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Rechtliches Interesse an Feststellung richtiger kollektivvertraglicher Einstufung auch bei Fehlen eines weiteren Entgeltanspruchs aufgrund Überzahlung

KLAUSBACHHOFER

Auf das Dienstverhältnis des seit 6.11.2006 beschäftigten Kl ist der KollV für Angestellte in Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in der Information und Consulting, anzuwenden. Im Dienstvertrag wurde er entsprechend seiner damals ausgeübten Tätigkeit in die Verwendungsgruppe IV im ersten Verwendungsgruppenjahr (Mindestgrundgehalt € 1.732,–) eingestuft und ein All-In-Gehalt von € 3.900,– vereinbart. In der Zeit von 1.10.2013 bis 30.9.2014 übte der Kl eine mit einer Einstufung in Verwendungsgruppe V verbundene Tätigkeit aus. Einem AN gebührte im ersten Verwendungsgruppenjahr der Verwendungsgruppe V im Jahr 2013 ein Mindestgrundgehalt von € 2.616,94, der Kl bezog im Oktober 2013 ein IST-Gehalt von € 4.227,78.

Der Kl begehrte die Feststellung, dass er rückwirkend ab 1.10.2013 in die Verwendungsgruppe V einzustufen sei (erstes Feststellungsbegehren) und er Anspruch auf Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen dem ihm seit 1.10.2013 ausbezahlten und dem ihm seither bei Einstufung in die Verwendungsgruppe V betriebsüblich gebührenden Entgelts habe (zweites Feststellungsbegehren). Seit 1.10.2013 übe er eine die begehr-100te Einstufung rechtfertigende Tätigkeit aus. Im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes habe er Anspruch auf Bezahlung eines Entgelts, das vergleichbaren Mitarbeitern der Bekl, die in Verwendungsgruppe V eingestuft seien, bezahlt werde. Er habe zwar keine Informationen über das Gehalt anderer Mitarbeiter der Bekl in vergleichbaren Positionen, gehe aber davon aus, dass die Bekl diesen Mitarbeitern ein marktübliches Entgelt von € 4.500,– bis € 5.500,– bezahle.

Die Vorinstanzen wiesen beide Feststellungsbegehren ab. Das (erste) Feststellungsbegehren für die Vergangenheit scheide schon wegen der möglichen Geltendmachung mit Leistungsklage aus. Es fehle überdies am Bedürfnis nach Klärung der Rechtslage. Das zweite Feststellungsbegehren scheitere am mangelnden Vorbringen zum „betriebsüblich gebührenden Entgelt“.

Der OGH erachtete die vom Kl erhobene außerordentliche Revision teilweise für berechtigt. Das erste Feststellungsbegehren betrifft nämlich keine lediglich abstrakte Rechtsfrage, sondern die nach der konkreten Einstufung in eine bestimmte Verwendungsgruppe des KollV. Aufgrund der Bestreitung durch die Bekl ist der Kl auch nicht bloß „theoretisch“ betroffen. Bei Dauerrechtsverhältnissen ist in Beziehung auf den Bestand und Inhalt dieser Rechte die Feststellungsklage zulässig, ohne Rücksicht darauf, ob eine Leistungsklage auf daraus fällig gewordene Leistungen möglich ist oder nicht.

Sowohl der europäische wie auch der innerstaatliche Gesetzgeber verlangt, dass ein AN über die Hauptpunkte des Arbeitsvertrages nachweislich informiert sein soll, damit er vor etwaiger Unkenntnis seiner Rechte geschützt ist. Zweck des § 2 AVRAG ist es, den AN über die Hauptpunkte des Vertrages zu informieren und ihm ein Instrument zur Beweissicherung in die Hand zu geben. Auch wenn die Bestimmungen des § 2 Abs 2 Z 9 und § 2g AVRAG auf das gegenständliche Arbeitsverhältnis noch nicht anwendbar sind, zeigen sie doch das fortgesetzte Bemühen des Gesetzgebers um Transparenz im Arbeitsverhältnis. Auch der hier anzuwendende KollV sieht in § 17 Abs 4 Satz 3 vor, dass dem Angestellten mittels Dienstzettels die Einreihung in die Verwendungsgruppen, die Anzahl der angerechneten Verwendungsgruppenjahre und die Höhe des Gehalts sowie weiterhin eintretende Veränderungen bekannt zu geben sind.

Auch wenn der Kl im vorliegenden Rechtsstreit derzeit aufgrund der kollektivvertraglichen Überzahlung keinen weiteren Entgeltanspruch haben sollte, den er überdies mit Leistungsklage geltend machen könnte, so kann ihm dennoch ein rechtliches Interesse an der richtigen kollektivvertraglichen Einstufung seiner Tätigkeit nicht abgesprochen werden. Das Gedeihen eines Arbeitsverhältnisses verträgt – aus Sicht redlicher Vertragsparteien – keine Unsicherheit bezüglich des Entgelts und seiner Grundlagen. Das rechtliche Interesse des Kl am ersten Feststellungsbegehren iSd § 226 ZPO ist daher zu bejahen.

Die mangels konkreten Vorbringens ausgesprochene Abweisung des zweiten Feststellungsbegehrens bezüglich Nachzahlung der Differenz zum „betriebsüblich gebührenden Entgelt“ wurde vom OGH dagegen bestätigt.