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Öffentlichmachung patientenbezogener Daten während einer Gerichtsverhandlung verletzt ärztliche Verschwiegenheitspflicht und begründet Vertrauensunwürdigkeit

KLAUSBACHHOFER
§ 75 LBedG Tirol; § 54 ÄrzteG

Der Kl, geschäftsführender Oberarzt an einer Klinik, focht die ihm nach Mobbingvorwürfen ausgesprochene Kündigung gerichtlich an. In einem im Arbeitsgerichtsprozess eingebachten Schriftsatz stellte er den behaupteten Kündigungsgrund Mobbing in Abrede und brachte seinerseits vor, Grund seiner Kündigung wären seine Hinweise auf Missstände in der Patientenversorgung und Behandlungsfehler. Dabei stellte er vier konkrete Sachverhalte unter Nennung der Namen der Patienten, deren Geburts-, Operations- und Behandlungsdaten in voller persönlicher Kenntnis und Billigung dar. Der Bekl-Vertreter teilte dem Klagevertreter darauf mit, dass der Schriftsatz eine Mehrzahl von der ärztlichen Verschwiegenheitsverpflichtung unterfallenden personenbezogenen Details beinhalte, er mit dem Vortrag in der mündlichen Verhandlung öffentlich würde, eine Rechtfertigung für eine Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung nicht erkennbar wäre und der Kl entlassen werden würde, sollten diese Ausführungen des Schriftsatzes zum Gegenstand der öffentlichen Verhandlung gemacht werden.

In der Tagsatzung belehrte der vorsitzende Richter den Kl, dass ein Vortrag des Schriftsatzes nicht erforderlich sei und der Kl auch erst nach einer Präzisierung der Kündigungsgründe durch die Bekl das Vorbringen später erstatten könne und solle. Der Klagevertreter trug dennoch nach Rücksprache mit dem Kl und in dessen Kenntnis des Inhalts den Schriftsatz vor. Eine Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheit durch die betroffenen Patienten lag nicht vor, ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit wurde nicht gestellt. Noch am selben Tag wurde dem Kl die Entlassung ausgesprochen, da es dem Krankenhausträger angesichts der Öffentlichmachung patienten- und personenbezogener Daten trotz entsprechender Warnungen und ohne prozessuale Notwendigkeit unzumutbar wäre, den Kl weiter zu beschäftigen.

Der Kl bekämpfte diese Entlassung unter Berufung auf § 75 Abs 2 (Tiroler) Landesbedienstetengesetz (LBedG), demzufolge ein Entlassungsgrund nur dann vorliege, „wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder Unterlassung schuldig gemacht hat, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers als unwürdig erscheinen lässt“.

Der OGH wies die gegen die klagsabweisende Berufungsentscheidung erhobene außerordentliche Revision des Kl zurück und hielt zunächst die Rsp zur ärztlichen Verschwiegenheitspflicht fest, wonach diese nur dann nicht besteht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist. Ein Arzt darf in eigener Sache Berufsgeheimnisse nur im unbedingt notwendigen Ausmaß preisgeben.

Das Berufungsgericht ging in vertretbarer Ansicht davon aus, dass die Offenbarung der Patientendaten in nicht anonymisierter Form nicht unbedingt notwendig war und diese Verletzung der Vertraulichkeit auch Gleichartiges in Zukunft befürchten lässt. An das Verhalten des Kl ist aufgrund seiner leitenden Position ein strenger Maßstab anzulegen, so der OGH. Nicht nur aufgrund des Vorfalls in der Tagsatzung zuletzt, sondern auch wegen des festgestellten Verhaltens des Kl über einen längeren Zeitraum hinweg kann zurecht das Vorliegen des Entlassungsgrundes der Vertrauensun-94würdigkeit angenommen werden. Das Arbeitsgericht, das der Kl zur Bekämpfung seiner Kündigung anrief, ist auch keine kompetente Stelle, um die von ihm monierten Missstände von Fehlbehandlungen abzustellen. Er hat sich auch erst nach seiner Entlassung wegen aus seiner Sicht bestehender allenfalls strafrechtlich relevanter Missstände an die Staatsanwaltschaft gewendet.