NagelArbeitnehmervertretung und Strafrecht
Nomos Verlag, Baden-Baden 2016 244 Seiten, broschiert, € 65,-
NagelArbeitnehmervertretung und Strafrecht
„Lustreisen“ eines deutschen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden standen Geburt für das vorliegende Buch. Recht plastisch wird mit der 2005 ruchbar gewordenen „VW-Affäre“ eingeleitet: Der hinsichtlich Entlohnungs- und Arbeitszeitfragen wohl einflussreichste Betriebsratsmandatar war vom VW-Personalvorstand (der mit der römischen Zahl „IV“ versehen mittlerweile für die drastisch verringerte deutsche „Notstandshilfe“ steht) korrumpiert worden. Fairerweise wird als zweites Beispiel der weniger prominente Fall „Siemens/AUB“ genannt: Der deutsche Elektrotechnik-Konzern hatte eine kleine Gewerkschaft, die „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte (AUB)“, systematisch finanziell unterstützt, um sie als Gegengewicht zur einflussreichen IG Metall aufzubauen; das Unternehmen „Aldi-Nord“ tat es kurz darauf Siemens gleich, um die Verhandlungschancen der DGB-Gewerkschaft ver.di zu brechen.
Zentrale Frage der vorliegenden Buchform einer 2013 an der Hamburger Buccherius Law School angenommenen Dissertation ist jene nach den gegenwärtigen, aber auch nach den rechtspolitisch erforderlichen Instrumenten zur strafrechtlichen Ahndung von Begünstigung, Untreue, Betrug, Bestechung und ähnlichen Delikten.
Ausgehend von § 119 dt BetrVG („Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder
“),199der einen Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bei Begünstigungen oder Benachteiligungen von Betriebsratsmitgliedern „um ihrer Tätigkeit willen“ vorsieht (vgl demgegenüber den großteils sanktionslosen österreichischen § 115 ArbVG und die Straflosigkeit von Betriebsratswahl-Behinderungen!), werden die einschlägigen Wirtschaftsstraf- und Korruptionstatbestände des deutschen Strafgesetzbuchs und des „Ordnungswidrigkeiten-Gesetzes“ (Verwaltungs-Straftatbestände) anhand zweier Ausgangssachverhalte geprüft:
Bestechung oder sonstige Begünstigung von BetriebsratsmandatarInnen;
Bestechung von Gewerkschaften bzw tarifvertragsfähigen Parteien („
Pflege der koalitionspolitischen Landschaft
“).
Breiter Raum wird neben dem erwähnten Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot dem Delikt der Untreue gem § 266 dt StGB (vergleichbar dem österreichischen § 133 StGB) eingeräumt. Was bei der Lektüre des Werks immer wieder erstaunt, sind die zahlreichen zitierten Gerichtsentscheidungen zu Versuchen von BetriebsinhaberInnen, ihnen genehme Listen bei Betriebsratswahlen zu „füttern“. Einiger Raum wird der Frage eingeräumt, ob „angefütterte“ Betriebsräte kraft ihrer Co-Management-Stellung im Unternehmen als Verwalter fremden Vermögens anzusehen seien, und damit der strafgesetzlichen Untreue unterfallen könnten; letztlich verneint der Autor diese These und es kommt hier wohl nur Beitragstäterschaft in Betracht.
Insgesamt handelt es sich um ein ausgewogen recherchiertes und abgehandeltes (maliziösem Handeln eines Betriebsratsmitglieds wird meist noch im selben Absatz das Gegenbeispiel eines korrumpierenden Managers gegenübergestellt) Buch zu einem heiklen Thema. Dennoch bleibt es ein reines Fachbuch des Wirtschafts- und Korruptionsstrafrechts im Zusammenhang mit der Betriebsverfassung; die teils skurrilen Sachverhalte werden, vom Einleitungsfall abgesehen, auf abstrakter Ebene kurz gehalten. In der Frage, ob eine „Professionalisierung“ und externe Entlohnung des Betriebsratsamtes anstelle des geltenden Ehrenamtsprinzips Abhilfe schaffen kann, plädiert Philipp A. Nagel für die Beibehaltung des seit mehr als 60 Jahren bewährten Ehrenamt-Prinzips.
Whistleblowing, Compliance-Kodizes und Gehaltstransparenz (zB gegenüber der Betriebsversammlung) werden neben dem Ordnungswidrigkeiten- und Kriminalstrafrecht als weitere Instrumente zur Deliktsprävention geprüft. Sie werden als positive Möglichkeiten für Bewusstseins- und Unrechtbewusstseinsänderungen sowohl bei Kapitaleignern und ManagerInnen als auch bei AN-VertreterInnen angeführt.