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Keine Verminderung der Alterspension gem § 5 Abs 3 APG bei vorangehender abschlagsfreier Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension

FRANJOMARKOVIC
§ § 5 Abs 2 und 3 iVm 6 Abs 1 und 2 APG; § 261 Abs 4 und 7 ASVG

Enthält eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit keine Verminderung der Pensionsleistung, dann vermindert sich auch die daran anschließende, nach Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommene Alterspension nicht.

SACHVERHALT

Die im März 1955 geborene Kl war vom 1.11.1973 bis 31.7.2015 als Verwaltungsangestellte beschäftigt, wobei sie diese Tätigkeit seit 1996 nur noch in Teilzeit ausübte. Mit Schreiben vom 19.6.2015 beantragte sie bei der bekl Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Umwandlung ihrer seit 1.9.1995 bezogenen Berufsunfähigkeitspension in eine Alterspension. Die Gesamtgutschrift auf dem Pensionskonto der Kl zum 1.8.2015 betrug € 21.649,56.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl anerkannte den Anspruch der Kl auf Alterspension ab 1.8.2015, gewährte aber eine um 13,8 % verminderte Leistung in Höhe von € 1.333,-.

Mit der dagegen gerichteten Klage begehrte die Kl eine Alterspension iHv € 1.546,40. Die Bekl habe die Pensionskontoleistung wegen der früheren Inanspruchnahme zu Unrecht um 13,8 % vermindert.231

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pensionsleistung aus eigener PV bestehe, dann gelte nach § 5 Abs 3 APG eine für diese Pensionsleistung geltende Verminderung auch für die hinzutretende Leistung. Die Alterspension sei unter Anwendung des § 6 Abs 1 und 2 APG um 13,8 % zu vermindern.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Begründung, die aufgrund der von Kl neben der Berufsunfähigkeitspension ausgeübten Beschäftigung geleisteten Pensionsbeiträge seien in der Erstgutschrift berücksichtigt worden, so dass die Anwendung der Abschlagsregelung gerechtfertigt sei. Da zu der Frage, ob § 5 Abs 3 APG auch dann zur Anwendung kommt, wenn neben einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit weiterhin eine pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, oberstgerichtliche Rsp fehlt, wurde die ordentliche Revision zugelassen.

In ihrer Revision vertritt die Kl den Standpunkt, dass es zu keiner Verminderung ihrer Alterspension nach § 5 Abs 3 APG kommen könne, weil ihr die Berufsunfähigkeitspension ohne Abschläge gewährt worden sei. Der OGH gab der Revision der Kl Folge und sprach ihr ab 1.8.2015 eine Alterspension in Höhe von € 1.546,40 zu.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…]

3. Der Klägerin gebührt die Alterspension im unverminderten Ausmaß des § 5 Abs 1 APG:

4.1. Es ist unstrittig, dass der Klägerin die Berufsunfähigkeitspension entsprechend der Rechtslage zum Stichtag dieser Pension ohne einen Abschlag (wegen Inanspruchnahme vor dem Erreichen des Regelpensionsalters) gebührte. […]

5.1. Bei einem Pensionsantritt vor dem Monatsersten nach der Erreichung des Regelpensionsalters vermindert sich das Ausmaß der monatlichen Bruttoleistung der Alterspension (§ 5 Abs 1 APG) – abgesehen von den Fällen der Korridorpension und der Schwerarbeitspension – um 0,35 % für jeden Monat des früheren Pensionsantritts (§ 5 Abs 2 APG). Besteht bei Eintritt des Versicherungsfalls ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pensionsleistung aus eigener Pensionsversicherung, ‚so gilt die Verminderung nach Abs 2 für diese Pensionsleistung auch für die hinzutretende Leistung‘ (§ 5 Abs 3 APG).

5.2. Mit der Reglung des § 5 Abs 2 APG soll der Vorteil, den eine versicherte Person durch den früheren Pensionsantritt und damit längeren Leistungsbezug hat, unter Heranziehung versicherungsmathematischer Prinzipien ausgeglichen werden. Der Vorteil besteht darin, dass durch das Vorziehen von Pensionsleistungen im Durchschnitt mehr Pensionsbezüge und damit eine höhere Pensionsgesamtsumme aus dem System lukriert werden kann (Rainer/Pöltner in SV-Komm [166. Lfg 2016] § 5 APG Rz 28). Die Abschlagshöhe von 0,35 % der Leistung pro Monat des früheren Pensionsantritts (= 4,2 % pro Jahr) wurde aus § 261 Abs 4 ASVG idF des BudgetbegleitG 2003, BGBl I 2003/71) übernommen […].

5.3. Der allgemeine Abschlag nach § 5 Abs 2 APG […] ist für die Berechnung der Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension und Erwerbsunfähigkeitspension relevant, weil § 6 APG zunächst auf die Pensionsberechnung gemäß § 5 APG verweist, in der Folge jedoch einige besondere Regelungen betrifft, insbesondere bezüglich der mit der 7. Novelle zum APG (Art 118 Z 1 BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111) eingeführten Begrenzung der Abschlagshöhe mit 13,8 % der Leistung […]. Die gleiche Begrenzung sieht auch § 264 Abs 4 idgF des BudgetbegleitG 2011 vor. […]

6.1. § 5 Abs 3 APG wurde der Regelung des § 261 Abs 7 ASVG idF 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, bereits in der Stammfassung des APG nachgebildet. Sie lautet:

‚(7) Besteht bei Eintritt eines Versicherungsfalles der geminderten Arbeitsfähigkeit oder des Alters ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus eigener Pensionsversicherung, so gilt die Verminderung nach Abs 4 für diese Pension auch für die hinzutretende Leistung.‘

6.2. Zuvor lautete der mit dem ASRÄG 1997 (54. ASVG-Novelle, BGBl I 1997/139) eingefügte § 261 Abs 7 ASVG wie folgt:

‚(7) Bei Anwendung des Abs 4 ist, wenn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Leistung bereits ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine Pension aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung mit Ausnahme von Pensionen aus dem Versicherungsfall des Todes bestanden hat, der Stichtag dieser Pension heranzuziehen.‘ […]

6.6. Nach den Gesetzesmaterialien zum 2. SVÄG 2003 (ErläutRV 310 BlgNR 22. GP 18) sollte ‚durch die Umformulierung des § 261 Abs 7 ASVG […] klarer zum Ausdruck kommen, dass der Abschlag bei Inanspruchnahme einer Pensionsleistung vor dem Regelpensionsalter auch für eine spätere Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)pension oder eine Erwerbsunfähigkeitspension bzw für eine Alterspension heranzuziehen ist (vorausgesetzt, die vorangehende Leistung gebührt noch bei Eintritt des neuerlichen Versicherungsfalls)‘.

6.7. Zu § 261 Abs 7 ASVG idF des 2. SVRÄG2322003 hat der Oberste Gerichtshof Folgendes ausgesprochen:

[…] b) Bezieht die Versicherte bereits eine Eigenpension (Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension, Erwerbsunfähigkeitspension) und beantragt sie eine Alterspension, dann gilt die Verminderung auch für die hinzutretende Leistung, der Abschlag bleibt der (dem) Versicherten (10 ObS 13/12b).

7.1. Rainer/Pöltner […] führen aus, dass nach § 5 Abs 3 APG ein in der Pensionshöhe berücksichtigter Abschlag beibehalten wird, wenn bei Eintritt eines neuen Versicherungsfalls (etwa des Alters) aus eigener Pensionsversicherung bereits eine Pensionsleistung gebührt (etwa aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit). Nehme zum Beispiel eine Person mit zuerkanntem Anspruch auf Invaliditätspension, bei deren Berechnung die Pensionshöhe durch einen Abschlag von 13,8 % der Leistung vermindert worden ist, eine Schwerarbeitspension in Anspruch, so komme nicht der niedrigere Abschlag für die Schwerarbeitspension zur Anwendung, sondern weiterhin der Abschlag von 13,8 % der Leistung. Aber auch bei einem Übergang in eine normale Alterspension sei bei Berechnung der anschließenden Leistung der einmal gelangte Abschlag anzuwenden.

7.2. Der vom Berufungsgericht gebilligten Vorgehensweise des Erstgerichts liegt im Ergebnis die Ansicht zugrunde, bei der Berechnung einer Verminderung der nach Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommenen Alterspension, die an eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit anschließt, sei der Stichtag der früher in Anspruch genommenen Pension heranzuziehen. Diese Ansicht teilt der Oberste Gerichtshof nicht. Eine solche Vorgehensweise ist im APG nicht angeordnet und wurde auch nicht zu § 261 Abs 7 ASVG idF ASRÄG 1997 vertreten […].

7.4. Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung (s Punkt 7.1.) an, wonach § 5 Abs 3 APG nicht anders als § 261 Abs 7 ASVG idF 2. SVRÄG 2003 auszulegen ist, ist doch letzterer Vorbild des § 5 Abs 3 APG. Dieser ist demnach dahin zu verstehen, dass ein in der Höhe der bescheidmäßig zuerkannten Direktpension, die bei Eintritt eines neuen Versicherungsfalls tatsächlich in Anspruch genommen wird, berücksichtigter Abschlag bei der Berechnung der Pensionsleistung aus dem neuen Versicherungsfall zur Anwendung kommt.

7.5. Enthält daher – wie im Fall der Klägerin – eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit keine Verminderung der Pensionsleistung, dann vermindert sich auch die daran anschließende, nach Erreichung des Regelpensionsalters in Anspruch genommene Alterspension nicht. […]“

ERLÄUTERUNG

Mit Erreichen des Regelpensionsalters haben Versicherte die Möglichkeit, die bis dahin bezogene Pensionsleistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit in eine Alterspension umzuwandeln. Das hat den Vorteil, dass ein (weiteres) Erwerbseinkommen neben der Pension nicht zur Kürzung (bzw Streichung) der Pensionsleistung führt. Zuerst soll aber bewirkt werden, dass sich seit dem Stichtag der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit erworbene Versicherungsmonate pensionserhöhend auswirken.

Um den finanziellen Vorteil eines längeren Pensionsbezuges auszugleichen, hat der Gesetzgeber Abschläge für einen vorzeitigen Pensionsantritt normiert. Pro Jahr hat der/die BezieherIn einer vorzeitigen Pension grundsätzlich einen Abzug von 4,2 % in Kauf zu nehmen, wobei dieser für eine Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension mit 13,8 % begrenzt ist. Besteht im Zeitpunkt des Antritts der Alterspension bereits eine verminderte Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension, so ist nach § 5 Abs 3 APG auch die Alterspension entsprechend um diesen Betrag zu vermindern.

Im konkreten Fall hat die Kl eine unverminderte Berufsunfähigkeitspension seit 1.9.1995 bezogen und daneben ein Erwerbseinkommen bezogen. Dadurch wurden Pensionsbeiträge entrichtet und die Pension erhöht. Mit Erreichen des Regelpensionsantrittsalters hat die Kl einen Antrag auf Umwandlung in eine Alterspension gestellt. In einem solchen Fall hat der Pensionsversicherungsträger die Pension auf Grundlage der geänderten Sach- und Rechtslage neu zu berechnen, wobei eine allfällige Verminderung der Berufsunfähigkeitspension gem § 5 Abs 3 APG auch auf die Alterspension anzuwenden ist. Wurde die Berufsunfähigkeitspension aber – wie im vorliegenden Fall – unvermindert bezogen, dann ist auch die daran anschließende Alterspension nicht zu vermindern.233