3Anspruch auf Erstellung von Buchauszügen eines Provisionsbeziehers und Auswirkungen auf den Verfall
Anspruch auf Erstellung von Buchauszügen eines Provisionsbeziehers und Auswirkungen auf den Verfall
Mit einer dem Anspruch auf Erstellung eines Buchauszugs nicht genügenden Vorlage von Provisionsabrechnungen nach § 10 Abs 4 AngG kann die Verpflichtung nach § 10 Abs 5 AngG nicht erfüllt werden.
Im Allgemeinen gehören zum konkreten Inhalt eines Buchauszugs Name und Anschrift des Kunden für jedes einzelne Geschäft, ferner die provisionsrelevanten Angaben über den Inhalt (wie insb Datum, Gegenstand und Umfang, Preis pro Einheit und Gesamtpreis) und die Ausführung desselben (wie insb Gegenstand und Menge der Lieferung, verrechneter Preis, eingegangene Zahlungen). Da der Sinn des Auskunftsanspruchs des provisionsberechtigten Angestellten gerade darin liegt, auch über jene Geschäfte ausreichende Informationen zu erlangen, in denen – auf tatsächlicher oder rechtlicher Ebene – Streit darüber bestehen könnte, ob7sie zu jenen gehören, für die eine Provision gebührt, muss der AG auch nähere Auskunft über die Stornofälle erteilen.
Nach dem KollV für Versicherungsunternehmungen/Außendienst können Provisionsabrechnungen nur binnen zwölf Monaten nach Empfangnahme der Abrechnung schriftlich beanstandet werden. Nicht bemängelte Abrechnungen gelten als genehmigt und sind daher keiner Überprüfung mehr zugänglich.
Der Kl war beim bekl Versicherungsunternehmen von 1.4.2011 bis 31.3.2015 ein Jahr als Lehrling und danach als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem KollV für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmen (KVA). Das Gehalt des Kl bestand aus einem Fixum und einer Provision (Abschluss- und Folgeprovision). Er erhielt von der Bekl monatlich Provisionsabrechnungen, welche Angaben über Namen der Kunden, Polizzennummer, Produktkürzel, Versicherungsdauer, Provisionsbasis (jeweilige Versicherungsprämie), Provisionssatz des Kl an der Provisionsbasis und Anteil aufgrund allfälliger Provisionsteilung zwischen mehreren MitarbeiterInnen sowie Provisionsart (Abschluss- oder Folgeprovision) enthielten.
Der Kl begehrt mit seiner Stufenklage die Herausgabe von Buchauszügen über die von ihm vermittelten Versicherungsverträge und die Bezahlung der sich daraus ergebenden Provisionen. Er habe nach seinem Ausscheiden bei der Bekl nämlich lediglich nicht überprüfbare Abrechnungen hinsichtlich der ihm zustehenden Folgeprovisionen erhalten. Der Kl brachte auch vor, dass der Anspruch auf einen Buchauszug als Hilfsanspruch des Provisionsanspruchs in drei Jahren verjähre. Durch einen KollV könnte das zwingende Recht gem § 10 Abs 5 AngG nicht derogiert werden. Die Bekl hielt der Stufenklage entgegen, dass sie ordnungsgemäß Provisionsabrechnungen gelegt habe, weshalb der Kl keinen Anspruch auf einen Buchauszug habe. Im Übrigen enthielten die Provisionsabrechnungen ohnehin alle wesentlichen Angaben eines Buchauszugs. Außerdem seien allfällige Provisionsansprüche bis 30.5.2014 gem § 11 Abs 2 KVA verfallen, weil der Kl die diesbezüglichen Provisionsabrechnungen nie beanstandet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Vorlage eines Buchauszugs ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und sprach diesem den Anspruch auf Übermittlung von zu ergänzenden Provisionskontenübersichten von Mai 2015 bis August 2016 sowie von Buchauszügen von 1.9. bis 5.10.2016 (Schluss der Verhandlung erster Instanz) zu. Der OGH erachtete die Revision des Kl als zulässig und auch berechtigt. Die Bekl sei schuldig, dem Kl einen vollständigen Buchauszug über die von ihm vermittelten Versicherungsverträge betreffend den Abrechnungszeitraum 1.6.2014 bis 5.10.2016 zu übermitteln. Das darüber hinaus gehende Mehrbegehren des Kl betreffend die Übermittlung eines vollständigen Buchauszugs für den Abrechnungszeitraum 1.6.2012 bis 31.5.2014 wurde abgewiesen.
„1. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung und dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers in der Verhandlung gemeint ist (RIS-Justiz RS0037440; RS0037794 [T1]). Unter Berücksichtigung des gesamten – eingangs dargestellten – Vorbringens des Klägers besteht kein Zweifel, dass der Kläger in seiner Stufenklage von der Beklagten die Übermittlung eines Buchauszugs gemäß § 10 Abs 5 AngG begehrt, um seine bereits erhaltenen Provisionsabrechnungen überprüfen und allenfalls danach noch offene Provisionsforderungen in dem dann zu beziffernden Leistungsbegehren geltend machen zu können. Auch die von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwände gegen das Klagebegehren entsprechen dieser Auslegung des Prozessvorbringens des Klägers.
2. Gemäß § 10 Abs 4 AngG hat der Arbeitgeber eine Abrechnung der bereits fälligen Provisionen vorzunehmen. Neben der Bezeichnung der Geschäfte hat die Abrechnung auch die Zahlungseingänge zu umfassen, soweit davon die Fälligkeit der Provision abhängt (RIS-Justiz RS0028063; Mair in
3.1. Der – nach § 40 AngG zwingende – Anspruch auf Buchauszug nach § 10 Abs 5 AngG dient dem Zweck, dem Angestellten die Möglichkeit zu geben, sich eine Übersicht über die von ihm verdienten Provisionen zu verschaffen und die Provisionsabrechnung zu kontrollieren (9 ObA 43/06y; RIS-Justiz RS0028157; zum8Buchauszug nach § 16 Abs 1 HVertrG: 9 ObA 95/15h; Preiss in ZellKomm2 § 10 AngG Rz 54, 55).
3.2. Dieser Anspruch auf Buchauszug nach § 10 Abs 5 AngG steht zusätzlich und neben dem Rechnungslegungsanspruch zur Nachprüfung des Betrags der dem Angestellten zustehenden Provision zu (zur vergleichbaren Bestimmung des § 16 Abs 1 HVertrG 1993: 8 ObA 22/11k; 9 ObA 95/15h). Der Anspruch kann im Weg einer Stufenklage geltend gemacht werden (8 ObA 213/95; vgl 8 ObA 22/11k; RIS-Justiz RS0035140; Gerlach in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 10 Rz 120; Mair in
Dem Auskunftsberechtigten sind in möglichst übersichtlicher Form alle Informationen zugänglich zu machen, die erforderlich sind, um sämtliche ihm zustehende Provisionsansprüche ermitteln zu können. […]
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten genügen die von ihr bislang vorgelegten Provisionsabrechnungen (Provisionskontoübersichten) iSd § 10 Abs 4 AngG nicht auch den inhaltlichen Anforderungen an einen Buchauszug iSd § 10 Abs 5 AngG, weil darin weder vollständig noch übersichtlich und geordnet all jene Angaben dargestellt werden, die der Kläger benötigt, um die Richtigkeit der Provisionsabrechnungen zu überprüfen. Der Kläger muss sich auch nicht mit einer Nachreichung bzw Ergänzung – so das Berufungsgericht – der für einen vollständigen Buchauszug iSd § 10 Abs 5 AngG fehlenden Teile der Provisionsabrechnung § 10 Abs 4 AngG durch die Beklagte begnügen, weil damit jedenfalls im vorliegenden Fall für den Kläger keine einfache und klare Nachvollziehbarkeit seiner Provisionsansprüche, wie dies bei Vorlage eines gesamten, vollständigen Buchauszugs der Fall ist, gewährleistet wäre (vgl 9 ObA 95/15h). […]
Die Anschrift des Kunden ist zur eindeutigen Identifikation des Kunden erforderlich. Das Datum des Versicherungsantrags und der Vertragsannahme sind ebenso provisionsrelevante Umstände wie die begehrten Angaben im Zusammenhang mit Stornofällen (siehe Punkt 4.). Hingegen sind Angaben über die Ursächlichkeit des Versicherungsmitarbeiters für das Zustandekommen des Vertrags im Buchauszug entbehrlich, weil ohnedies nur die vom Kläger vermittelten Verträge in den Buchauszug aufzunehmen sind. Mangels konkreter Behauptungen des Klägers ist auch nicht ersichtlich, weshalb Angaben über die ihm bereits ausbezahlten Provisionen, die jeweilige Versicherungssumme, die Zahlungsweise der Prämie durch den einzelnen Kunden sowie über die Höhe und Fälligkeit offener Prämien provisionsrelevant und daher zur Überprüfung der Provisionsabrechnungen erforderlich und in den geforderten Buchauszug aufzunehmen wären.
7.1. Nach § 11 Abs 2 KVA können ua Provisionsabrechnungen nur binnen 12 Monaten nach Empfangnahme der Abrechnung schriftlich beanstandet werden. Nicht bemängelte Abrechnungen gelten als genehmigt. […] Erstmals mit der Klage vom 26.6.2015 (Gegenteiliges hat der Kläger nicht behauptet) hat der Kläger die von der Beklagten gelegten Provisionsabrechnungen beanstandet. Die vor dem 26.6.2014 erstellten Provisionsabrechnungen gelten daher nach § 11 Abs 2 KVA als vom Kläger genehmigt. Da die monatlichen Abrechnungen nach den Feststellungen jeweils um den 10. des Folgemonats erfolgten, gelten alle den Zeitraum vor Mai 2014 betreffenden Provisionsabrechnungen als vom Kläger genehmigt und sind daher keiner Überprüfung mehr zugänglich. Der Kläger hat daher in Bezug auf die bereits nach § 11 Abs 2 KVA verfallenen Provisionsansprüche auch keinen Anspruch auf Buchauszug nach § 10 Abs 5 AngG.“
Der OGH legt im vorliegenden Judikat Wert auf die Unterscheidung zwischen dem Anspruch eines AN auf Provisionsabrechnung, welche gem § 10 Abs 4 AngG mangels anderer Vereinbarung mit Ende jedes Kalendervierteljahres zu erfolgen hat und dem Recht des Angestellten auf Mitteilung eines Buchauszuges über die durch seine Tätigkeit zustande gekommenen Geschäfte gem § 10 Abs 5 AngG. Nach Lehre und Rsp hat die Provisionsabrechnung neben der Bezeichnung der Geschäfte auch die Zahlungseingänge zu umfassen, soweit davon die Fälligkeit der Provision abhängt. Da die Provisionsabrechnung nur der Bekanntgabe gegenüber dem Angestellten dient, dass vom AG ein Provisionsanspruch als bestehend anerkannt wird, sind darin auch nur jene Angaben zu fordern, die den Anspruch eindeutig individualisieren. So kann der Angestellte erkennen, welcher Provisionsanspruch vom AG anerkannt wird. Dem gegenüber dient der zwingende Anspruch auf Buchauszug nach § 10 Abs 5 AngG dem Zweck, dem Angestellten die Möglichkeit zu geben, sich eine Übersicht über die von ihm verdienten Provisionen zu verschaffen und die Provisionsabrechnung zu kontrollieren. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichts, der Bekl für gewisse Zeiträume lediglich die Ergänzung der Provisionsabrechnungen aufzutragen, ging dem OGH offenbar nicht weit genug: Der Anspruch auf Buchauszug stehe zusätzlich zum und somit neben dem Rechnungslegungsanspruch zur Nachprüfung des Betrags der dem Angestellten zustehenden Provision zu und könne – wie hier auch erfolgreich – im Weg einer Stufenklage geltend gemacht werden.9
Die vorliegende E bietet einen guten Überblick über den notwendigen Inhalt von die Versicherungsbranche betreffenden Buchauszügen. Im Spruch zählt der OGH auf, was der Buchauszug im aktuellen Fall mindestens zu enthalten hat: Name und Anschrift des Kunden, Nummer der Versicherungspolizze, Versicherungssparte (Lebens-, Kranken-, Sachversicherung), Datum des Versicherungsantrags, Datum der Vertragsannahme, Jahresprämie, Erklärung ob Neugeschäft oder Folgegeschäft, Datum des Versicherungsbeginns sowie des vertragsgemäßen Ablaufs. Im Stornofall: Datum der Stornierung, Stornogrund, Erhaltungsmaßnahmen. Bei sonstiger Beendigung: Gründe für die Beendigung, Höhe und Zeitpunkt der geleisteten Prämien.
Weitere vom Kl begehrte Angaben im Buchauszug, nämlich Ursächlichkeit des Versicherungsmitarbeiters für das Zustandekommen des Vertrages, Versicherungssumme, Zahlungsweise der Prämie, ausbezahlte Provisionen sowie Höhe und Fälligkeit offener Prämien, wurden vom OGH hingegen abgewiesen.
Grundsätzlich verjährt ein Provisionsanspruch und daher auch der Anspruch auf Buchauszug gem § 10 Abs 5 AngG nach der allgemeinen Regelung des § 1486 Z 5 ABGB in drei Jahren. Es ist jedoch gefestigte Rsp, dass diese Verjährungsfrist selbst für nach dem Gesetz zwingende AN-Ansprüche durch Verfallsfristen verkürzt werden kann, wenn dadurch die Rechtsverfolgung nicht übermäßig erschwert wird. Da dies hier vom Kl nicht einmal behauptet wurde, war die in § 11 Abs 2 KVA normierte einjährige Verfallsfrist wirksam.