151

Nur bei fortgesetztem Bezug der Pflegestufe 1 besteht Anspruch auf Pflegegeld in Höhe vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996

ANDREATUMBERGER

Der Kl wurde schon vor dem 1.5.1996 das Pflegegeld der Stufe 1 rechtskräftig zuerkannt. Im Jahr 2013 wurde ihr Pflegegeld der Stufe 4 gewährt. Mit Ablauf des März 2015 bewertete die Bekl den Betreuungsaufwand nur noch mit der Pflegegeldstufe 2. Die gegen diesen Herabsetzungsbescheid gerichtete Klage zog die Kl zurück und schloss mit der Bekl einen Vergleich, nach dem ihr ab April 2015 Pflegegeld der Stufe 2 zustand.244

Auf Grund einer weiteren Besserung ihres Gesundheitszustandes setzte die Bekl mit Bescheid vom 4.11.2015 das bisher gewährte Pflegegeld der Stufe 2 ab 1.1.2016 auf Pflegegeld der Stufe 1 herab. Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Klage mit dem Hauptbegehren auf Pflegegeld (zumindest) der Stufe 2 und hilfsweise auf Pflegegeld der Stufe 1 in Höhe von monatlich € 203,10.

Im Revisionsverfahren ist nur noch die Frage des erhöhten Betrages für die Pflegegeldstufe zu klären. Die Kl vertritt den Standpunkt, es gebühre ihr nach § 47 Abs 1 Satz 3 BPGG das Pflegegeld der Stufe 1 in Höhe von € 203,10, weil sie schon vor dem 1.1.1996 Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 1 und danach durchgehend jeweils zumindest in Höhe der Stufe 1 gehabt habe.

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde der Betrag des Pflegegelds der Stufe 1 von ATS 2.500,- auf ATS 2.000,- reduziert. Als Übergangsbestimmung wurde allerdings festgelegt, dass Personen, denen bereits vor dem 1.5.1996 ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 rechtskräftig zuerkannt wurde, dieses weiterhin in der Höhe von monatlich ATS 2.635,- zu erbringen (zuletzt angepasster Betrag € 207,20) ist.

Die Bekl wendet ein, im Jahr 2014 sei bei der Kl eine wesentliche Änderung des Pflegebedarfs eingetreten, so dass das Pflegegeld neu zu bemessen gewesen sei. Es sei daher die im Jahr 2014 geltende Rechtslage anzuwenden und nicht mehr diejenige Rechtslage, die vor dem 1.1.1996 gegolten habe. Das Pflegegeld der Stufe 1 gebühre demnach gem § 5 BPGG lediglich in Höhe von € 157,30.

Der OGH führt dazu aus, dass bei der Gesetzesauslegung mit der Erforschung des Wortsinns der Norm zu beginnen ist. Der Wortlaut des letzten Satzes des § 47 Abs 1 Satz 3 BPGG legt nahe, dass die Bestimmung nur einen unveränderten und ununterbrochenen Bezug des Pflegegeldes der Stufe 1 erfasst („... ist dieses weiterhin im Betrag von ... zu erbringen“). Dennoch liegt auch diejenige Auslegung noch innerhalb des möglichen Wortsinns, nach der auch nach einem vorübergehenden Bezug einer höheren Pflegegeldstufe bei einer späteren Herabsetzung die „geschützte“ Höhe der Stufe 1 zu gewähren ist. Es bedarf also in einem weiteren Schritt einer Auseinandersetzung mit dem Sinn der Bestimmung. Mit der Übergangsbestimmung sollten Personen, die Pflegegeld der Stufe 1 bereits vor dem 1.5.1996 bezogen haben, vor einer Kürzung geschützt werden.

Im vorliegenden Fall wurde das Pflegegeld wegen einer Änderung des Pflegebedarfs nach § 9 Abs 4 BPGG neu bemessen und somit ein neuer Stichtag ausgelöst. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass anlässlich der Erhöhung auf die Stufe 4 die damals für diese Pflegegeldstufe geltende Rechtslage, bei der Herabsetzung auf die Stufe 2 die zum 31.3.2015 geltende Rechtslage und bei der Herabsetzung auf die Stufe 1 mit 1.1.2016 die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage zur Anwendung kommt. Der Kl steht daher Pflegegeld der Stufe 1 lediglich in Höhe von € 157,30 zu.