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Keine Anwendung der Satzung des Kollektivvertrags für Sozial- und Gesundheitsorganisationen Vorarlbergs auf physiotherapeutische Unternehmen

MANFREDTINHOF
§ 1 Satzung des KollV des Vorarlberger Sozial- und Gesundheitswesens

Der KollV für Angestellte in privaten Sozial- und Gesundheitsorganisationen Vorarlbergs wurde mit Verordnung des Bundeseinigungsamtes beim BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Satzung erklärt, welche, ihrem fachlichen Geltungsbereich entsprechend – von bestimmten Ausnahmen abgesehen – für Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen, gilt.

Die Bekl führt freiberuflich eine physiotherapeutische Praxis. Mangels Mitgliedschaft beim AG-Verein für Sozial- und Gesundheitsorganisationen in Vorarlberg unterliegt sie nicht dem KollV. Die in der genannten Praxis beschäftigte Kl behauptete die Anwendbarkeit der Satzung auf ihr Arbeitsverhältnis und forderte Entgeltdifferenzen, da sie tatsächlich geringer entlohnt worden sei, als es der KollV vorsehe. Sie unterlag jedoch in sämtlichen Instanzen.

Der gesatzte KollV wurde auf AG-Seite vom AG-Verein für Sozial- und Gesundheitsorganisationen in Vorarlberg abgeschlossen. Nach den ihrem Inhalt nach unstrittigen Statuten bezweckt dieser gemeinnützige Verein eine Mehrung des Ansehens von sozialen Berufen. Es ist daher nur konsequent, dass Physiotherapeuten und sonstige Anbieter rein gesundheitlicher Dienste nicht Mitglieder dieses Vereins sind. Der KollV will die Arbeitsverhältnisse von Angestellten in sozialen und gesundheitlichen Diensten regeln. Diese Absicht der Kollektivvertragsparteien findet auch in dem ab 1.2.2017 in Geltung stehenden und gegenüber93dem KollV (aF) teilweise neu formulierten Text des KollV des Vorarlberger Sozial- und Gesundheitswesens seine Fortsetzung. Dessen fachlicher Geltungsbereich wurde offenbar zur Klarstellung der engen Verknüpfung zwischen dem Sozialwesen und dem Gesundheitswesen anstelle „… Anbieter sozialer und gesundheitlicher Dienste ...“ mit „… Anbieter sozialer gesundheitlicher Dienste ...“ weiter verdeutlicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber des gesatzten KollV den fachlichen Bereich des KollV auch auf Anbieter rein gesundheitlicher Dienste ausdehnen wollte, liegen nicht vor.

Die außerordentliche Revision der Kl wurde daher vom OGH zurückgewiesen.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Der OGH bleibt mit der gegenständlichen E seiner Linie treu: Bereits zu OGH vom 26.8.2009, 9 ObA 92/08g, wurde die Anwendbarkeit des Mindestlohntarifs für AN in Betrieben sozialer Dienste auf physiotherapeutische Unternehmen verneint. Die vorliegende E ist wohl auch richtungsweisend für den ungleich bedeutenderen Anwendungsbereich der Satzung des KollV der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KollV, vormals BAGS-KollV), die den Mindestlohntarif für soziale Dienste im Jahr 2007 abgelöst hat und einen annähernd gleichlautenden fachlichen Geltungsbereich wie die hier zu beurteilende Satzung aufweist. Die Satzung des SWÖ-KollV gilt für das gesamte Bundesgebiet mit Ausnahme Vorarlbergs.