KielkowskiDie betriebliche Einigung

Nomos Verlag, Baden-Baden 2016 265 Seiten, broschiert, € 69,-

HANNESSCHNELLER

Die vorliegende Buchfassung einer 2015 an der Universität Trier approbierten Dissertation geht von folgender These aus: Es gibt nur zwei (!) Formen der betrieblichen Mitbestimmung im kollektiven Arbeitsrecht Deutschlands, nämlich die formgebundene BV (Schriftform) und alles Übrige, was Betriebsratskörperschaften oder einzelne Betriebsratsmitglieder „mitbestimmen“. Dieses Übrige sei, egal in welcher Form, Ausprägung oder Intensität es vorliegt, die „ Regelungsabrede“.

Damit wagt sich Jacek B. Kielkowski weit in den Dschungel dogmatischer Kategorisierungs- und Rangordnungsversuche vor, die in Deutschland seit den Anfängen der BV in der Weimarer Republik untersucht und diskutiert wurden und werden. Schon die Bezeichnung „Regelungsabrede“ ist in der deutschen Literatur nicht unumstritten; so führen etwa Bachner et al (BetrVG-Kommentar15 [2016]) folgende, in der Praxis verwendete Begriffe an: Regelungsabrede, Regelungsabsprache, Betriebsabrede, Betriebsabsprache, betriebliche Einigung (aaO § 77 Rz 161).

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um eine rechtsdogmatische Grundlagenarbeit, die profund und umfassend die beiden Institute „Betriebsvereinbarung“ und „Regelungsabrede“ auf einer sehr abstrakten Prüfebene einander gegenüberstellt. Übrig bleiben einige provokante Thesen, die oft nicht der hL und sehr oft nicht der stRsp entsprechen:

  • Die BV kann keine schuldrechtlichen Elemente beinhalten, sie kann auch nicht obligatorische Wirkung haben (dagegen etwa BAG 11.12.2007, 1 AZR 824/06);

  • Die Inhaltsnormen der BV sind zwingender Natur; anderweitige Vereinbarungen werden verdrängt oder sind nichtig (dagegen: ständige Judikatur zum individuellen und zum kollektiven Günstigkeitsprinzip);

  • Für die betriebliche Einigung mit ausdrücklichem oder aus konkludentem Gestaltungsauftrag kommt nur die BV in Betracht; im Hinblick auf den dritten Typ der Einigungsform (Einigung mit Partizipationsauftrag) bestehe ein abgeschlossenes System von Rechtsfolgen, die nur an die Partizipation anknüpfen und daher die Regelungsabrede als Einigungsform ausreichen lassen;

  • Die Tarifvorbehaltsklausel des § 77 Abs 3 BetrVG (Entgelte und sonstige „üblicherweise“ durch Tarifvertrag geregelte Inhalte können nicht durch BV geregelt werden) könnte unter „eng begrenzten Voraussetzungen“ in Form der Regelungsabrede umgangen werden, indem die gesetzwidrige (gegen § 77 Abs 3 verstoßende) BV in eine Regelungsabrede umgedeutet werde.200

Insgesamt vermögen diese beinahe krampfhaft erzwungen wirkenden Thesen nicht zu überzeugen. Die gestelzt wirkende Sprache (zB „Heteronomität“ anstelle „Heteronomie“, wie von Kant und Kelsen verwendet) trägt ihr Übriges dazu bei, das Buch nur jenen einschlägig interessierten Personen empfehlen zu können, die Denkanstöße „gegen den Mainstream“ suchen.