136Keine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung einer Arbeitnehmerin in Elternteilzeit bei Betriebsübergang/Betriebsumstrukturierung
Keine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung einer Arbeitnehmerin in Elternteilzeit bei Betriebsübergang/Betriebsumstrukturierung
Ist es zu einem (teilweisen) Betriebsübergang gekommen, und wird vom AG weder eine Betriebseinschränkung noch eine Betriebsstillegung behauptet, ist ein auf Zustimmung zur Kündigung gerichtetes Klagebegehren nach § 10 Abs 3 MSchG abzuweisen.
Eine AN war seit 1.5.2003 bei einer österreichischen GmbH eines deutschen Mutterkonzerns als Key Account Managerin am Betriebsstandort Salzburg beschäftigt. Anlässlich der Geburt ihres zweiten Kindes nahm sie bis 2.9.2015 Karenz in Anspruch. Fristgerecht gab sie ihre Elternteilzeit ab dem 3.9.2015 bekannt. Der Betriebsstandort Salzburg wurde jedoch in weiterer Folge aufgelöst und das Key Account Management für Österreich auf die deutsche Muttergesellschaft übertragen. Die betroffene AN wurde daher mit 3.9.2015 durch das deutsche Unternehmen vom Dienst freigestellt. Darüber hinaus klagte das deutsche Unternehmen auf Zustimmung des Gerichts zur Kündigung der AN und begründete dieses Begehren da-224mit, dass im April 2014 eine Umstrukturierung im Verkaufsbereich der österreichischen GmbH durchgeführt worden ist; das gesamte Key Account Management am bisherigen Standort (an dem auch die AN tätig war) sei „aufgelöst“ worden und werde seither direkt von Deutschland aus durchgeführt; in Österreich gebe es nur noch einen Schauraum. Mit dieser Umstrukturierung sei auch ein Teilbetriebsübergang verbunden gewesen, wodurch das Arbeitsverhältnis der AN auf den neuen AG in Deutschland übergegangen sei. Diesem sei nunmehr nicht zumutbar, für die AN einen Ersatzarbeitsplatz zu schaffen, daher wären die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 15n iVm § 10 Abs 3 MSchG erfüllt.
Die AN wendete ein, dass der Betrieb weder eingeschränkt noch stillgelegt wurde. Der Standort existiere nach wie vor ohne inhaltliche Veränderung, sie könne daher weiter beschäftigt werden. Darüber hinaus sei die Kündigung rechtsunwirksam. Sowohl im Betrieb der österreichischen GmbH als auch am Betriebssitz des AG in Deutschland bestünden Betriebsräte. Von der Einbringung der Klage auf Zustimmung zur Kündigung wäre jedoch keiner der Betriebsräte verständigt worden.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab und begründeten dies im Wesentlichen damit, dass der AG unstrittig keinen der Betriebsräte von der Klage verständigt habe und demnach die Voraussetzungen für eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung nicht erfüllt sein. Dagegen erhob das klagende deutsche Unternehmen Revision. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass höchstgerichtliche Rsp zu den Fragen fehle, ob der in einem deutschen Betrieb errichtete BR von einer Klage auf Zustimmung zur Kündigung einer dem österreichischen Individualarbeitsrecht unterliegenden AN zu verständigen sei und welche Rechtsfolgen das Unterbleiben der in § 10 Abs 3 MSchG vorgesehenen Verständigung des BR nach sich ziehe.
Der OGH wies die Revision des AG zurück; freilich aus einem anderen Grund. Mangels Betriebsstilllegung bzw Betriebseinschränkung seien die materiellen Voraussetzungen für eine Zustimmung zur Kündigung nach dem MSchG nicht gegeben.
„Die vom Berufungsgericht und der Revisionswerberin aufgeworfenen Fragen des für die Arbeitnehmerin zuständigen Betriebsrats sowie der Rechtsfolgen (s)einer unterbliebenen Verständigung im Sinn des § 10 Abs 3 MSchG wären für die Entscheidung über das Klagebegehren nur dann von Bedeutung, wenn das Vorbringen des Arbeitgebers für eine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung der Arbeitnehmerin ausreichen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. […]
3. Die Klägerin stützt ihr – Ende 2015 erhobenes – Klagebegehren auf gerichtliche Zustimmung zur Kündigung darauf, dass infolge der im Frühjahr 2014 durchgeführten Umstrukturierung des Unternehmens der früheren Arbeitgeberin der Beklagten die Aufgaben des Betriebs, in dem die Beklagte gearbeitet habe, durch die Klägerin (und von Deutschland aus) übernommen worden seien; der bisherige Standort werde hingegen (offenbar seit mehr als eineinhalb Jahren) nicht mehr (in gleicher Form) weiter betrieben. Damit behauptet sie aber einerseits einen (teilweisen) Betriebsübergang bzw einen Übergang des Arbeitsverhältnisses (aus dem sie insbesondere auch ihre Aktivlegitimation ableitet), der jedoch nach den vorstehenden Begriffsbestimmungen eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung der Beklagten nicht rechtfertigen könnte. Andererseits stützt sie sich zwar auf eine Änderung in der Organisationseinheit (am Arbeitsplatz und im Tätigkeitsbereich der Beklagten), sie behauptet jedoch selbst nicht, dass dieser Betriebsteil (Standort) auf Dauer nicht mehr fortbestehen würde, sondern nur, dass dessen Aufgabenbereich nun anders (und insbesondere von dem in Deutschland befindlichen Unternehmen aus) fortgeführt werde. Diesem Vorbringen lassen sich aber ebenfalls keine ausreichenden Tatbestandsvoraussetzungen für eine mögliche Zustimmung zur Kündigung gemäß § 10 Abs 3 MSchG entnehmen, weil damit weder eine Einschränkung noch eine Stilllegung des Betriebs im Sinn des § 10 Abs 3 MSchG behauptet wird. Soweit sich die Klägerin auch darauf stützt, dass der Betrieb, in dem die Beklagte vor ihrer (zweiten) Karenz (und für ihre frühere Arbeitgeberin) tätig gewesen sei, bereits ‚stillgelegt‘ (zu einem bloßen ‚Schauraum‘ umfunktioniert) worden sei, wäre das Klagebegehren – unabhängig von der hier noch ungeklärten Frage der Aktivlegitimation der Klägerin als neue Arbeitgeberin – ebenfalls unberechtigt, weil diesfalls eine gerichtliche Zustimmung zur Kündigung gemäß § 10 Abs 3 vierter Satz MSchG nicht erforderlich wäre.
Auf andere Gründe (wie beispielsweise das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs 4 MSchG) hat die Klägerin ihr Begehren nicht gestützt.“
Die Kündigung einer in Elternteilzeit befindlichen AN kann nach § 10 Abs 1 iVm § 15n MSchG225nur dann rechtswirksam ausgesprochen werden, wenn vorher die Zustimmung des Gerichts eingeholt wird. Auf die Erteilung dieser Zustimmung zielt die vorliegende Klage ab.
Nach § 10 Abs 3 MSchG ist die Zustimmung des Gerichts zur Kündigung nur dann zu erteilen, wenn der AG das Arbeitsverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stilllegung des Betriebes oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb weiter aufrechterhalten kann, oder wenn sich die AN vor dem Gericht mit der Kündigung einverstanden erklärt. Nach Stilllegung des Betriebes ist eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung gem § 10 Abs 3 vierter Satz MSchG nicht erforderlich; sie kann in diesem Fall nicht mehr eingeholt werden.
Eine Betriebsstilllegung iSd § 10 Abs 3 MSchG setzt voraus, dass die Organisationseinheit als solche dauerhaft (nicht nur vorübergehend) nicht mehr fortbesteht (OGH 30.4.1997, 9 ObA 2309/96s; Wolfsgruber in
Die Argumentation der Kl geht nach Ansicht des OGH insb deswegen fehl, da ein – auch nur teilweiser – Betriebsübergang oder ein Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß den relevanten Begriffsbestimmungen eine begehrte gerichtliche Kündigungszustimmung nicht rechtfertigen kann, zumal eine Betriebsstilllegung nur dann vorliegt, sofern ein Betriebsübergang eben gerade nicht gegeben ist. Konkret wurde auch eine konkrete Betriebseinschränkung oder eine bevorstehende Stilllegung des Betriebes (oder Teile davon) nicht behauptet.
Auch das Argument, dass das „Umfunktionieren zu einem Schauraum“ eine bereits erfolgte Betriebsstilllegung darstelle, überzeugte den OGH nicht, da bei einer bereits erfolgten Stilllegung die Zustimmung zur Kündigung durch das Gericht nicht erforderlich und daher das Klagebegehren unberechtigt wäre.
Der OGH ging daher auf die Frage, ob der österreichische BR der österreichischen Tochter-GmbH oder jener des deutschen Mutterunternehmens für die AN zuständig ist sowie auf die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Verständigung nicht mehr näher ein.