10Stufenklage auf Vorlage von Arbeitsaufzeichnungen unzulässig, wenn diese zur Bezifferung des Klagebegehrens nicht erforderlich bzw geeignet sind
Stufenklage auf Vorlage von Arbeitsaufzeichnungen unzulässig, wenn diese zur Bezifferung des Klagebegehrens nicht erforderlich bzw geeignet sind
Die Voraussetzungen für eine Stufenklage fehlen, wenn es den begehrten Arbeitszeitaufzeichnungen iSd § 26 Abs 1 AZG schon an der abstrakten Eignung fehlt, die Bezifferung des Leistungsbegehrens zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern.
Eine Unschlüssigkeit der Klage kann nicht durch nachträgliche Umdeutung des Klagebegehrens und der Rechtsmittelerklärung saniert werden. Es ist aber im Zweifel die Frage, welchen urteilsmäßigen Ausspruch die klagende Partei anstrebt, nicht allein aus dem missglückten Wortlaut des von ihr formulierten Urteilsbegehrens zu beantworten, sondern es ist zu berücksichtigen, was nach dem gesamten Vorbingen ersichtlich gewollt und angestrebt wird.
Die Kl war von 11.8.2011 bis 11.3.2015 bei der Bekl als Arbeiterin in einem Fleischereiunternehmen in Vollzeit beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt. Eine Woche danach forderte die Kl die Bekl schriftlich zur Vorlage aller Arbeitszeitaufzeichnungen seit ihrem Eintritt auf.
Am 10.9.2015 begehrte sie mit einer Stufenklage die Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses und weiters die Zahlung der sich aufgrund dieser Aufzeichnungen ergebenden Kündigungsentschädigung „in voller Höhe, zumindest aber 696,16 EUR
“, weiters die nicht vergüteten Überstunden „in voller Höhe, zumindest im Betrag von 2.273,76 EUR, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur erfolgten Rechnungslegung vorbehalten
“ bleibe.
Die Kl brachte vor, dienstags von 7:00 bis 13:00 Uhr, von Mittwoch bis Freitag von 7:00 bis 13:00 Uhr und von 14:30 bis 19:30 bzw 20:00 Uhr sowie an Samstagen von 6:30 bis 12:30 Uhr und von 13:00 bis 15:30 Uhr bei der Bekl gearbeitet zu haben, dies wären pro Woche „50 bis 52 Stunden
“. Im Durchschnitt habe sie zehn Überstunden pro Woche geleistet. Zusätzliche Stunden habe sie an jedem 24.12. und 31.12., ferner an Montagen in der jährlichen Karwoche gearbeitet.
Die geleisteten Arbeitsstunden notierte sie auf einem Kalender im Betrieb. Die Überstunden seien am Monatsende abgerechnet und bar bezahlt worden, aber nicht auf den Gehaltsabrechnungen aufgeschienen. Die Überstunden wären aber nicht vollständig bezahlt worden, da an Feiertagen nicht geleistete Arbeit als Minusstunden mit den geleisteten Überstunden ausgeglichen worden wäre. Selbst die Stunden, an denen am Begräbnistag des Betriebsinhabers der Betrieb geschlossen war, seien als Minusstunden abgezogen worden.
Die Bekl sei trotz Aufforderung vom 18.3.2015 ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Ausfolgung der Arbeitszeitaufzeichnungen nicht nachgekommen, weshalb die Kl vor deren Erhalt eine Konkretisierung ihres Begehrens nicht möglich sei. Sie gehe „vorläufig“ von 80 unbezahlten Überstunden pro Jahr aus, die für insgesamt drei Jahre ein Überstundenentgelt von € 2.273,76 rechtfertigen würden.
Die Bekl anerkannte einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung in Höhe von € 696,16 brutto. Im Übrigen wäre der Kl eine konkrete Bezifferung eines Leistungsbegehrens schon nach ihrem eigenen Vorbringen ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, sodass eine Stufenklage unzulässig sei. Selbst wenn aber Überstundenentgelt offen wäre, seien die Ansprüche nach § 20 Z 2 KollV für das Fleischergewerbe mangels Geltendmachung binnen drei Monaten nach Entstehen bzw Bekanntwerden verfallen.
Das Erstgericht sprach der Kl die Kündigungsentschädigung fast zur Gänze zu, wies aber das Manifestationsbegehren sowie das „Eventualbegehren“ auf Zahlung von € 2.273,76 brutto ab. Die Kl habe regelmäßige Lohnabrechnungen erhalten, damit sei jeweils die dreimonatige Reklamationsfrist in Gang gesetzt worden. Darüber hinaus bestehe kein privatrechtlicher Anspruch auf Rechnungslegung, weil die Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen nach dem AZG eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung sei. Es wäre der Kl leicht möglich gewesen, die ihr laut Klagserzählung ohnehin bekannte Anzahl der Überstunden konkret anzugeben.
Das Berufungsgericht verpflichtete die Bekl zur Vorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen für den Zeitraum 1.1. bis 11.3.2015. Im Umfang des übrigen Stufenklagebegehrens und des „allfälligen Eventualbegehrens“ hob es das erstgerichtliche Urteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.14
Es führte aus, dass für die Zeit ab 1.1.2015 eine gesetzliche Auskunftspflicht des AG gegenüber dem AN besteht, die auch die Möglichkeit einer Stufenklage eröffne. Die Änderung des § 26 Abs 8 AZG sei offenkundig weder vom Gericht noch von den Parteien bedacht worden, sodass es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung der Aufhebung bedürfe, um der Kl weiteres Vorbringen zu ermöglichen.
Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss und die ordentliche Revision für zulässig, weil die höchstgerichtliche Rsp über die (Un-)Zulässigkeit von Stufenklagen zur Berechnung von DN-Ansprüchen nach der Änderung des § 26 Abs 8 AZG einer Klarstellung bedürfe.
Der OGH gab der Revision der Bekl Folge; dem Rekurs der Bekl gegen den Aufhebungsbeschluss wurde teilweise Folge gegeben.
Das Stufenklagebegehren auf Vorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen für den gesamten Zeitraum des Dienstverhältnisses sowie auf Zahlung eines nach erfolgter Rechnungslegung noch zu beziffernden Betrags, soweit dieser € 2.273,76 brutto übersteigt, wurde abgewiesen. Hinsichtlich des Begehrens auf Zahlung von € 2.273,76 wurde die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen.
„1. Revision
1.1. Gemäß Art XLII EGZPO kann derjenige, der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen oder Schulden anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens Kenntnis hat, mittels Urteils dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens oder der Schulden anzugeben, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind.
Zur Klage ist befugt, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstandes hat. Wenn mit der Klage auf eidliche Angabe des Vermögens die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, das der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die eidliche Angabe über das Vermögen gemacht wurde.
1.2. Über den engeren Wortlaut hinaus wird Art XLII EGZPO auch auf privatrechtliche Rechnungslegungs- und Auskunftsansprüche in Bezug auf Vermögen angewandt […]. Bei Vertragsverhältnissen besteht eine Verpflichtung zur Rechnungslegung insbesondere überall dort, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, und diese Auskunft dem Verpflichteten überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zugemutet werden kann. […]
1.3. Dabei ist der Zweck der Manifestationspflicht zu beachten, und zwar den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Auskunftspflichtigen festzustellen und geltend zu machen, die er ohne Rechnungslegung nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten geltend machen könnte. […]
Eine gesonderte Aufklärung wird daher nicht geschuldet, wenn dem Kläger dasjenige, was er über die Stufenklage in Erfahrung bringen möchte, ohnehin bekannt ist […], oder wenn die begehrte Auskunft offenkundig nicht geeignet ist, die Geltendmachung der Leistungsansprüche zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern. […]
1.4. […] Aus Arbeitszeitaufzeichnungen – im Fall der Klägerin laufende Kalendereintragungen – geht daher die zeitliche Lage und die Anzahl der täglichen Arbeitsstunden hervor. Die Klägerin gesteht zu, dass die solcherart aufgezeichneten Stunden grundsätzlich monatlich abgerechnet und bezahlt wurden. Nur wenn wegen Feiertagen […] Arbeitsstunden entfallen seien, seien diese als Minusstunden von den Überstunden abgezogen und diese Überstunden somit nicht bezahlt worden.
1.5. Von diesem Klagsvorbringen ausgehend fehlen hier aber die Voraussetzungen für eine Stufenklage, weil es den begehrten Arbeitszeitaufzeichnungen iSd § 26 Abs 1 AZG schon an der abstrakten Eignung fehlt, die Bezifferung des Leistungsbegehrens zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern. Weder geht aus bloßen Aufzeichnungen der geleisteten Stunden hervor, welche davon bezahlt wurden, noch welche wovon abgezogen wurden. […]
1.6. […] Da Arbeitszeitaufzeichnungen nach dem eigenen, für die Beurteilung maßgeblichen Vorbringen der Klägerin nichts zur Konkretisierung der offenen Überstunden beitragen könnten, kommt es hier gar nicht darauf an, ob nach § 26 AZG aF für die Zeit vor dem 1.1.2015 ein klagbarer Anspruch auf Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen möglich gewesen wäre.
[…]
1.8. Welcher zusätzliche, für die Konkretisierung des Klagebegehrens hilfreiche Erkenntnisgewinn aus Arbeitszeitaufzeichnungen zu15erwarten wäre, ist daher nicht nachvollziehbar. […]
Insgesamt erweist sich das Rechnungslegungsbegehren als zur Gänze unberechtigt. In diesem Fall ist gleichzeitig das vorbehaltene Zahlungsbegehren abzuweisen. […]
2. Rekurs […]
2.2. Soweit die teilweise Aufhebung des Ersturteils vom Berufungsgericht mit der Notwendigkeit begründet wurde, das vermutlich gestellte Eventualbegehren einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen, wendet die Rekurswerberin grundsätzlich richtig ein, dass eine Unschlüssigkeit der Klage, die sie bereits in erster Instanz gerügt habe, nicht durch nachträgliche Umdeutung des Klagebegehrens und der Rechtsmittelerklärung saniert werden könne. […]
Im Zweifel ist die Frage, welchen urteilsmäßigen Ausspruch die klagende Partei anstrebt, nicht allein aus dem missglückten Wortlaut des von ihr formulierten Urteilsbegehrens zu beantworten, sondern es ist zu berücksichtigen, was nach dem gesamten Vorbringen ersichtlich gewollt und angestrebt wird. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Klagebegehren so zu verstehen wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist; das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Begehren richtig zu fassen. […]
Misst man hier dem im Klagebegehren enthaltenen Konkretisierungsvorbehalt entscheidende Bedeutung zu, wäre von einer einfachen Stufenklage auszugehen, bei der sich die Klägerin bis zur Erfüllung des Manifestationsbegehrens noch auf gar kein konkretes Zahlungsbegehren festgelegt hätte. Diese Auslegung steht mit der Formulierung in Konflikt, dass die Klägerin die bezifferten Beträge ,mindestens‘ beansprucht.
Demgegenüber ist das Erstgericht erkennbar davon ausgegangen, dass die bezifferten Beträge ein Eventualzahlungsbegehren für den Fall darstellen, dass der Stufenklage nicht stattgegeben werden sollte. Gegen diese Auslegung spricht ebenfalls die Verwendung des Wortes ,mindestens‘ und der weitere Inhalt der Klagserzählung, der bei diesen Beträgen von einem unabhängig vom Ergebnis des Auskunftsbegehrens jedenfalls bestehenden, unbedingten Anspruch ausgeht.
Es ist auch zulässig, neben einer Stufenklage ein konkretes, unbedingtes Zahlungsbegehren zu erheben und die Rechnungslegung lediglich zur Konkretisierung eines allenfalls darüber hinausgehenden Anspruchs zu begehren. Berücksichtigt man hier die Klagserzählung, hat die Klägerin ihre betraglich fixierte Kündigungsentschädigung ganz ohne durchschnittlichen Überstundenanteil berechnet und das Überstundenentgelt für die Vergangenheit ohne Überstundenzuschlag. Jedenfalls wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin sich unabhängig vom Stufenklagebegehren bereits in der Lage sah, diese Teilforderungen zu errechnen und sie auch unbedingt zuerkannt haben wollte. […]
2.4. Das Berufungsgericht hat die Verfahrensergänzung bezüglich dieses Zahlungsbegehrens mit der Begründung für erforderlich erachtet, dass die rudimentären Feststellungen zur Beurteilung des vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgrundes des Verfalls nicht ausreichen, weil die Klägerin eine die Frist hemmende Unzumutbarkeit der früheren Geltendmachung iSd § 26 Abs 8 AZG aF behauptet und dazu Beweise angeboten habe, deren Aufnahme ausstehe. Die Frage der Unzumutbarkeit sei nicht mit der Frage der Berechtigung der Stufenklage zu verwechseln. Sollte aufgrund der ergänzten Feststellungen eine Unzumutbarkeit zu bejahen sein, wäre die Verfallsfrist bis zum Wegfall des Hindernisses gehemmt.
Diese Ausführungen sind zutreffend. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht grundsätzlich richtig, erachtet das Berufungsgericht aber die Tatsachengrundlagen noch für ergänzungsbedürftig, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten […].“
Die Revisionsentscheidung verdeutlicht anhand der einleitenden Darstellung des Zwecks des Art XLII EGZPO (Zivilprozessordnung – Einführungsgesetz) den möglichen Anwendungsbereich der Stufenklage. Nur soweit dem Kl die Konkretisierung seines Leistungsbegehrens ohne die begehrten Angaben des AG nicht oder zumindest nur erschwert möglich ist, ist er zur klagsweisen Geltendmachung eines Rechnungslegungsbegehrens legitimiert.
In der E wird diese Voraussetzung hinsichtlich der begehrten Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen zur Ermittlung des Anspruchs auf Überstunden- und Feiertagsentgelt sowie auf Nacht- und Sonntagszuschläge verneint. Die gewünschten Arbeitszeitaufzeichnungen hätten der Kl keinen „Mehrwert“ verschafft, der über das ihr ohnehin Bekannte hinausginge. Sie brachte selbst vor, wann und wieviel sie genau bei der Bekl arbeitete und dass ihr sogar am Monatsende zumindest eine gewisse Anzahl an Überstunden ausbezahlt wurde, wenn diese auch nicht auf den Lohnabrechnungen aufschienen.
Der OGH merkte auch an, dass der Kl noch weitere Anspruchsgrundlagen zur Verfügung gestanden wären, die sie aber nicht genützt16hat. So verwies er auf § 78 Abs 5 EStG 1988, der die Bekl zur Ausstellung detaillierter Lohnabrechnungen verpflichtet hätte, aus denen die Anzahl und die Zuschlagsart der bezahlten Überstunden zu erkennen gewesen wäre. Ebenso wies der Gerichtshof auf § 26 Abs 8 AZG, der – zumindest ab 1.1.2015 – ein selbstständiges Herausgabebegehren auf Arbeitszeitaufzeichnungen ermöglicht. Auch ein solches Herausgabebegehren war nicht Gegenstand der Klage, sodass dessen Voraussetzungen und Rückwirkung nicht weiter zu erörtern waren.
In prozessualer Hinsicht zeigt die vorliegende E eindrucksvoll die negativen Folgen einer mängelbehafteten Formulierung des Klagebegehrens durch die Klagevertretung auf; letzterer ist deshalb die eingehende Befassung mit den zivilprozessualen Bestimmtheitserfordernissen des § 226 ZPO nahezulegen. Der Kl und ihren durchaus berechtigten Ansprüchen wäre ein größerer Erfolg beschieden gewesen, wären ihre eigenen Angaben zu den verrichteten Arbeitszeiten nüchtern durchgerechnet sowie klar und bestimmt gerichtlich geltend gemacht worden. Stattdessen wurde ein nicht erforderliches Rechnungslegungs- samt missverständlichem „Eventual“-Begehren gestellt, was die Kl erst recht in die prozessuale Bredouille gebracht hat.