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Unzulässigkeit der unmittelbaren Ableitung des Fahrtkostenersatzes für die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe aus § 135 Abs 4 ASVG

ALEXANDERDE BRITO

Die in Bad Leonfelden wohnhafte Kl konsultierte verschiedene Ärzte und medizinische Einrichtungen ihres Vertrauens, die ihren Sitz in Linz haben. Die Bekl lehnte den Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit der Begründung ab, dass sich die dem Wohnort der Kl nächstgelegenen geeigneten Vertragspartner in Freistadt befinden und die Entfernung zwischen dem Wohnort der Kl und diesen Vertragspartnern 20 km jeweils nicht übersteige. Eine medizinische Notwendigkeit der Überweisung an Fachärzte mit Ordinationssitz in Linz sei nicht gegeben. Nach den Feststellungen beträgt die Entfernung zwischen Bad Leonfelden und Linz mehr als 30 km, die Entfernung zwischen Ortsmitte Bad Leonfelden und Ortsmitte Freistadt laut amtlichen Straßengraphen unter 20 km.

Gem § 135 Abs 4 ASVG kann im Falle der Notwendigkeit der Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe auch der Ersatz der Reise-(Fahrt-)kosten nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung gewährt werden. Gemäß der Satzung der Bekl werden für Fahrten innerhalb des Ortsgebiets oder wenn die Entfernung zwischen Wohnort und Behandlungsstelle 20 km nicht übersteigt, keine Fahrtkosten ersetzt. Festzuhalten ist vorerst, dass die Satzung eines Versicherungsträgers ihrer Struktur nach eine Verordnung ist. Sind die Voraussetzungen für einen im Gesetz eingeräumten Anspruch – wie hier – in einer Verordnung näher determiniert bzw finden sich in dieser nähere Beschränkungen, ist der Anspruch auf Grundlage der Verordnung zu prüfen. Solange eine wirksame Verordnung besteht, die einen Anspruch ausschließt, ist es unzulässig, unter Übergehung der Verordnung die die Grundlagen der Verordnung bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Anspruchsgrundlage heranzuziehen.

Eine Regelung, die für Fahrten zwischen Wohnort und Behandlungsort von weniger als 20 km gar keinen Kostenersatz vorsieht, wurde als mit240den Anforderungen des § 135 Abs 4 ASVG vereinbar und deshalb aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich angesehen, da sowohl auf die in § 135 Abs 4 ASVG angesprochenen örtlichen Verhältnisse als auch auf den durchschnittlich jedermann zumutbaren Reise-(Fahrt-)kostenaufwand Bedacht genommen wird. Den Kassen als Verordnungsgeber kann es nicht verwehrt sein, im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse als auch die persönlich zumutbaren Reisekostenaufwendungen von einer Pauschalbetrachtung auszugehen und auf den Regelfall abzustellen.

Das Vorbringen der Kl, da Linz von Bad Leonfelden mit öffentlichen Verkehrsmitteln einfacher, rascher und billiger zu erreichen sei als Freistadt, sei die Entfernung zur nächstgelegenen medizinischen Einrichtung (in Freistadt) zweckmäßigerweise nach der aktuell vom öffentlichen Bus vom Wohnort der Kl nach Freistadt zurückgelegten Strecke von 34 km zu bestimmen, zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Dies trifft auch auf die Ansicht zu, dass die Höhe des Reisekostenersatzes „anhand des öffentlichen Verkehrsnetzes“ zu bemessen, also anstelle des in der Satzung vorgesehenen Kilometersatzes an die tatsächlich entstandenen Busfahrtkosten anzuknüpfen sei. Dies würde darauf hinauslaufen, den Fahrtkostenersatz, der dem Grunde nach von den in der Satzung enthaltenen Voraussetzungen abhängt und von der Satzung der Höhe nach begrenzt wird, unmittelbar aus § 135 Abs 4 ASVG abzuleiten. Dies ist aber nicht zulässig.