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Keine Voraussetzung einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Ablehnung für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung

WOLFGANGKOZAK

Eine ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). Allerdings setzt der Diskriminierungstatbestand der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 voraus, dass durch das der sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person geschaffen oder dies bezweckt wird.

SACHVERHALT

Die Kl war über zwei Jahre beim bekl Verein als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Nachdem sie das Arbeitsverhältnis aufgrund221einer Auseinandersetzung über eine Urlaubsgewährung beendete, begehrte sie Schadenersatz aufgrund der erfolgten sexuellen Belästigung durch den Obmann des Vereines. Dieser bediente sich im Arbeitsverhältnis eines lockeren, teils freizügig-scherzhaften, teils mit einem sexuellen Unterton konnotierter Bemerkungen, auf den die Kl einstieg und diese Art der Kommunikation auch erwiderte.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Kl brachte nach dem Prozessverlust in zweiter Instanz außerordentliche Revision ein. In ihrer außerordentlichen Revision bekämpft sie die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Verhalten des Obmanns der Bekl nicht den einen Schadenersatzanspruch begründenden Tatbestand der sexuellen Belästigung iSd §§ 6, 12 Abs 11 GlBG erfüllt habe. Das OLG ging nämlich von einer geringen Intensität der sexuellen Belästigung durch den Obmann der Bekl aus und begründete das abweisende Urteil überdies damit, dass die Kl deshalb ihrer Ablehnungsobliegenheit nicht nachgekommen sei und somit das subjektive Element des Belästigungstatbestandes nicht erfüllt sei. Die außerordentliche Revision wurde vom OGH zurückgewiesen. Aufgrund der Einzelfallbezogenheit der Frage, ob ein Verhalten die Kriterien einer sexuellen Belästigung gem § 6 Abs 2 Z 1 GlBG erfüllt, liege keine erhebliche Rechtsfrage vor. Darüber hinaus sei das OLG Wien als Berufungsgericht keiner krassen Fehlbeurteilung unterlegen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„Der erkennende Senat ist nicht der Ansicht, dass die Intensität der Äußerungen und Bemerkungen des Obmanns des Beklagten objektiv noch gering war. Die Annahme einer allgemeinen Ablehnungspflicht der belästigten Person wird im einschlägigen Schrifttum (Posch in

Rebhahn
, GlBG §§ 6–7 Rz 26 ff; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 26) zutreffend verneint. Dort angestellte abschwächende Überlegungen zu einer wenn auch eingeschränkten ‚Ablehnungsobliegenheit‘ belästigter Personen sind im Ergebnis aber nicht zielführend, – vor allem, wenn man Obliegenheiten als ‚Rechtspflichten minderer Art‘ (Koziol-Welser/Kletecka, Bügerliches Recht I14 Rz 169) oder als ‚Verhaltensregeln‘ (Bollenberger in KBB4 § 859 Rz 5) qualifiziert – werden doch ‚Ablehnungsobliegenheiten‘ von potentiellen Belästigern nur allzu leicht als Rechtfertigung ihrer Aktivitäten missbraucht oder missverstanden. […]

Eine allenfalls erfolgte Ablehnung eines Verhaltens kann natürlich im Einzelfall ein Element des zu beurteilenden Sachverhalts sein, das ebenso wie eine allfällige Zustimmung zu einem Verhalten, je nach Vorbringen der Parteien, bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen zu bewerten ist. […]

Da im konkreten Fall nach der Art der Kommunikation zwischen der Klägerin und dem Obmann des Beklagten nicht zutage liegt, dass sein Verhalten eine für die Klägerin einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt bezweckt oder auch nur geschaffen hätte, ist es hier im Ergebnis noch vertretbar, wenn das Berufungsgericht den Tatbestand des § 6 Abs 2 Z 1 GlBG nicht als erfüllt ansah. […]“

ERLÄUTERUNG

Der OGH zeigt in gegenständlicher Revisionszurückweisung zwei zentrale Punkte zum Thema der sexuellen Belästigung iSd GlBG auf: Zum einen hält er ausdrücklich fest, dass es zur Geltendmachung der Ansprüche aus einer sexuellen Belästigung nicht darauf ankommt und ankommen kann, dass die belästigte Person zuvor die Unerwünschtheit dieses Verhaltens zum Ausdruck gebracht hat. Eine allgemeine Ablehnungspflicht existiert daher nicht. Ein potentieller Belästiger muss daher seine Handlungen vor deren Ausführung dahingehend prüfen, ob sie iSd GlBG Relevanz haben und als verpönt anzusehen sind, und kann sich nicht im Nachhinein auf eine fehlende ausdrückliche Abwehrreaktion des potentiellen Opfers zu seinen Gunsten stützen.

Zum anderen hält der OGH aber fest, dass im Einzelfall es durchaus eine Rolle spielen kann, ob das Opfer einer solchen unerwünschten Handlung entgegengetreten ist, diese bloß toleriert hat oder, wie im gegenständlichen Fall, aktiv mitgetragen hat.

Da die Kl sich auf die besondere Art und Weise des Kommunizierens des Vereinsobmanns einließ und selbst aktiv erwiderte, ging der OGH davon aus, dass keine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die Kl bezweckt oder geschaffen wurde, die für das Vorliegen einer Belästigung iSd GlBG nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 6 Abs 2 Z 1 insgesamt notwendig ist. Allerdings hielt der OGH auch fest, dass die Äußerungen und Bemerkungen des Obmanns nach seiner Ansicht nach keine geringe Intensität hinsichtlich einer sexuellen Konnotierung aufwiesen. Das reichte jedoch offensichtlich nicht dafür aus, dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung der Rechtslage zu unterstellen. Das wäre jedoch Voraussetzung für eine Aufhebung des Urteils gewesen. So sah der OGH letztlich mit einer anderen Begründung die ablehnende E des OLG im Ergebnis als noch vertretbar an.222