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Anspruch auf „Höchstpension“ schließt bei Erreichen des Regelpensionsalters eine Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit aus

KLAUSBACHHOFER

Der 1949 geborene Kl ist seit 1.1.2004 beim Bekl als Angestellter beschäftigt und wurde zum 31.8.2014 gekündigt. Er bezog zuletzt unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein Monatsentgelt von € 4.205,- netto. Mit 1.9.2014 hat er Anspruch auf eine Regelpension und eine Betriebspension zu einem ebenso unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ermittelten Monatsbezug von insgesamt € 2.722,- netto. Unter Hinzurechnung des Zinsertrages aus der Abfertigung und des Zinsertrages aus der Auszahlung der Mitarbeitervorsorgekassa von gesamt durchschnittlich € 90,- monatlich ergibt sich ein Betrag von € 2.812,- und somit ein Einkommensverlust von 33 %. Ausgehend von den festgestellten laufenden Fixkosten von € 2.500,- verbleiben dem Kl monatlich € 312,-. Die Kündigung wurde vom Kl wegen Sozialwidrigkeit angefochten.

Es ist davon auszugehen, dass der Kl innerhalb von zwölf Monaten keinen vergleichbaren Arbeitsplatz finden kann. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 % wird es ihm möglich sein, ein monatliches Durchschnittseinkommen von zumindest € 800,- netto zwölfmal jährlich aus selbstständiger Tätigkeit erzielen zu können.

Das Erstgericht gab der Kündigungsanfechtungsklage des Kl unter dem Titel der Sozialwidrigkeit statt. Bei einer Weiterbeschäftigung um zwei Jahre könne der Einkommensverlust durch höhere Pensionsleistung um knappe 10 Prozentpunkte verringert werden. Zudem sei es der Bekl nicht gelungen zu beweisen, dass die Kündigung zu einer Kostensenkung führen würde, weshalb die Betriebsbedingtheit verneint wurde.149

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung keine Folge. Zwar seien im Einkommensvergleich auch die (vom Erstgericht nicht berücksichtigten) Zinserträge aus der Abfertigung ins Kalkül zu ziehen, im Ergebnis sei dem Erstgericht jedoch zuzustimmen, dass bei einem Nettopensionsbezug von € 2.812,- und einem Lebenserhaltungsaufwand von € 2.500,- eine maßgebliche Beeinträchtigung der Interessen des Kl bescheinigt ist. Da weder personenbezogene Gründe vorliegen noch erweisbar gewesen sei, ob und in welchem Umfang die Kündigung zu Einsparungen geführt hätte, sei eine Rechtfertigung der Kündigung nicht gelungen.

Der OGH befand die außerordentliche Revision des Bekl für zulässig und auch für berechtigt.

Grundsätzlich sei bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension der Kündigungsschutz zwar nicht generell und jedenfalls auszuschließen, doch wäre jedenfalls aufgrund der vom Gesetzgeber tolerierten Einkommenseinbußen und der Vorhersehbarkeit der Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen. Da es keine absolute Prozentgrenze an Einkommenseinbuße gibt, bei deren Überschreiten eine soziale Interessenbeeinträchtigung indiziert ist, komme es im Wesentlichen darauf an, ob der AN seine Lebenshaltungskosten aus der Pension oder sonstigen Quellen decken kann. Das ist nach Ansicht des OGH bei AN, die ein Einkommen erzielen, das deutlich über der Höchstbemessungsgrundlage liegt, jedenfalls dann zu bejahen, wenn sie die mögliche „Höchstpension“ beziehen. Eine Summe, die der Sozialrechtsgesetzgeber als höchstzulässige Pensionshöhe ansieht, könne nicht als „sozialwidrig“ angesehen werden.

Im konkreten Fall würden dem Kl bei einem Einkommensverlust von 33 % nach Bedienung seiner Lebenshaltungskosten monatlich noch € 312,- verbleiben, ohne dass er überhaupt aus möglicher selbstständiger Tätigkeit Nebeneinkünfte erzielen müsste. Darüber hinaus verweist der OGH darauf, dass die vom Kl bezogene (ASVG- und Betriebs-)Pension über der Höchstpension nach dem ASVG liegt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ein vom Sozialrechtsgesetzgeber angenommener Grenzbetrag für die Regelpension, den der AN im Normalfall nicht mehr beeinflussen kann, trotz der gebotenen subjektiven Betrachtungsweise eine Grenze der Sozialwidrigkeit bedeutet.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Aus der Begründung der E des OGH geht hervor, dass sich der Kl auch auf eine Diskriminierung wegen des Alters berufen hat.
Unter Bezugnahme auf die Rsp des EuGH, wonach es einem legitimen Ziel entspricht, aus beschäftigungspolitischen Gründen AN mit Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters zu kündigen, um auch jüngeren AN den Eintritt in das Berufsleben zu erleichtern oder eine ausgewogene Altersstruktur zu erreichen, sprach der OGH unter Hinweis auf Vorjudikate erneut aus, dass diese Grundwertungen von ihm geteilt werden. Die Kündigung bei Erreichen des Regelpensionsalters stelle auch im konkreten Fall keinen Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters dar.