Gantschacher/Jelinek/Schmidl/SpanbergerDatenschutz-Grundverordnung – Kommentar

Sigmund Freud University Press, Wien 2017, 950 Seiten, broschiert, € 378,40

WOLFGANGGORICNIK

Nach mehr als vierjähriger Verhandlung auf europäischer Ebene ist die Europäische Datenschutz-Grundverordnung am 4.5.2016 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden und trat gem deren Art 99 Abs 1 am 24.5.2016 in Kraft. Anwendbar ist sie gem Art 99 Abs 2 ab dem 25.5.2018. Als Europäische Verordnung ist sie in Österreich (und den anderen Mitgliedstaaten der EU) direkt anwendbar. Mittlerweile ist am 31.7.2017 das Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 (ohne die Verfassungsbestimmungen der RV) zur Änderung des DSG 2000 durch das neue „Bundesgesetz zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (DatenschutzgesetzDSG)“ (im Folgenden: DSG 2018) im BGBl kundgemacht worden (BGBl I 2017/120), das gem § 70 Abs 1 DSG 2018 mit Wirkung vom 25.5.2018 in Kraft treten wird und wird dann dieses DSG 2018 anwendbar sein, das die DS-GVO implementieren soll und teilweise von ihren zahlreichen sogenannten „Öffnungsklauseln“ Gebrauch macht.

Da der sorgfältige Rechtsanwender sohin zukünftig einer Kommentierung sowohl der DS-GVO als auch der jeweiligen nationalen Implementierung bedarf, behalten (reine) Kommentierungen der DS-GVO ihren Wert.

Gemäß dem Vorwort der HerausgeberInnen richtet sich die vorliegende Kommentierung an Interessierte in Wissenschaft und Praxis. Diesem Ansatz entsprechend kommen die AutorInnen auch aus verschiedenen Bereichen: aus Unternehmen, der Anwaltschaft, dem akademischen und dem öffentlichen Bereich und nicht zuletzt aus der Datenschutzbehörde (und zwar gleich sieben an der Zahl inklusive der Behördenleiterin Dr. Andrea Jelinek). Die dem Kommentar sicherlich zum Vorteil gereichende Mitwirkung der Bediensteten der Datenschutzbehörde soll nach einem ausdrücklichen Hinweis im Vorwort jedoch nicht bedeuten, dass deren Ausführungen im Kommentar gleichsam als „authentische Interpretation“ der DS-GVO zu werten seien. Vielmehr sollen auch diese Beiträge „nur“ als wissenschaftliche Aufbereitung der DS-GVO verstanden werden.

Die rasante technische Entwicklung und damit in Zusammenhang stehende neue Geschäftsmodelle erfordern heutzutage, dass die Gewährleistung von Datenschutz in allen Lebenswelten „mitgedacht“ werden muss, um persönliche Daten nicht unnötigerweise preiszugeben bzw preisgeben zu müssen, sondern den betroffenen Menschen die Kontrolle über die Sammlung und Nutzung ihrer Daten zu sichern, was in der Rechtswirklichkeit immer schwieriger geworden ist. Genau hier setzt nunmehr die technikneutrale DS-GVO mit ihren hohen Strafen an, um zu verhindern, dass persönliche Daten als „Öl der Zukunft“ wie andere Wirtschaftsgüter ohne weiteres handelbar sind. Vielmehr sollen persönliche Daten als Ausdruck individueller Persönlichkeit eben gerade nicht dem Freihandel preisgegeben werden. Das Datenschutzrecht steht damit vor der Herausforderung, die unbändige Produktivkraft der neuen Technologien in Bahnen zu lenken, die es den Menschen auch im digitalen Zeitalter erlauben, Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechtschutz zu erfahren, wie Paul Nemitz als Director for Fundamental Rights and Union Citizenship in the European Commission’s Directorate-General for Justice and Consumers in seinem Vorwort zutreffend ausdrückt.

Die Kommentierung erfolgt durch ausführliche Anmerkungen im Gefolge der Darstellung der einzelnen Artikel der DS-GVO samt zugehörigen Erwägungsgründen. Die fundierten Anmerkungen, die auch auf bereits erschienene Literatur zur DS-GVO eingehen und Rechtsprechungen des EuGH, EGMR und VfGH referenzieren, scheuen erfreulicherweise auch nicht davor zurück, einen eigenen Standpunkt zu beziehen. Pars pro toto sei beispielhaft die Rz 29 zu Art 83 DS-GVO erwähnt, wo Suda ausführt, dass Österreich in den Verhandlungen Vorbehalte dergestalt hätte anmelden sollen, dass angesichts der Höhe der in der DS-GVO vorgesehenen Geldbußen die Strafbefugnis von der Aufsichtsbehörde auf ein Gericht hätte übertragen werden können. Die diesbezügliche Zitierung einschlägiger Erkenntnisse des VfGH demonstriert weiters die Vorzüge einer österreichischen Kommentierung für den österreichischen Leser.

Allgemein kann festgehalten werden, dass sowohl die Präzision als auch die Verständlichkeit der Anmerkungen dem Rechtsanwender die Durchdringung der Systematik der DS-GVO wesentlich erleichtert. Ein umfangreiches Stichwortverzeichnis rundet die gelungene Kommentierung ab.

Resümierend handelt es sich bei diesem Rechtskommentar trotz seines nicht unerheblichen Preises um ein unverzichtbares Werk für jeden, der mit Datenschutzrecht zu tun hat.59