StögerUnionsrechtliche Aspekte des Anspruchs auf Familienbeihilfe

Verlag des ÖGB, Wien 2016, 104 Seiten, € 29,90

HELGAHESS-KNAPP

Eine der vier Grundfreiheiten innerhalb der EU ist die Personenverkehrsfreiheit. Sie erlaubt es den UnionsbürgerInnen, innerhalb der EU zu- und abzuwandern und eine Arbeit anzunehmen. Damit die AN überhaupt von der AN-Freizügigkeit Gebrauch machen können, brauchen sie Rechtssicherheit und Fairness bei der sozialen Absicherung für sich und für ihre Angehörigen. Zur Sicherstellung dieser Absicherung haben sich die Mitgliedstaaten dabei auf das Beschäftigungsstaatsprinzip und das Gebot der Gleichbehandlung von AN und Selbstständigen gegenüber Staatsangehörigen des Beschäftigungsstaates geeinigt. Das Recht auf Gleichbehandlung leitet sich vom erwerbstätigen Elternteil ab und umfasst auch die Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat leben können. Immer mehr UnionsbürgerInnen machen von der Möglichkeit Gebrauch, in einem anderen Unionsstaat zu arbeiten und zu leben, und deswegen gewinnt auch das Wissen über die Regelung zur Koordinierung der Sozialsysteme immer mehr an Bedeutung.

Kernmaterie dieses Buches ist es, den PraktikerInnen einen guten Überblick über die Rechtssystematik der Koordinierungsregelungen der VO (EG) 883/2004 und deren Durchführungs-VO (EG) 987/2009 zu bieten und die Systematik, wann welcher Staat vorrangig für Familienleistungen zuständig ist und wann das Wohnstaatsprinzip greift, zu erklären. Die Autorin gibt darüber hinaus einen guten Überblick über die Rsp und erklärt den Inhalt der wichtigsten Urteile des EuGH sowie des VwGH. Interessant ist auch, dass sich die Autorin mit der Entstehung der AN-Freizügigkeit und der damit verbundenen Rechtsentwicklung befasst. Sie beschreibt, dass die AN-Freizügigkeit bereits 1958 als Grundfreiheit betrachtet wurde, wobei für die Sozialleistungen damals noch das Territorialitätsprinzip galt. Dies entsprach aber nicht dem einheitlichen Gedanken des Binnenmarktes. Deswegen wurde später auf EU-Ebene auf das Beschäftigungsstaatsprinzip umgestellt. Adelheid Stöger gibt einen guten Überblick über die Anwendungsbereiche dieser Koordinierungsregeln, die nicht in das innerstaatliche Recht eingreifen, sondern lediglich die Leistungszuständigkeiten der Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ordnen.

Adelheid Stöger befasst sich in ihrem Werk ua auch mit komplexen praxisrelevanten Fragen, wie der Ausgestaltung der Ansprüche der selbstständigen und unselbstständigen PersonenbetreuerInnen, die einen hohen Anteil der leistbaren Altenpflege und -betreuung (24-Stundenpflege) erledigen.

Sie analysiert auch die Frage der Zulässigkeit der Indexierung der Familienbeihilfe nach den Preisparitäten des Wohnstaates der Kinder und der Rechtskonformität dieses Vorschlages, der von der Europäischen Kommission und von RechtswissenschafterInnen sehr unterschiedlich beurteilt wird.

Auch die Frage der sozialen Absicherung Drittstaatsangehöriger wird thematisiert. Adelheid Stöger gibt damit nicht nur den PraktikerInnen einen systematischen und übersichtlichen Praxisratgeber an die Hand, sondern legt darüber hinaus eine längst fällige wissenschaftliche Arbeit vor, welche das europäische Sozialrecht anhand der Familienbeihilfe auch für LaiInnen verständlich macht.

Zu hoffen ist, dass dieses Buch dazu beiträgt, in der Praxis für mehr Rechtsklarheit zu sorgen und Benachteiligung von anderen BürgerInnen der EU sowie von ÖsterreicherInnen bei zwischenstaatlichen Anknüpfungen zu vermeiden. Zudem ist es ein Beitrag, das Bewusstsein iSd Zusammenhaltes innerhalb der EU auch in sozialer Hinsicht weiterzuentwickeln und zu stärken.