52. Wissenschaftliche Tagung der österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht

ANNALISAENGELHART (SALZBURG)

Auch in diesem Jahr besuchten am 30. und 31. März 2017 über 500 TeilnehmerInnen aus Wissenschaft und Praxis die 52. Wissenschaftliche Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht im Ferry Porsche Congress Center in Zell am See. Der Präsident, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, freute sich in seiner Begrüßung über die immer weiter ansteigende TeilnehmerInnenzahl und hob die Aktualität der diesjährigen Themenauswahl besonders hervor. Daran anschließend betonte Bürgermeister Peter Padourek, M.A., den hohen Stellenwert der Tagung für die Stadt Zell am See als Standort und sprach seinen Dank für die mittlerweile langjährige Kooperation aus.

Der erste Teil der Tagung war dem Thema „Digitalisierung der Arbeitswelt“ gewidmet. Zuerst behandelte ao.Univ.-Prof. Dr. Martin Risak (Universität Wien) den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Arbeit 4.0. und erörterte in weiterer Folge die Probleme der zeitlichen und örtlichen Entgrenzung, die mit der Digitalisierung einhergehen. Insb durch Smartphones werde die dauernde Erreichbarkeit gefördert. Dies bringe wiederum die Frage der arbeitszeitrechtlichen Einordnung dieser Zeiten zur Sprache. Auch die räumliche Abgrenzung bei home-office oder mobile working führe zu Problemen, die durch die fortschreitende Digitalisierung immer häufiger auftreten. Vor allem der AN-Schutz werde bis auf die Regelungen zur Bildschirmarbeit aufgrund der Betriebsbezogenheit ausgehebelt. Außerdem erörterte Risak das Phänomen des „Crowdworking“ und stellte klar, dass es sich dabei momentan um eine der größten Herausforderungen des Arbeitsrechts handle. In vielen Fällen liegen seiner Ansicht nach Arbeitsverhältnisse vor, die aufgrund der zumindest dreipersonalen Konstruktion – Crowdsourcer, Plattform und Crowdworker – an Komplexität gewinnen. Weiters stellte Risak die Schaffung der Möglichkeit der kollektiven Rechtssetzung auch für arbeitnehmerähnliche Personen zur Diskussion, selbst wenn dies europarechtlich wohl als problematisch anzusehen wäre.

Anschließend zeigte RA Dr. Stefan Köck (Wien) in erster Linie Fragen in Zusammenhang mit AN-Weiterbildung, betrieblichem Datenschutz, AN-Schutz und betrieblichen Mitwirkungsrechten auf. Im Rahmen der Weiterbildung stellte Köck eine hohe arbeitsrechtliche Akzeptanz fest, die seines Erachtens mit dem fehlenden Rechtsanspruch, dem Fehlen eines Kündigungsschutzes und fehlender Kosten für den AG zu erklären seien. Durch die Digitalisierung komme es des Weiteren zu einem enormen Zuwachs an Daten im Betrieb, die einerseits eine übersteigerte Mitarbeiterkontrolle ermöglichen, aber andererseits auch das Potenzial erheblichen betriebswirtschaftlichen Nutzens mit sich bringen können. Vor allem die weite Interpretation der §§ 96 Abs 1 Z 3 und 96a Abs 1 Z 1 ArbVG, die unklare Rechtslage bei Fehlen eines BR und die fehlende Harmonisierung der datenschutzrechtlichen Standardanwendungen mit § 96a ArbVG führen nach Köck zu vielen Problemen beim Zusammenspiel von Arbeitsrecht und Datenschutzrecht. Hinzu komme nun noch die neue Datenschutz-Grundverordnung (DS-GV 2016/679), die zwar seiner Ansicht nach nicht vieles ändern, aber doch einige Fragen aufwerfen werde. Insb in Art 88 DS-GV sieht Köck eine Öffnungsklausel speziell für das Arbeitsrecht, durch die mehr Regelungen zur Gewährleistung des Schutzes hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten mittels BV getroffen werden könnten.

In der anschließenden Diskussion mit Moderation von Vizepräsident Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn wurde ua über das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit sowie darüber diskutiert, ob der AN-Begriff aufgrund von Crowdworking neu überdacht werden müsse. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage gestellt, ob das Problem der Kettenarbeitsverträge auf Crowdworking übertragbar sei, sobald ein Crowdworker mehr als lediglich einen Auftrag vom gleichen Auftraggeber annehme. Ebenso wurde die Problematik der Abgrenzung von Ziel- und Dauerschuldverhältnissen erwähnt, handle es sich doch oft um sehr kurze Zeit andauernde Aufgaben, die von den einzelnen Crowdworkern übernommen werden. Ein Vergleich wurde ua zur Rsp zu Vortragstätigkeiten gezogen, die gerade nicht als Werkverträge qualifiziert würden. Nach Risak sei für die Abgrenzung von Ziel- und Dauerschuldverhältnissen zu unterscheiden, ob der Prozess oder das Ergebnis im Vordergrund stehe, wobei seines Erachtens aufgrund der hohen Kontrolldichte, die zB durch Screenshots während der Leistungserbringung entstehe, der Prozess in seiner Wichtigkeit überwiege. Das Problem der Kettenarbeitsverträge sei des Weiteren nicht neu und stelle sich klarerweise auch in diesem Zusammenhang. Kritisiert wurde in der weiteren Diskussion190die Ansicht Risaks, dass die Benützung des Smartphones in der Freizeit nicht unter Zeiten der Rufbereitschaft falle, da selbst bei in der Praxis vorherrschender Freiwilligkeit die Erreichbarkeit bei Vorliegen einer Verpflichtung unter § 20a AZG zu subsumieren sei. Der ratio legis zufolge müsse es Freiräume geben, in denen der AN nicht erreichbar sein müsse, ansonsten würde er zB bei jedem Funkloch oder einer mehrstündigen Opernaufführung am Abend einen Arbeitsvertragsbruch begehen. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch, wann überhaupt eine vertragliche Verpflichtung anzunehmen sei, da dies nicht unbedingt schon bei Überlassen eines Firmenhandys konkludent angenommen werden könne, sondern es einer expliziten Vereinbarung bedürfe. Darüber hinaus beschäftigte die Möglichkeit der analogen Anwendung des Heimarbeitsgesetzes, die zu einem AN-Schutz bei home-office führen würde, die DiskutantInnen. Diskussionsbedarf bestand auch für die Frage nach der Auslegung von Art 88 DS-GV. Bezweifelt wurde in diesem Zusammenhang die These, dass mittels BV eine eigenständige datenschutzrechtliche Grundlage geschaffen werden könne. Hierzu entgegnete Köck, dass Art 88 sich wohl am deutschen Recht orientiert habe und es in Österreich noch eines eigenen Umsetzungsgesetzes bedürfe.

Im dritten Vortrag – und damit zweiten Teil des Vormittags – behandelte em.o.Univ.-Prof. Dr. Walter Berka (Universität Salzburg) das Thema „Religion, Weltanschauung und Arbeitsverhältnis“. Fragen der Religion und der Weltanschauung seien generell wieder in den Fokus der politischen und rechtlichen Diskussion geraten und berühren demnach auch das Arbeitsrecht. Als Beurteilungsmaßstäbe seien einerseits die Religionsfreiheit und andererseits das Gleichbehandlungsrecht ausschlaggebend. Beide Grundrechte stützen und ergänzen sich wechselseitig, seien aber nicht ident. Vor allem dürfe niemand aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen benachteiligt werden. Eine freie Ausübung eines Glaubens oder einer Weltanschauung sei aber durch das Gleichbehandlungsrecht nicht garantiert, sondern könne nur auf das jeweils einschlägige Grundrecht gestützt werden. Strittig sei, ob durch ein Verbot von religiösen oder weltanschaulichen Symbolen oder damit assoziierten Bekleidungsstücken eine unmittelbare oder nur eine mittelbare Diskriminierung vorliege. Berka sieht vor allem in betrieblichen Neutralitätsgeboten in Bezug auf auffällige Symbole oder religiöse Bekleidungsstücke keine unmittelbare Diskriminierung, sie können jedoch zu einer mittelbaren Diskriminierung führen. Eine solche Einschränkung der Religionsfreiheit bzw mittelbare Diskriminierung sei nur dann zulässig, wenn sie nicht unverhältnismäßig sei und es dadurch zu einem Ausgleich der Interessen des AG und der AN komme. Auf das Vorliegen dieser „fair balance“ habe der EGMR in der Rs Eweida ua (27.5.2013, Nr 48.420/10, 59.842/10, 51.671/10 und 36.516/10) hingewiesen. In weiterer Folge ging Berka sowohl auf die neu ergangenen Entscheidungen des EuGH in den Rs Achbita (EuGH 14.3.2017, C-157/15) und Bougnaoui (EuGH 14.3.2017, C-188/15) als auch auf die OGH-E (25.5.2016, 9 ObA 117/15v) zur Diskriminierung wegen des Tragens eines Kopftuches bzw eines Gesichtsschleiers am Arbeitsplatz ein und stimmte letzterer im Ergebnis zu. Nicht überzeugend seien lediglich gewisse Ansätze der Begründung, vor allem hinsichtlich der Andeutung, dass durch „Grundregeln der menschlichen Kommunikation“ ein Rechtfertigungsgrund für ein Verbot religiöser Bekleidungsstücke geschaffen werden könne. Kritisch betrachtete er die E in der Rs Achbita, da seines Erachtens der EuGH dem Grundrecht der Religionsfreiheit zu wenig Beachtung geschenkt habe, wohingegen der Unternehmensfreiheit sehr viel mehr Aufmerksamkeit zugekommen sei.

In der anschließenden Diskussion kam hervor, dass die EuGH-Entscheidungen prinzipiell als sehr überzeugend angesehen werden. Insb der Umstand, dass der AG eine gewisse Neutralität verlangen könne, fand rege Zustimmung. Thematisiert wurde in weiterer Folge anhand welcher Maßstäbe zu bewerten sei, ob eine religiöse Vorschrift überhaupt vorliege und ob das Tragen von Kleidungsstücken, die zB eine Geschlechterdiskriminierung mit sich bringen, weil sie lediglich für Frauen gelten, als Ausübung der Religionsfreiheit betrachtet werden müsse. Berka lehnte die Meinung ab, dass der AG im Interesse gesellschaftlich akzeptierter Wertungen, insb um Frauen aus religiös traditionalistischen Zwängen durch ein Kopftuchverbot „zu befreien“, verpflichtet sei, in die Religionsfreiheit einzugreifen. Der AG dürfe aber durchaus darauf Rücksicht nehmen, dass Vorurteile bestehen und beispielsweise in einer Modeboutique seiner AN das Tragen einer Burka verbieten. Dieses Verbot müsse jedoch neutral ausgestaltet sein, wobei es nicht von Bedeutung sei, ob es individuell oder generell formuliert werde. Letzteres spreche aber nach Berka wohl eher für die Annahme einer neutralen Regelung. Des Weiteren seien seines Erachtens die Glaubensträger selbst dafür verantwortlich zu bestimmen, was alles unter ein religiöses Gebot falle. Der Staat sei hier nicht zuständig. Wie jene Sachverhalte einer Mehrfachdiskriminierung zu beurteilen seien, behielt der Referent der schriftlichen Fassung vor. In der Diskussion wurde weiters angemerkt, dass es sich wohl bei neutral formulierten Verboten um Ordnungsvorschriften über das allgemeine Verhalten der AN im Betrieb handle, die mit einer erzwingbaren Mitbestimmung ausgestattet seien, weshalb es durchaus möglich sei, dass in Zukunft vermehrt Schlichtungsstellen mit solchen Vorschriften konfrontiert sind. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde auch auf den Rechtfertigungsgrund der zwischenmenschlichen Kommunikation in der OGH-E eingegangen und gefragt, wie es sich verhalten würde, wenn aufgrund weniger Mitarbeiter keine interne Kommunikation stattfin-191de oder die AN zB in einem Lager arbeiten. Berka empfand dieses Argument des OGH als schlechten Maßstab, da selbst bei wenigen Mitarbeitern oder auch nur mit dem Chef zumindest hin und wieder kommuniziert werden müsse. Beispielhaft wurde außerdem thematisiert, ob durch die E des EuGH und des OGH nun zB auch ein katholischer Pfarrkindergarten eine Muslimin mit Kopftuch beschäftigen müsse. Bisher sei nämlich den sogenannten Tendenzbetrieben ein größerer Eingriff in den Persönlichkeitsschutz der AN erlaubt gewesen. Abschließend wurde hinterfragt, ob nicht eine Schutzpflicht des AG gegenüber denjenigen Personen bestehe, die sich gerade nicht deklarieren wollen. Berka sah in diesem Zusammenhang nur dann eine Verpflichtung zum Tätigwerden des AG, wenn der betriebliche Frieden, sei es zB durch Mobbing, gestört werde. Diesen Schutzpflichten könne der AG seiner Ansicht nach durch – eben jene bereits erklärten – neutrale Vorschriften nachkommen.

Univ.-Ass. MMag. Dr. Diana Niksova (Universität Wien) bestritt in diesem Jahr das Seminar, das den „Grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz und die anwendbare Rechtsordnung“ zum Gegenstand hatte. Niksova beschäftigte sich vor allem mit der Auslegung des Begriffs „Individualarbeitsvertrag“ iSd Art 8 Rom I-VO und dabei speziell mit der Abgrenzung Arbeitsvertrags- und Betriebsverfassungsstatut. Eine rege und lange Diskussion entspann sich in diesem Zusammenhang hinsichtlich des Kündigungsschutzes bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, da ihrer Ansicht nach der gesamte § 105 ArbVG unter das Arbeitsvertragsstatut falle und hier nicht an das Betriebsverfassungsstatut und damit nicht an das Territorialitätsprinzip anzuknüpfen sei. In weiterer Folge erörterte die Referentin die Probleme bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen in der Transportwirtschaft und damit korrelierend die OGH-E vom 29.11.2016, 9 ObA 53/16h, sowie die Grundlagen der Entsende-RL (96/71/EG). Diskussionsbedarf bestand in diesem Zusammenhang dahingehend, ob auch private Personen Dienstleistungsempfänger iSd RL 96/71 darstellen können. Niksova bediente sich hier einer weiten Auslegung und empfand es als ausreichend, wenn der Dienstleistungsempfänger eben jene Dienstleistung empfange, wohingegen der Wortlaut der RL einen in einem Mitgliedstaat „tätigen“ Dienstleistungsempfänger verlange. Diese Ansicht stieß auch bei den DiskutantInnen auf Zustimmung. Diskutiert wurde schließlich noch, ob bei geringen Lohnunterschieden – wie in der OGH-E 9 ObA 53/16h, hier waren es € 0,36 – und lediglich sehr kurzfristigen Entsendungen eine Anwendbarkeit des ausländischen Rechts ausgeschlossen werden könne. Eingewendet wurde jedoch, dass in Anknüpfung an die EuGH-Rsp die Arbeitsbedingungen transparent sein müssen und dies bei einer Einzelfallbetrachtung nicht mehr möglich wäre. Man könne solch ein bewegliches System dem einzelnen AG nicht zumuten. Niksova hielt außerdem fest, dass es auch nach dem Wortlaut der Entsende-RL unerheblich sei, wie hoch der Lohnunterschied sei, sondern diese lediglich normiere, dass der für den AN günstigere Lohn zu bezahlen sei.

Der Freitag, an dem traditionell sozialrechtliche Themen behandelt werden, begann mit einem Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn (Universität Wien) zum Thema „Bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen: Differenzierungen, Pauschalierungen, Bedingungen“. Seine Ausführungen konzentrierten sich auf die rechtliche Ausgestaltung der Grundsicherung in Österreich und beinhalteten dabei die feinen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Bedarfsorientierter Mindestsicherung, Ausgleichszulage und Notstandshilfe. Im Unterschied zu anderen Staaten (zB Schweiz) gewährleiste Österreich kein Recht auf Grundsicherung in der Verfassung, ebenso gebe es aber auch Staaten, die faktisch gar kein System der Mindestsicherung vorweisen können. Anfangs erörterte Rebhahn die Bedingungen zur Begründung bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistung und die Voraussetzungen für die Höhe der Leistungen sowie in diesem Zusammenhang die Pauschalierung und endete mit den Problemen der Schlechterstellung von Schutzberechtigten. In Bezug auf die Höhe der Leistung kritisierte Rebhahn, dass hier nicht auf die individuellen Bedürfnisse Bedacht genommen werde, sondern vereinheitlichte Pauschalsätze herangezogen werden. Weiters problematisiert er die seit 2017 in Kraft stehende niederösterreichische Regelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die eine Deckelung von € 1.500,- pro Haushalt vorsehe, da hier bei einer Familie mit drei Kindern eine Kürzung der Mindeststandards von € 1.849,04 auf eben besagte € 1.500,- erfolge. Bei Mehrpersonenhaushalten bzw Wohngemeinschaften könne es durch diese Deckelung uU zu Kürzungen von über 60 % kommen. Diese Höchstgrenze stelle seines Erachtens einen Systembruch mit dem Verfassungsrecht dar. Er verwies auf eine E des VfGH aus dem Jahre 1988, nach der pro Person in einem Haushalt ein gewisser finanzieller Aufwand erforderlich sei. Abschließend betrachtete er die in Oberösterreich bestehende Regelung, die subsidiär Schutzberechtigten eine geringere Grundleistung zuspricht, kritisch und lehnte die Bejahung der Vereinbarkeit mit der Status-RL (2011/95) in einem erst kürzlich ergangenen Urteil des Landesverwaltungsgerichts ab.

Unter der Leitung von Vizepräsidentin RA Hon.-Prof. Dr. Sieglinde Gahleitner (Mitglied des VfGH) wurde anfangs über die Sanktionsregelung im Integrationspaket diskutiert. Kritisiert wurde die Ansicht Rebhahns, dass diese Sanktionsregelung keine Grundsatzregelung darstelle und entgegengehalten, dass es sich dabei um eine Regelung im Bereich der Fremdenpolizei handle. Eine ähnliche Konstellation bestehe auch im AuslBG, bei dem bisher keine Bedenken hinsichtlich der Kompetenz geäußert worden seien. Dem entgegnete Rebhahn,192dass zwar prinzipiell der Annahme einer fremdenrechtlichen Bestimmung zugestimmt werden könne, aber der Verfassungsdienst ebenso wie die Landesregierungen explizit darauf hingewiesen hätten, dass diese dem Armenwesen zuzurechnen sei. Daran anschließend folgte eine Anmerkung zur Rechtfertigung von Pauschalsätzen, da diese vor allem aufgrund der Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes festgelegt würden. Hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Deckelung fand sich auch unter den DiskutantInnen Zuspruch dahingehend, dass es sich dabei um keine verfassungskonforme Regelung handle. Angesprochen wurde ua, dass bereits in der politischen Diskussion eine Herausrechnung des prinzipiell in den Pauschalsätzen integrierten Wohnbedarfs angeboten worden sei. Dieser Vorschlag sei aber in der Politik auf keinen Zuspruch gestoßen. Rebhahn regte hierzu noch an, die Deckelung nur dann anzuwenden, wenn bei allen im Haushalt lebenden erwerbsfähigen Personen die Erwerbsfähigkeit auch wirklich bejaht werden könne. Dies würde den praktischen Anwendungsspielraum seiner Ansicht nach reduzieren, ohne die Regelung am Papier ändern zu müssen. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde die These Rebhahns, dass die mit der Mindestsicherung „light“ in Zusammenhang stehende verlängerte Wartezeit verfassungskonform sei, in Frage gestellt. Immerhin treffe diese Annahme ebenso österreichische StaatsbürgerInnen, die eine Zeit lang im Ausland gelebt haben und eben keinen überwiegenden Inlandsaufenthalt in den letzten Jahren aufweisen können. Diskutiert wurde dies auch vor dem Hintergrund des Unionsrechts, das eine Rückkehr eines Unionsbürgers in seinen Heimatstaat vorsehe, um Sozialleistungen beziehen zu können. Rebhahn führte aus, dass er in Bezug auf die Wartezeit hauptsächlich die unionsrechtlichen Fragen im Fokus hatte und sah es vor allem als unionsrechtlich problematisch an, sollten alle Staaten eine Wartezeit – wie jene der Mindestsicherung „light“ – einführen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht teilte er die Kritik nicht, und stützte sich dabei auf das Argument der zulässigen Anknüpfungen an den rechtmäßigen Aufenthalt. Daraus abgeleitet müsse es ebenso zulässig sein, eine Verbindung mit der Dauer dieses Aufenthalts herzustellen – selbst wenn dies in letzter Konsequenz auch StaatsbürgerInnen betreffen könne. Abschließendes Thema der Diskussion war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz im Zusammenhang mit gemeinnütziger Arbeit. Beispielhaft wurde der Fall einer 84-jährigen Dame angeführt, die eine gemeinnützige Arbeit angeboten bekomme, „Schneeschaufeln“ aber ablehnte, weshalb der Bürgermeister in weiterer Folge ihre Mindestsicherung gestrichen habe. Da bei einer Beschwerde nun die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen sei, stelle sich die Frage nach dem ausreichenden Rechtsschutz. Immerhin fehle es der Dame mit Streichung der Mindestsicherung an den finanziellen Mitteln, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Rebhahn stimmte diesem Einwand des fehlenden Rechtsschutzes aus rechtsstaatlicher Sicht zu. Der generelle Ausschluss der aufschiebenden Wirkung könne seiner Ansicht nach aufgrund des Entzugs der Existenzmittel wohl nicht gerechtfertigt werden.

Am Freitag wurde ebenso ein Teil des Vormittags von zwei ReferentInnen gestaltet. Dr. Martin Sonntag (OLG Wien) und az. Prof. Dr. Barbara Födermayr (Universität Linz) beschäftigten sich mit dem Thema „Rehabilitation: Wirklichkeit und Anspruch“. Sonntag präsentierte in diesem Zusammenhang die Thematik der medizinischen Rehabilitation im sozialgerichtlichen Verfahren und zeigte ua Probleme bei der Abgrenzung zur Krankenbehandlung und der Verletzung der Mitwirkungspflicht auf. Weiters ging er auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht bei medizinischer Rehabilitation ein und nahm hier – im Gegensatz zur Krankenbehandlung – eine unstrittige Rechtslage an, die eine Entziehung mit dem Zeitpunkt der Verweigerung vorsehe. Ebenso sei durch einzelne Entscheidungen des OGH bereits eine Einordung bestimmter Behandlungen in den Bereich der medizinischen Rehabilitation erfolgt. Ungelöst bleibt seines Erachtens zusätzlich zur – bereits erwähnten – Abgrenzung zur Krankenbehandlung und der Mitwirkungspflicht bei letzterer, ob ein Rechtsanspruch auf bestimmte Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation bestehe.

Födermayr behandelte anschließend in ihrem Vortrag die seit 1.1.2017 in Kraft getretene bzw sich teilweise auch noch in Umsetzung befindliche Rechtslage zur beruflichen Rehabilitation und die damit einhergehenden Rechtsprobleme. Normzweck dieser neuen Regelungen sei es, den Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“ zu verstärken und damit das faktische Pensionsalter weiter zu erhöhen. Es sei nun zu unterscheiden, ob erstens überhaupt eine geminderte Arbeitsfähigkeit vorliege; werde dies verneint, könne ein Anspruch aufgrund von drohender geminderter Arbeitsfähigkeit bestehen. Könne hingegen geminderte Arbeitsfähigkeit bejaht werden, sei zu differenzieren, ob entweder vorübergehende oder dauerhafte geminderte Arbeitsfähigkeit anzunehmen sei. Je nachdem bestehe ein Anspruch bei vorübergehender geminderter Arbeitsfähigkeit sowohl auf medizinische als auch berufliche Rehabilitation und bei dauerhafter lediglich auf berufliche Rehabilitation bzw ein Anspruch auf Pension, wenn die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation weder zumutbar noch zweckmäßig erscheinen.

In der anschließenden Diskussion wurde eingewendet, dass eine Abgrenzung zur Krankenbehandlung sehr wohl durch den OGH (10.5.2016, 10 ObS 4/16k und 15.12.2015, 10 ObS 97/15k) vorgenommen worden sei. Der Gerichtshof habe sich zumindest auf eine Methode festgelegt, und zwar193dass es sich bei Rehabilitationsmaßnahmen ebenso wie bei der Krankenbehandlung um medizinische Leistungen handle, die in der Verantwortung von ÄrztInnen liegen, jedoch praktisch schwerpunktmäßig von anderen Berufsgruppen erbracht werden. Ebenfalls zur Sprache kam, dass durch die Einführung der „Rehabilitation vor Pension“ viele Personen wieder am Arbeitsmarkt einsetzbar und bereits 40 % aus dem Rehabilitationsgeld-Bezug wieder herausgefallen seien. Auch im Bereich der freiwilligen Rehabilitation hätten sich die Zahlen erhöht und die Perspektive sei allgemein sehr positiv, selbst wenn das Case-Management noch ausgebaut werden müsse. Als problematisch wurde die komplexe Zusammenarbeit und Kompetenz der drei verschiedenen Träger angesehen, dem sowohl Sonntag als auch Födermayr zustimmten. Doch sah Sonntag keine praktische Möglichkeit, wie man dies verbessern könne und hoffte in der Frage der Abgrenzung von medizinischer Rehabilitation und Krankenbehandlung trotz der zwei OGH-Entscheidungen noch auf eine weitere Klarstellung. Schlussendlich wurde noch die Problematik der Höhe des Bezugs des Rehabilitationsgeldes zur Diskussion gestellt. Immerhin betrage dieses 50 bzw 60 % des Entgelts der letzten Erwerbstätigkeit und sei dem Krankengeld nachgebildet. Da die Kompetenz bei den Gebietskrankenkassen liege, sei dies zwar nachvollziehbar, doch erweise sich der Bezug der letzten Erwerbstätigkeit meist nicht als repräsentativ, weil diese entweder bereits länger zurückliege, nur tageweise mit sehr hohem Entgelt gearbeitet wurde, das auf den vollen Monat aufgerechnet werde, oder auch jemand extrem wenig verdient habe und dann mittels Ausgleichszulage das Rehabilitationsgeld aufgestockt werden müsse. Im Ergebnis sei der Durchrechnungszeitraum von lediglich einem Monat zu gering und es stelle sich die Frage, ob dieser nicht – wie zB beim Arbeitslosengeld – erweitert werden müsse. Dem stimmte auch Födermayr zu und sah hier bereits in der Funktion des Krankengeldes, als kurzfristige vorübergehende Leistung, den Anknüpfungspunkt einer notwendigen Unterscheidung zum Rehabilitationsgeld, das eine längerfristige Leistung darstelle.

Bereits am 29. März (Mittwochnachmittag) wurde (nun schon zum fünften Mal) das Nachwuchsforum abgehalten, das jungen WissenschaftlerInnen die Möglichkeit bieten soll, ihre Forschungsergebnisse einem breiten Fachpublikum präsentieren zu können. Begonnen wurde mit einem Vortrag von Proj.-Ass. Dr. Daphne Aichberger-Beig, MJur (Oxford) zum Thema „Die Anrechnungsregel des § 1155 ABGB“. Anschließend daran stellte Mag. Sarah Bruckner ihre Thesen zur „Zuständigkeit für Leistungen bei Arbeitslosigkeit gem VO 883/2004/EG“ vor und schließlich endete das Nachwuchsforum mit einem Beitrag von Univ.-Ass. Mag. Christoph Ludvik zu „Der virtuelle Betrieb – internationaler Anwendungsbereich der Betriebsverfassung“.

Am Ende der 52. Zeller Tagung dankte der Präsident, Univ.-Prof. Dr. Rudolf Mosler, allen ReferentInnen, DiskutantInnen und Mitwirkenden, die die Tagung ein weiteres Mal spannend und abwechslungsreich gestaltet haben. Als Termin für die nächstjährige (53.) Tagung kündigte er den 5. und 6. April 2018 an.