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Feststellung von Gesundheitsschäden als Folge eines Arbeitsunfalls nach § 65 Abs 2 ASGG auch ohne Stellung eines Leistungsbegehrens zulässig

FRANJOMARKOVIC

Die Kl erlitt am 25.6.2013 bei einem Arbeitsunfall eine Verletzung der rechten Hand. Für den Zeitraum von 4.7.2013 bis 31.1.2014 gewährte die bekl Unfallversicherungsanstalt (AUVA) eine vorläufige Versehrtenrente in Höhe von 20 vH der Vollrente. Die Kl klagte auf Gewährung einer Versehrtenrente auch ab dem 1.2.2014. Nach Vorliegen des vom Erstgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens, aus dem sich ab 1.2.2014 nur mehr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 5 vH ergab, änderte sie das Klagebegehren dahingehend, dass die vom Sachverständigen seiner Beurteilung zugrunde gelegten unfallbedingten Verletzungsfolgen als Gesundheitsstörungen aufgrund des Arbeitsunfalls festgestellt würden. Das Erstgericht wiederholte die Entscheidung der Bekl und wies sowohl das Leistungsbegehren als auch das Feststellungsbegehren ab. Strittig im Revisionsverfahren war lediglich die Frage, ob die Kl ein Feststellungsbegehren nach § 65 Abs 2 Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz (ASGG) stellen kann, obwohl ihr bescheidmäßig eine vorläufige Versehrtenrente zugesprochen und dieser Zuspruch im erstinstanzlichen Urteil wiederholt worden war.

§ 65 Abs 2 ASGG lässt ausnahmsweise das Begehren auf Feststellung der Tatsache, dass zwischen einem Arbeitsunfall und einer Gesundheitsstörung ein kausaler Zusammenhang besteht, zu. Damit haben Versicherte in einem späteren Verfahren den Vorteil, dass sie den Kausalzusammenhang nicht mehr beweisen müssen. Die Vorinstanzen hatten allerdings das rechtliche Interesse der Kl an der Feststellung verneint: Sei vor dem Versicherungsträger bereits ein Leistungsanspruch geltend gemacht und abgelehnt worden, stehe dem Betroffenen (als Minus) die seinem Rechtsstandpunkt entsprechende Feststellungsklage nur offen, wenn eine Leistungsklage nicht in Betracht komme. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, weil einerseits der bekl Versicherungsträger nicht (bloß) ablehnend, sondern vielmehr – wenn auch nur für einen bestimmten Zeitraum – positiv über den Rentenanspruch der Kl entschieden habe und der Kl andererseits ohnedies die Leistungsklage offenstehe, mit der gem § 82 Abs 5 ASGG automatisch ein Eventualfeststellungsbegehren verbunden sei. Auch darüber habe das Erstgericht schon aufgrund des Leistungszuspruchs im Rahmen der amtswegigen Bescheidwiederholung nicht mehr zu erkennen gehabt.

Nach Ansicht des OGH ist dem Feststellungsbegehren aber auch dann stattzugeben, wenn – wie in diesem Fall – gar keine (weitere) Leistung begehrt wird, sondern das Feststellungsbegehren das Hauptbegehren bildet. Hat der Versicherungsträger seinerzeit über das Leistungsbegehren negativ entschieden, so ist ein feststellender Ausspruch über das Bestehen eines kausalen Zusammenhangs zwischen einem Arbeitsunfall (oder einer Berufskrankheit) und einer Gesundheitsstörung dann gerechtfertigt, wenn dieser Zusammenhang zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz gegeben ist. Richtet sich das Klagebegehren inhaltlich nur gegen den „ablehnenden“ Teil des Bescheids und wird im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich der bescheidmäßige Zuspruch „wiederholt“, während im Übrigen das Leistungsbegehren – ebenso wie im Bescheid – abgewiesen wird, erfolgt gar kein Leistungszuspruch für den maßgeblichen Zeitraum (hier ab 1.2.2014), der die Notwendigkeit einer Feststellung beseitigen würde. Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz bestehenden Gesundheitsstörungen, die Folge eines Arbeitsunfalls (oder einer Berufskrankheit) sind, kann nicht „irgendein“ bescheidmäßiger Leistungszuspruch jedes weitere Feststellungsbegehren ausschließen, weil ansonsten der Zweck der Bestimmung, die Verfahrensökonomie, konterkariert würde. Es ist denkbar, dass der Feststellungsentscheidung Gesundheitsstörungen zugrunde liegen, die in einem Zeitraum aufgetreten sind, der außerhalb des Leistungszuspruchs liegt. Mit Verweis auf die E des OLG Graz vom 14.1.2016, 6 Rs 81/15a, stellt der OGH klar: Der von der Kl beschrittene Rechtsweg ist auch ohne Stellung eines Leistungsbegehrens zulässig.234