Verhältnis Berufsunfähigkeitspension zur Wiedereingliederungsteilzeit

MURATIZGI/WOLFGANGPANHÖLZL

Die sogenannte „Aussteuerung“ vom Krankengeld* führt bei einem nach wie vor aufrechten Dienstverhältnis immer wieder zu höchst problematischen Konstellationen. Auf andere Sozialleistungen besteht idR wegen des aufrechten Dienstverhältnisses kein Anspruch. Eine Leistung der AlV kann verweigert werden, wenn es an der Arbeitsfähigkeit gem § 8 AlVG mangelt* und zum anderen Arbeitslosigkeit* nicht vorliegt; eine Invaliditätspension kann zwar bei aufrechtem Dienstverhältnis dem Grunde nach gewährt werden, sie fällt aber nicht an.* In solchen Fällen werden vorübergehend arbeitsunfähige AN veranlasst, ein bestehendes Dienstverhältnis aufzulösen, um die existenzsichernde Sozialleistung in Anspruch nehmen zu können. Dies steht in krassem Gegensatz zum sozialpolitischen Ziel, gerade die Dienstverhältnisse von erkrankten AN aufrecht zu halten, weil für sie – einmal arbeitslos geworden – die Wiedereingliederungsprognose besonders ungünstig ist. In den letzten Jahren ist es dem Gesetzgeber nach Anregung der Sozialpartner gelungen, in einigen Bereichen eine Verbesserung herbeizuführen. So wird der Pensionsvorschuss gem § 23 Abs 4 AlVG bis zum Vorliegen der Gutachten der PV auch bei aufrechtem Dienstverhältnis gewährt, wenn mit Zuerkennung der Leistung zu rechnen ist. Gem § 139 Abs 2a ASVG gebührt nach der Höchstdauer des Krankengeldanspruches (52 Wochen) ein Sonderkrankenkrankengeld für die Dauer eines etwaigen Sozialgerichtsverfahrens, wenn bei aufrechtem Dienstverhältnis ein Invaliditäts-Pensionsantrag abgelehnt wurde. Eine vergleichbare Problematik hat sich durch die Einführung der Wiedereingliederungsteilzeit* ergeben, die erfreulicherweise ohne Zutun des Gesetzgebers durch eine praxisnahe Interpretation und Vollziehung bereinigt werden konnte, wie ein konkreter Fall zeigt. Ein 48-jähriger EDV-Administrator erkrankte an Krebs. Noch vor Auslaufen der 52-wöchigen Höchstbezugsdauer des Krankengeldes stellte er auf Anraten der Krankenkasse (Case-Management) einen Antrag auf Rehabilitationsgeld. Stattdessen wurde ihm überraschenderweise eine unbefristete Berufsunfähigkeitspension gewährt. Diese gelangte jedoch aufgrund des aufrechten Dienstverhältnisses nicht zur Auszahlung. Um die Pension tatsächlich auch zu erhalten, hätte das Dienstverhältnis aufgelöst werden müssen. Weil der AN das nicht wollte, manövrierte er sich auch finanziell in eine bedrohliche Lebenssituation. Nach dem Ende der Chemotherapie und nachdem er einige Monate von seinen Ersparnissen gelebt hatte, war es sein Ziel, zumindest in Teilzeit in die Firma zurückzukehren. Seitens der Gebietskrankenkasse hatte man ihm mit Berufung auf § 142d Abs 3 ASVG mitgeteilt, Wiedereingliederungsgeld käme für ihn grundsätzlich nicht in Frage, weil er einen aufrechten Pensionsanspruch habe. Abgesehen davon müsste er auch arbeitsfähig sein und die sonstigen Voraussetzungen für das Wiedereingliederungsgeld erfüllen. Der Versicherte war dazu bereit, auf seinen Pensionsanspruch zu verzichten. Nach einigen rechtlichen Abklärungen und Interventionen der Arbeiterkammer konnte schließlich erreicht werden, dass generell trotz eines aufrechten Pensionsanspruches Wiedereingliederungsgeld gewährt wird, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei waren als Herausforderung eine noch neue und unübersichtliche Rechtslage im Zusammenspiel mit mehreren Sozialversicherungsträgern zu überwinden. Im Folgenden sollen die wesentlichen Überlegungen, die zur Lösung führten, dargestellt werden.

1.
Anfall der Berufsunfähigkeitspension

Aus pensionsrechtlicher Hinsicht war zu prüfen, ob die Berufsunfähigkeitspension, die dem Versicherten zugesprochen wurde, anfällt, da sein Dienstverhältnis nicht beendet wurde. § 86 Abs 1 Z 2 ASVG bestimmt, dass nach Z 2 „[…] für den Anfall einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit zusätzlich die Aufgabe oder Karenzierung der Tätigkeit, auf Grund welcher der (die) Versicherte als invalid (berufsunfähig, dienstunfähig) gilt, erforderlich ist“.*47

Der Versicherte wollte seine Tätigkeit als EDV-Administrator, aufgrund der er als berufsunfähig gilt, weder aufgeben noch karenzieren, sondern möglichst bald seine Tätigkeit als Teilzeitbeschäftigung wieder aufnehmen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Pension richtigerweise gem § 86 Abs 1 Z 2 ASVG nicht anfällt.

2.
Frage des Pensionsverzichts

Immer wieder stellt sich die Frage, ob man auf eine einmal zuerkannte Pension auch wieder verzichten könne. Dies hat auch der Anspruchswerber überlegt. Die Frage nach dem Verzicht ist die Frage, inwiefern Anspruchsberechtigte grundsätzlich über ihre Leistung verfügen können (Verpfänden, Übertragen etc). Der Verfügbarkeit sind enge Grenzen gesetzt und sie ist nur in jenem Ausmaß gegeben, die das ASVG ausdrücklich einräumt (vgl § 98 ASVG). Sozialversicherungsgesetze beruhen auf dem Gedanken der sozialen Fürsorge, in die der einzelne ohne und gegen seinen Willen einbezogen ist. Der Zweck dieser Fürsorge würde im Falle des Notstandes vereitelt, könnte der Berechtigte unbeschränkt über seinen Anspruch verfügen (vgl Tomandl, System, 2.1.4.1, 5. ErgLfg). Die Sinnhaftigkeit dieser Überlegungen macht der gegenständlich Fall besonders anschaulich. Hätte der EDV-Administrator auf seinen Pensionsanspruch verzichten können und das Wiedereingliederungsgeld wäre in der Folge mangels Arbeitsfähigkeit nicht gewährt worden, stünde er wohl ohne jeglichen Leistungsanspruch dar. Selbst die Mindestsicherung als letztes Auffangnetz wäre fraglich, könnte die Behörde doch vorbringen, er habe zu Lasten Dritter auf einen bestehen Anspruch verzichtet. Insgesamt war die Idee eines Leistungsverzichtes zu verwerfen und auch der Versicherte akzeptierte, dass eine einmal zuerkannte Pension für den Fall eines gescheiterten Arbeitsversuches ein sinnvolles Sicherheitsnetz darstellt.

3.
Anwendbarkeit der Wiedereingliederungsteilzeit

Im Zusammenhang mit der Wiedereingliederungsteilzeit war primär die Frage zu klären, ob eine (unbefristet) gewährte Berufsunfähigkeitspension, die aufgrund des aufrechten Dienstverhältnisses nicht angefallen ist, der Wiedereingliederungsteilzeit entgegensteht.

Eine mögliche Antwort konnte aus der Bestimmung des § 143d Abs 2 ASVG abgeleitet werden. § 143d Abs 1 ASVG bestimmt, dass Personen, die eine Wiedereingliederungsteilzeit nach § 13a AVRAG vereinbart haben, für deren Dauer, jedoch höchstens neun Monate ab dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts, Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld haben. Voraussetzung hierfür ist, dass dieses durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers auf Basis eines im Rahmen der Vereinbarung einer Wiedereingliederungsteilzeit erstellten Wiedereingliederungsplanes für zunächst höchstens sechs Monate bewilligt wurde. Eine Verlängerung bedarf einer neuerlichen Bewilligung. Die ärztliche Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn die Wiedereingliederungsteilzeit medizinisch zweckmäßig ist.

Nach § 143d Abs 2 ASVG haben Personen keinen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld, die Rehabilitationsgeld oder eine Eigenpension aus der gesetzlichen PV beziehen und zwar auch dann, wenn diese Leistung ruht.

Dieser Bestimmung zufolge stellt sich die Frage, ob eine bescheidmäßig gewährte Berufsunfähigkeitspension, welche aus den genannten Gründen nicht angefallen ist, von dieser Bestimmung erfasst wird. Dem reinen Wortlaut nach spricht die Bestimmung von jenen Personen, welche „eine Eigenpension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung beziehen und zwar auch dann, wenn diese Leistung ruht“.

Ruhen bedeutet, dass eine Leistung bezogen wurde, und diese aus unterschiedlichen Gründen, man denke etwa an die Bestimmungen der §§ 89 und 89a ASVG (Leistungsansprüche bei Haft und Auslandsaufenthalt oder des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes etc), bei Fortbestand des Anspruches dem Grunde nach zeitlich beschränkt nicht gewährt wird.*

Daher kann bezogen auf den gegenständlichen Fall nicht die Rede von „Ruhen“ sein. Da in unserem Fall die Berufsunfähigkeitspension aufgrund des aufrechten Dienstverhältnisses gem § 86 ASVG nicht angefallen ist und daher auch nicht bezogen wurde, steht ein bescheidmäßig gewährter Pensionsanspruch dem Bezug von Wiedereingliederungsgeld nicht entgegen. Es ist jedoch die Frage zu klären, ob bei einem aufrechten Pensionsanspruch aufgrund von Invalidität die geforderte Arbeitsfähigkeit für die Wiedereingliederungsteilzeit vorliegen kann. Weiters, ob nicht, wenn die Arbeitsfähigkeit vorliegt, die Pension zu entziehen wäre.48

4.
Arbeitsunfähigkeit aus Sicht der Kranken- und Pensionsversicherung

Die Arbeitsunfähigkeit bzw geminderte Arbeitsfähigkeit wird sowohl in der KV als auch in der PV aus unterschiedlicher Sicht beurteilt, was zur Konsequenz hat, dass bei ein und derselben Erkrankung somit die Arbeitsunfähigkeit in der PV bejaht und in der KV verneint werden kann.*

In der KV wird für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auf die zuletzt ausgeübte bzw arbeitsvertraglich vereinbart konkrete Tätigkeit abgestellt.* Demgegenüber wird die Arbeitsunfähigkeit – Invalidität – in der PV nach § 255 ASVG nach der Verweisbarkeit bzw nach dem Verweisungsfeld des jeweiligen Berufes beurteilt,* die innerhalb der letzten 15 Jahre zumindest 7,5 Jahre ausgeübt wurde. Dies führt dazu, dass in letzter Konsequenz auch bei der Gewährung der Leistung an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft wird.

5.
Vereinbarkeit von Arbeitsfähigkeit für die Wiedereingliederungsteilzeit und einem aufrechten Pensionsanspruch

Im konkreten Fall ist es so, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als EDV-Administrator auch die in den letzten 15 Jahren überwiegend ausgeübte Tätigkeit darstellt, bezüglich der er als invalid gilt. Damit kommt allein dem unterschiedlichen Arbeitsunfähigkeitsbegriff zwischen KV und PV hier keine Bedeutung zu. Entscheidend ist die zeitliche Dimension des jeweils gedeckten sozialen Risikos. Zweck der Arbeitsunfähigkeit in der KV ist es, vor allem kurzfristig und flexibel auf Veränderungen des Gesundheitszustandes zu reagieren. Anders verhält es sich beim Invaliditätsbegriff der PV, der grundsätzlich nur in Frage kommt, wenn die Invalidität zumindest sechs Monate andauert. Das bedeutet im Gegenzug, dass ein Pensionsanspruch auch nicht sofort dann entzogen wird, wenn die Arbeitsfähigkeit kurzfristig wiederauflebt. Demgemäß stehen Arbeitsversuche nicht im Widerspruch zu einer Pensionsleistung und zu einem Pensionsanspruch. Erst dann, wenn sich der Gesundheitszustand stabil verbessert hat, ist die Entziehung einer Leistung gerechtfertigt.

Der Wiedereingliederungsteilzeit kommt an der Schnittstelle der KV und PV eine Brückenfunktion zu. Denn Sinn und Zweck der Wiedereingliederungsteilzeit ist es gerade durch eine Arbeitszeitreduktion die stabile Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu erleichtern und durch die Sozialleistung des Wiedereingliederungsgeldes auch finanziell zu unterstützen.*

Damit steht die Wiedereingliederungsteilzeit nicht nur nicht im Widerspruch zu einem gleichzeitig aufrechten Pensionsanspruch, sondern ermöglicht durch die Erleichterung des Arbeitsversuches die dauerhafte Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und damit und die Entlassung aus dem Schutzbereich der PV. Diese Rechtsansicht wird auch von der Pensionsversicherungsanstalt in der praktischen Vollziehung so gehandhabt; ein Entziehungsverfahren wird grundsätzlich erst nach sechsmonatiger Dauer eines Arbeitsversuches eingeleitet.

6.
Zusammenfassung

Nachdem nach der erfolgreichen Chemotherapie die Arbeitsfähigkeit im Anlassfall gegeben war – aber eben noch nicht stabil – und auch die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld erfüllt waren, wurde von der Wiener Gebietskrankenkasse der Antrag auf Wiedereingliederungsgeld gewährt und der EDV-Administrator konnte seine Beschäftigung im Umfang von 50 % Teilzeit wiederaufnehmen.

Dem sozialpolitischen Ziel einen sanften Wiedereinstieg in den Berufsalltag zu ermöglichen und dadurch die Rückfallwahrscheinlichkeit zu senken, wurde Rechnung getragen, auch wenn im Hintergrund als Sicherheitsnetz für etwa sechs Monate ein Pensionsanspruch steht. Zweifelsohne erfüllt das Rechtsinstitut der Wiedereingliederungsteilzeit so gesehen ein Bedürfnis der Versichertengemeinschaft und füllt folglich eine Lücke zwischen der KV (kurzfristige) und PV (längerfristige) bezogen auf gesundheitsbedingte Ausfälle aus dem Arbeitsleben.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Einführung einer neuen gesetzlichen Regelung (Leistung aus der SV) auch eine besondere Herausforderung für die Vollziehung mit sich bringt. Der gegenständliche Fall zeigt erfreulicherweise, dass trotz der Anfangsschwierigkeiten mit der Wiedereingliederungsteilzeit das Zusammenwirken der Sozialversicherungsträger im Rahmen der (autonomen) Selbstverwaltung im Interesse der Versicherten funktioniert.49