Als Entlassungsgrund kommt für Angestellte die Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG in Frage, für Arbeiter kann § 82 lit e GewO 1859 (Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen) die Grundlage für eine Entlassung sein.
Auch der Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtenverweigerung nach § 27 Z 4 AngG bzw § 82 lit f GewO kann durch das Spielen verwirklicht werden. Doch auch bei ausdrücklichem Spielverbot wird ein einmaliger Verstoß für diesen Entlassungsgrund nicht ausreichen. Im Rahmen der üblicherweise vorgenommenen Interessenabwägung wird erst eine Beharrlichkeit in Form von Verstößen trotz erfolgter Verwarnungen eine Entlassung rechtfertigen.
Ein wesentliches Merkmal bei der Interessenabwägung stellt die Arbeitszeit dar. In der OGH-E vom 5.11.1997, 9 ObA 315/97g, stellt nicht die weisungswidrige Installation einer Software, sondern die damit verbundene Privattätigkeit in der Arbeitszeit das wesentliche Merkmal der Vertrauensunwürdigkeit dar.
Pokémon Go wurde programmiert, um Routenplaner zu optimieren. Da man selbst mit Google-Fahrzeugen irgendwann an Grenzen stößt, wurde das Ermitteln von GPS-Daten und dazu passenden Kameraaufnahmen an die Spieler delegiert. In Erwartung eines besonderen Pokémons filmen die Spieler bereitwillig ihre eigenen Wohnungen, deren Umgebung, den Weg zur Arbeit und natür-184lich auch das Innere des jeweiligen Betriebes. Mit diesem Spiel hat eine neue Generation der freiwilligen, wenn auch oft unbewussten, Überwachung begonnen.
Arbeitsrechtlich bedeutet Pokémon Go, dass die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen in viel stärkerem Ausmaß erfolgt, da externe Personen, die Daten kaufen, leicht nachvollziehen können, wohin sich AN bewegen und wie es in den Betrieben aussieht. Die meisten Personen denken immer noch, dass Spionage vor allem ein amerikanisches Problem sei und ihre Daten ohnehin niemanden interessieren. Doch auch Konkurrenzunternehmen in Österreich haben Interesse an diesen Daten und es wäre naiv zu glauben, dass diese nur für Spezialisten käuflich zu erwerben seien. Firmen wie Volkswagen, Bosch, Daimler oder BMW haben dieses Risiko bereits erkannt und ihren Mitarbeitern das Spielen von Pokémon Go am Betriebsgelände ausdrücklich verboten.
Unabhängig davon ändert Pokémon Go aber auch die Verhaltensweisen seiner Spieler. Um Pokémon zu fangen, müssen sich die Spieler bewegen und angezeigte Punkte in der Umgebung aufsuchen. Wer in der Arbeit Pokémon Go spielt, bewegt sich. Das stellt in fast allen Branchen einen Verstoß gegen die Arbeitspflichten dar, denke man nur an Portiere, Verkäufer oder Telefonisten, die ihre Posten verlassen. Aber auch der umgekehrte Fall kommt vor und ist problematisch: AN halten sich dort auf, wo sie nicht sollten. Wenn Räume oder Gelände entgegen einem Verbot betreten werden, verstoßen AN gegen Vereinbarungen und Weisungen.
Irgendwann ist das gesamte Betriebsgebäude nach Pokémon abgesucht. Außendienstmitarbeiter fangen meist mehr Pokémon, da sie sich weitläufiger bewegen. Doch welche Risiken ein Umweg aufgrund eines seltenen Pokémons mit sich bringt, bedenken die wenigsten. Dieser stellt jedenfalls einen Verstoß gegen die Arbeitspflichten dar, bei einer Fahrt mit einem KFZ werden zusätzliche Kraftstoffkosten verursacht und zuletzt tauchen steuerliche Probleme auf, da der Umweg ausschließlich privaten Zwecken dient. Die Problematik, dass ein Unfall auf einem Umweg keinen Arbeitsunfall darstellt, trifft auch AN, die lediglich am Weg zur Arbeit, also in ihrer Freizeit, Pokémon suchen.
Ein Spielchen hie und da mag verlockend sein und angeblich sogar produktivitätsfördernde Wirkung haben. Die möglichen Konsequenzen sind allerdings verheerend und für die meisten AN im Vorfeld nicht vorhersehbar.
Für die Praxis empfiehlt sich daher, klare Vereinbarungen zu treffen. Die AG schützen damit ihre Daten und können bei Missbrauch Konsequenzen setzen. Aber auch die AN profitieren von klaren Regelungen, da dann keine Unsicherheiten herrschen und ein Bewusstsein für die Risiken geschaffen wird.