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Rechtsfolgen einer unvollständigen Zielbonusvereinbarung

ELIASFELTEN

Sofern über die Höhe eines nachträglichen Bonus keine andere Einigung erzielt wird, kommt ein Rückgriff auf § 1152 ABGB in Frage („angemessenes Entgelt“), bei dem die von den Parteien in Aussicht genommene Bonushöhe beachtlich sein wird.

Soweit es für die Bonuszahlung auf die Festlegung von bonusrelevanten Parametern und Zielen für das künftige Geschäftsjahr ankommen sollte, sind die Rechtsfolgen einer Rahmenvereinbarung zu prüfen, die die jährliche Festlegung konkretisierender Ziele vorsieht, eine solche jedoch nicht zustande kommt. Es ist zu fragen, was die Parteien für einen solchen Fall vereinbart hätten.

SACHVERHALT

Der Kl war von Jänner 2008 bis 30.9.2011 CEO der Bekl. In den mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bekl geführten Einstellungsgesprächen strebte der Kl ein Jahresgehalt in Höhe von € 180.000,- an. Der Vorstandsvorsitzende und er vereinbarten schließlich ein Fixum von € 150.000,- und einen jährlichen Bonus in Höhe von 20 % des Jahresgehalts, dessen zugrunde liegende Parameter bzw Ziele jedes Jahr neu festgelegt werden sollten. Da sich die Bekl in einer wirtschaftlichen Krise befand, war es Aufgabe des Kl, das Unternehmen zu sanieren und zu restrukturieren, sohin auf Dauer einen „Turnaround“ herbeizuführen. Bei einer nachhaltigen und langfristigen Neuaufstellung der involvierten Gesellschaften und einer deutlichen Verbesserung in der Unternehmensentwicklung sollte der Kl dann seinen Bonus erhalten. Da die Bekl aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage einen Sanierungsfall darstellte, durchgehend Verluste schrieb und konkret durchzuführende Maßnahmen zur Sanierung noch nicht ausformuliert bzw bekannt waren, wurden von der Bekl zunächst keine konkreteren Zielvereinbarungen bzw Parameter für eine Bonuszahlung vorgegeben. Dies war auch bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses des Kl nicht der Fall. Der Kl begehrte daraufhin klagsweise die Bonuszahlungen für die Jahre 2010 und 2011 ein.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dem Grunde nach statt. Die Vertragsparteien hätten die Zahlung eines Bonus in Höhe von 20 % des Jahresgehalts vereinbart. Die Zahlung des Bonus sei nicht an ein rechnerisches Ergebnis angeknüpft worden. Da somit ein jährlicher fixer Bonus vereinbart worden sei, bestehe der Anspruch des Kl auf die Bonuszahlungen für die Jahre 2010 und 2011 dem Grunde nach zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Da dem Kl bei Abschluss des Dienstvertrags konkret ein jährlicher Bonus von 20 % des Jahresgehalts bei Erreichung jährlich neu festzulegender Ziele zugesichert worden sei und es die Bekl verabsäumt habe, entsprechende Zielvereinbarungen mit dem Kl zu treffen, bestehe sein Anspruch dem Grunde nach zu Recht. Dagegen erhob die Bekl Revision beim OGH.

Der OGH hielt die Revision der Bekl für berechtigt und verwies die Rechtssache zur entsprechenden Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

2. Für die Frage, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf die begehrten Bonuszahlungen dem Grunde nach zusteht, kommt es auf die Auslegung der von ihnen getroffenen Vereinbarungen an. […] Der erkennende Senat teilt […] das Verständnis des Berufungsgerichts, dass in einer Gesamtsicht der mit dem Kläger geführten Gespräche und des schriftlichen Dienstvertrags die Absicht der Parteien darauf gerichtet war, dass dem Kläger dann, wenn der ‚Turnaround‘ geschafft ist, grundsätzlich jährlich eine Bonuszahlung zustehen sollte, die Details dafür aber jeweils abhängig vom Budget und dem erzielten Ergebnis der Gruppe einvernehmlich festgelegt werden sollten. […] Aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers konnte der Kläger daher annehmen, dass ihm bei erfolgreicher210Sanierung dem Grunde nach ein Bonus gewährt wird, die Höhe des Bonus jedoch einer jährlichen Abrede bedurfte. Dass ihm im vorliegenden Fall 20 % des Jahresfixgehalts als Bonus in Aussicht gestellt wurden, kann dabei nur im Sinn eines Orientierungswerts dahin verstanden werden, dass der Bonus diese Höhe nach Möglichkeit erreichen sollte.

3. Im konkreten Fall geht aus der mündlichen und schriftlichen Vereinbarung weiter hervor, dass für den Bonus einerseits Parameter und Ziele festgelegt werden sollten, was auf den Zweck des Bonus im Sinn eines Anreizes für Leistungen im künftigen Geschäftsjahr schließen lässt. Andererseits sollte der Kläger aber auch bei einer deutlichen Verbesserung in der Unternehmensentwicklung ‚dann seinen Bonus erhalten‘, wodurch der Bonus für jenes Jahr als nachträgliche Belohnung für das Erreichen dieses Zieles gedacht ist. Dies ist von Bedeutung, weil die Beklagte nicht gehalten war, Parameter und Ziele für das künftige Geschäftsjahr festzulegen, wenn zu dessen Beginn noch nicht feststand, ob der Sanierungserfolg schon erzielt wird. Dafür kam nur ein Bonus im Sinn einer nachträglichen Belohnung in Betracht.

4. Wie dargelegt, hatte die Bonusgewährung zunächst das Erreichen des ‚Turnaround‘ zur Voraussetzung. Zur Beurteilung dieser – den Grund des Anspruchs betreffenden – Frage liegen noch keine Feststellungen vor. Der Sachverhalt steht insoweit auch nicht außer Streit […].

5. Sollte eine nachhaltige Sanierung vorliegen, ist für das weitere Verfahren Folgendes zu erwägen:

Die Gewährung eines nachträglichen Bonus bedarf keiner Festlegung von Parametern und Zielen. Sofern über dessen Höhe keine andere Einigung erzielt wird, kommt ein Rückgriff auf § 1152 ABGB in Frage (‚angemessenes Entgelt‘), bei dem hier die von den Parteien in Aussicht genommene Bonushöhe von 20 % des Jahresfixums beachtlich sein wird.

6. Soweit es für die Bonuszahlung auf die Festlegung von bonusrelevanten Parametern und Zielen für das künftige Geschäftsjahr ankommen sollte (etwa dann, wenn 2010 nachhaltig der ‚Turnaround‘ herbeigeführt wurde und für 2011 eine entsprechende Vereinbarung zu treffen gewesen wäre), sind die Rechtsfolgen einer Rahmenvereinbarung zu prüfen, die die jährliche Festlegung konkretisierender Ziele vorsieht, eine solche jedoch nicht zustande kommt.

7. Die Rahmenzielvereinbarung selbst ist hier nicht ausreichend bestimmt und auch nicht bestimmbar (‚Abhängigkeit vom Budget‘, ‚Ergebnis der Gruppe‘), um bereits als solche Rechtsfolgen auszulösen. […].

8. Bei einer Verletzung der Verhandlungspflicht oder dem Scheitern von Verhandlungen fehlt es in der Folge zwar an einer konkreten Zielvereinbarung. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt, bedeutet dies aber nicht, dass der Rahmenzielvereinbarung keinerlei rechtliche Bedeutung zukäme […]. In der Literatur wird vielmehr aus der (rahmen-)vertraglichen Verhandlungs- und allenfalls Abschlusspflicht für Einzelzielvereinbarungen auf die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen hingewiesen, sofern den Arbeitgeber an der mangelnden Zielfestsetzung ein Verschulden trifft (Felten, aaO; idS auch BAG 10 AZR 97/07). […].

9. Die Voraussetzungen und Folgen eines Schadenersatzanspruchs sind hier jedoch nicht näher zu erörtern. Denn ungeachtet dessen, dass sich der Kläger für seine Ansprüche nicht auf einen entsprechenden Schaden gestützt hat, ist in Bezug auf eine Bonuszahlung in erster Linie der Parteiwille maßgeblich, wofür im Fall einer unbewussten Vertragslücke auf die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zurückzugreifen ist. […]

10. In Fällen wie dem vorliegenden liegt eine ergänzungsbedürftige Lücke nicht darin, dass die Vertragspartner in der Rahmenvereinbarung noch keine Ziele für die Bonuszahlungen festgelegt haben, wollten sie davon doch bewusst absehen und sie jährlichen Zielvereinbarungen vorbehalten. Unbewusst ungeregelt blieben vielmehr die Folgen der Verletzung einer Verhandlungspflicht bzw das Scheitern von Verhandlungen über die Zielvereinbarung, sodass zu fragen ist, was die Parteien für einen solchen Fall vereinbart hätten.

11. Dafür lassen sich keine allgemeinen Aussagen treffen, weil je nach den Umständen des Falls verschiedene vertragliche Ergänzungen in Frage kommen können, so etwa die Weitergeltung einer bestehenden Vereinbarung des Vorjahres, der Rückgriff auf einen Durchschnitts- oder einen Zweifelswert (vgl Schima, Der Aufsichtsrat als Gestalter des Vorstandsverhältnisses [2016] 201), die Festlegung von Parametern durch Dritte etc. In jedem Fall wird dabei zu berücksichtigen sein, dass es den Interessen der Vertragspartner entsprach, die Parameter und Ziele der Bonuszahlung im Einvernehmen festzulegen. Das wird für gewöhnlich gegen eine ergänzende Vertragsauslegung sprechen, die nur die Interessen eines Vertragspartners (unrealistisch hohe bzw niedrige Parameter) oder beliebige Ziele im Auge hat, weil bei solchen meist von vornherein keine Zustimmung des anderen Teils zu erwarten ist. Eine an den Interessen der Vertragspartner sowie an Treu und Glauben orientierte Auslegung kann aber auch zur Akzeptanz eines ‚angemessenen‘ Bonus iSd § 1152 ABGB führen, der gegebenenfalls an der in Aussicht genommenen Bonushöhe – hier 20 % des Jahresfixums – orientiert werden kann, wenn keine dagegen sprechenden Umstände aufgezeigt werden.211

12. Diesbezügliche Feststellungen betreffen die Höhe der Bonuszahlung und werden nach Maßgabe des weiteren Verfahrens zu treffen sein. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium erweist sich aber, wie dargelegt, schon die Fällung eines Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs des Klägers auf eine Bonuszahlung als verfrüht, weil der Sachverhalt noch keine Beurteilung erlaubt, ob die Voraussetzung der Herbeiführung eines ‚Turnaround‘ erfüllt wurde.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH hatte sich im vorliegenden Verfahren mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein AN Anspruch auf Bonuszahlungen hat, wenn ihm dies bei der Einstellung für den Fall der Unternehmenssanierung dem Grunde nach zugesagt worden ist, gleichzeitig aber vereinbart wurde, dass der Bonus vom Erreichen bestimmter Ziele abhängt. Nach Ansicht des Gerichtshofs kann dies nur anhand der konkreten Vereinbarung – im Wege der Vertragsauslegung – beantwortet werden. Da diese jedoch in den entscheidenden Punkten zu unbestimmt war, verwies der OGH die E an die erste Instanz zurück. Deren Aufgabe ist es nun, die maßgeblichen Feststellungen zu treffen, um ermitteln zu können, was die Parteien vereinbaren wollten.

Auf Grund der getroffenen Vereinbarung war nämlich unklar, für welchen Fall überhaupt ein Bonus gebühren sollte. So wurde im Einstellungsgespräch einerseits vereinbart, dass die Sanierung des Unternehmens („Turnaround“) die Zahlung auslösen soll. Andererseits einigten sich die Parteien im schriftlichen Dienstvertrag darauf, dass der AN als Geschäftsführer einen Bonus erhält, der individuell für jedes Jahr separat vereinbart wird und vom Budget sowie den erzielten Ergebnissen abhängt. Aus der getroffenen Vereinbarung geht also nicht eindeutig hervor, ob es für die Bonuszahlung ausreicht, dass eine nachhaltige Sanierung vorliegt oder ob zusätzlich noch die Erreichung zuvor individuell vereinbarter Ziele nachgewiesen werden muss.

Das Berufungsgericht interpretierte die Vereinbarung so, dass zwar die nachhaltige Unternehmenssanierung einen Anspruch auf Bonuszahlung dem Grunde nach auslöst, die Höhe der Bonuszahlung jedoch auf Grund individueller Vereinbarungen anhand konkreter Ziele für jedes Jahr gesondert festzulegen sei. Dieser Sichtweise schloss sich der OGH an. Da aber nicht einmal feststand, ob überhaupt der „Turnaround“ erreicht wurde, konnte der Gerichtshof nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern musste das Verfahren an die erste Instanz zurückverweisen, damit diese die erforderlichen Feststellungen trifft.

Das Erstgericht muss also im weiteren Verlauf des Verfahrens in einem ersten Schritt ermitteln, ob es überhaupt zu einer nachhaltigen Sanierung des Unternehmens gekommen ist. Wenn dies zu bejahen ist, hängt die weitere Entscheidungsfindung davon ab, ob dadurch bereits der Anspruch auf Bonuszahlung ausgelöst wird. Konkret muss also das Erstgericht Feststellungen dazu treffen, ob die Vereinbarung der Parteien darauf gerichtet war, dem AN eine nachträgliche Belohnung für die nachhaltige Sanierung des Unternehmens zu gewähren. Sollte dies der Fall sein, so ist ein Anspruch des AN dem Grunde nach zu bejahen. Unklar ist dann nur noch, in welcher Höhe der Bonus zusteht. Der OGH vertritt die Ansicht, dass in diesem Fall die Bonushöhe jedenfalls nicht von konkreten Zielen und Parametern abhängt. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung sei vielmehr auf § 1152 ABGB zurückzugreifen und ein angemessenes Entgelt dem Bonusanspruch zu Grunde zu legen. Dabei könne man sich an der ursprünglichen Vereinbarung in Höhe von 20 % des Jahresfixums orientieren.

Sollte das Erstgericht hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass nach dem Willen der Parteien der Bonus als Anreiz für Leistungen in künftigen Geschäftsjahren gedacht war und folglich nur dann bestehen sollte, wenn zusätzlich zuvor individuell vereinbarte Ziele erreicht worden sind, so müsse ermittelt werden, welche Rechtsfolge die Parteien für den Fall vorgesehen hätten, dass eine solche individuelle Zielvereinbarung nicht getroffen worden ist. Denn nach den Feststellungen steht außer Streit, dass zu keinem Zeitpunkt konkrete Ziele bzw Parameter für eine Bonuszahlung vereinbart worden sind. Oder anders ausgedrückt: Das Erstgericht muss der Frage nachgehen, was die Parteien für den Fall vereinbart hätte, dass sich eine Partei weigert, Verhandlungen über die Vereinbarung von Zielen zu führen, oder eine Partei die zugesagte Zielvereinbarung scheitern lässt. Auch hier dient nach Ansicht des OGH § 1152 ABGB als Orientierungsmaßstab. Dh, dass – sollten keine anderen Anhaltspunkte bestehen – den Parteien wohl unterstellt werden kann, dass sie ein angemessenes Entgelt und damit die ursprünglich in Aussicht gestellte Bonushöhe von 20 % des Jahresfixums zur Grundlage einer solchen Vereinbarung gemacht hätten.212