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Berücksichtigung einer Bonuszahlung für die Bemessung des Wochengeldes

MURATIZGI

Maßgeblich für die Einberechnung einer Bonuszahlung in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld ist, ob der Versicherten der Bezug während der Wochengeldbezugszeit (des Beschäftigungsverbots) weiter zugekommen ist. Ist dies der Fall, ist er für die Höhe des Wochengeldes nicht relevant, weil es am auszugleichenden Entgeltausfall fehlt.

SACHVERHALT

Mit Bescheid vom 29.6.2016 lehnte die Bekl den Antrag der Kl auf Gewährung eines höheren Wochengeldes als € 81,96 täglich anlässlich des am 17.2.2016 eingetretenen Versicherungsfalls der Mutterschaft für den Zeitraum von 17.2. bis 8.7.2016 ab. Als Begründung führte die Bekl im Wesentlichen an, dass die von der Kl zum Jahresende 2015 erhaltene Bonuszahlung in Höhe von € 7.932,99 nicht in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld mit ein zu beziehen sei, weil sie der Kl – unabhängig vom Beschäftigungsverbot – ohnedies zugekommen wäre, sodass der Wochengeldanspruch nur € 81,96 täglich beträgt.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht gab der dagegen gerichteten Klage statt und sprach ein Wochengeld in Höhe von € 131,08 täglich zu.

Rechtlich ging es davon aus, dass die Bonuszahlung allein von der Leistungserbringung der Kl abhängig ist, weshalb diese als laufendes Entgelt (Entgeltbestandteil) – und nicht als Sonderzahlung – anzusehen sei.

Das Berufungsgericht änderte die E infolge Berufung der Bekl in ein klageabweisendes Urteil ab und begründete seine Entscheidung zusammenfassend damit, dass nach dem Zweck des Wochen-105geldes als Entgeltersatzleistung die Einbeziehung eines Sachbezugs oder auch einer Bonuszahlung in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld dann zu unterbleiben habe, wenn eine Versicherte diese Leistung (Zahlung) – unabhängig vom Beschäftigungsverbot – ohnedies lukriert hätte. Ob die Kl die Bonuszahlung im Jahr 2016 ungeachtet ihrer Karenz erhalten hätte, stehe nicht fest, weil die Bonuszahlungen nur an ausgewählte Mitarbeiter aufgrund der ganzjährigen Leistung gewährt werden. Stehe aber nicht fest, dass die Kl einen Einkommensverlust in Form des entgangenen Bonus für das Jahr 2016 erleide, sei der Bonus für das Jahr 2015 nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

Der OGH gab der außerordentlichen Revision der Kl Folge, hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 3.1 Der Begriff ‚gebührender Arbeitsverdienst‘ im Sinn des § 162 Abs 3 ASVG ist gesetzlich nicht näher determiniert. Er hat seine Grundlage in § 44 Abs 1 ASVG. Unter Arbeitsverdienst versteht das ASVG das durch die pflichtversicherte Tätigkeit zustehende Einkommen (Risak in

Tomandl
, SV-System [29. Erg-Lfg] 80). Von der Rechtsprechung wird darunter seit der Entscheidung 10 ObS 78/88, SSV-NF 2/40 (= ZAS 1990/4, 31 [zust Firlei])grundsätzlich jeder Geld- und Sachbezug verstanden, der einer voll- oder teilversicherten Arbeitnehmerin als Arbeitsverdienst im Beobachtungszeitraum, und zwar unabhängig von der beitrags- oder einkommenssteuerrechtlichen Qualifikation zustand (RIS-Justiz RS0084112).

3.2 Mit dem auf die Beitragsbemessung zugeschnittenen § 49 ASVG ist der Begriff Arbeitsverdienst iSd § 162 Abs 3 ASVG aber nicht gleichzusetzen. Aufgrund des speziellen Kontexts, in den der Begriff Arbeitsverdienst eingebettet ist, können für den Zusammenhang von Arbeitsverdienst und Versicherungspflicht keine Schlussfolgerungen für die Wochengeldberechnung gezogen werden (10 ObS 33/11t, SSV-NF 25/38mwN).

4. Sonderzahlungen sind aus dem Entgeltbegriff ausgeklammert. […]

5.1 Eine wesentliche Voraussetzung für die Einrechnung in die Bemessungsgrundlage ist aber jedenfalls, dass der Versicherten der Bezug nicht ohnedies zugute gekommen ist. Wurde ein Sach- oder Geldbezug vom Dienstgeber für die Zeit des Wochengeldbezugs weiter gewährt, ist er bei der Berechnung des Wochengeldes nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (Drs in SV-Komm [29. Lfg] § 162 ASVG Rz 46 mwN; Felten in

Tomandl
, SV-System [29. Erg-Lfg] 264/18). Nach dem Zweck des § 162 Abs 3 ASVG als Entgeltersatz erhöhen beispielsweise vom Dienstgeber gewährte Optionsrechte (‚stock-options‘), die von der Versicherten unabhängig vom Beschäftigungsverbot in vollem Umfang ausgeübt werden konnten, die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld nicht (10 ObS 33/11t, SSV-NF 25/38; RIS-Justiz RS0126909). Maßgeblich für die Einberechnung in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld ist somit, ob der Versicherten der Bezug während der Wochengeldbezugszeit (des Beschäftigungsverbots) weiter zugekommen ist. Ist dies der Fall, ist er für die Höhe des Wochengeldes nicht relevant, weil es am auszugleichenden Entgeltausfall fehlt (siehe aber die Ruhensbestimmung zum Wochengeldanspruch nach § 166 ASVG).

[…]

6.2 Die sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen wird nicht vom Gesetzgeber selbst vorgenommen, sondern bleibt der Rechtsprechung überlassen (Risak in

Tomandl
, SV-System [29. Erg-Lfg] 80).

Unter Sonderzahlungen (§ 49 Abs 2 ASVG) versteht man auf der sozialversicherungsrechtlichen Ebene verpflichtende oder freiwillige Zuwendungen im Sinne des § 49 Abs 1 ASVG (Geld- oder Sachbezüge) gleich welcher Benennung, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten über die Beitragszeiträume (in der Regel ein Monat) hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im Wesentlichen aus der Dienstgeberzusage oder dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (§ 49 Abs 2 ASVG; RIS-Justiz RS0083842). Nicht nur Bezüge, auf die der Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat, sind als Sonderzahlungen zu behandeln, sondern auch solche, die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält, wie etwa ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, aber auch Gewinnanteile, Incentive-Beträge, Zielerreichungsprämien oder Boni, sofern letztere nicht nur von den von der Dienstnehmerin getätigten Umsätzen, sondern von mehreren Bedingungen abhängen (Schober in

Sonntag
, ASVG8 § 162 Rz 25a; zu einer Bonuszahlung 10 ObS 146/10h, SSV-NF 24/68).

Die Abgrenzung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen wird somit nicht nach der arbeitsrechtlichen Abgeltungsfunktion, sondern zuerst nach ihrem Bezug zu den Beitragszeiträumen vorgenommen (Schuster, Bemessungsgrundlage des Wochengeldes bei variablen Gehaltsbestandteilen – Was ist [als] relevanter Arbeitsverdienst für das Wochengeld anzusehen?ASoK 2016, 384 [385]). […]“

ERLÄUTERUNG

In der vorliegenden E hatte sich der OGH erneut mit der Frage auseinanderzusetzten, ob die von der Kl bezogene Bonuszahlung laufendes Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG oder eine Sonderzahlung iSd § 49 Abs 2 ASVG (iVm § 162 Abs 3 und 4 ASVG) darstellt.106

Der OGH ging zunächst auf die Frage ein, was unter diesen Begriffen jeweils zu verstehen ist. Zum gesetzlich nicht näher determinierten Begriff „gebührender Arbeitsverdienst“ iSd § 162 Abs 3 ASVG führt er aus, dass dieser seine Grundlage in § 44 Abs 1 ASVG hat. So gesehen verstehe das ASVG unter dem „Arbeitsverdienst“ das durch die pflichtversicherte Tätigkeit zustehende Einkommen (Risak in

Tomandl
, SV-System [29. ErgLfg] 80). Von der Rsp wird darunter grundsätzlich jeder Geld- und Sachbezug verstanden, der einer voll- oder teilversicherten AN als Arbeitsverdienst im Beobachtungszeitraum, und zwar unabhängig von der beitrags- oder einkommenssteuerrechtlichen Qualifikation, zustand (RIS-Justiz RS0084112).

Der OGH klammert die Sonderzahlungen jedoch aus dem Entgeltbegriff aus. Während das laufende Entgelt in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld einzubeziehen ist, werden die auf die letzten 13 Wochen bzw auf die letzten drei Kalendermonate entfallenden Sonderzahlungen nach § 162 Abs 4 ASVG für die Höhe des Wochengeldes nur in Form eines prozentuellen Zuschlags zum Nettoarbeitsverdienst von 14 %, 17 % oder 21 % berücksichtigt.

Die Rsp versteht unter Sonderzahlungen (§ 49 Abs 2 ASVG) auf der sozialversicherungsrechtlichen Ebene verpflichtende oder freiwillige Zuwendungen iSd § 49 Abs 1 ASVG (Geld- oder Sachbezüge) gleich welcher Benennung, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten über die Beitragszeiträume (in der Regel ein Monat) hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren, wobei die Regelmäßigkeit der Leistungen im Wesentlichen aus der DG-Zusage oder dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse zu beurteilen ist (§ 49 Abs 2 ASVG; RIS-Justiz RS0083842). Nicht nur Bezüge, auf die der DN aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat, seien als Sonderzahlungen zu behandeln, sondern auch solche, die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom DG oder von einem Dritten erhält, wie etwa ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, aber auch Gewinnanteile, Incentive-Beträge, Zielerreichungsprämien oder Boni, sofern letztere nicht nur von den von der DN getätigten Umsätzen, sondern von mehreren Bedingungen abhängen (vgl Schober in

Sonntag
, ASVG8 § 162 Rz 25a; zu einer Bonuszahlung auf OGH10 ObS 146/10hSSV-NF 24/68). Überdies führt der OGH in Anlehnung an die Ansicht Schusters aus, dass die Abgrenzung zwischen laufendem Entgelt und Sonderzahlungen nicht nach der arbeitsrechtlichen Abgeltungsfunktion, sondern zuerst nach ihrem Bezug zu den Beitragszeiträumen vorgenommen werde.

Für den OGH ist eine wesentliche Voraussetzung für die Einberechnung in die Bemessungsgrundlage aber jedenfalls, dass der Versicherten der Bezug nicht ohnedies zugutegekommen ist. Wurde ein Sach- oder Geldbezug vom DG für die Zeit des Wochengeldbezugs weiter gewährt, sei er bei der Berechnung des Wochengeldes nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Dazu führt er beispielsweise die vom DG gewährten Optionsrechte („stock-options“) an, die von der Versicherten unabhängig vom Beschäftigungsverbot in vollem Umfang ausgeübt werden konnten, sodass diese die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld nicht erhöhen (OGH10 ObS 33/11tSSV-NF 25/38; RIS-Justiz RS0126909). Maßgeblich für die Einberechnung in die Bemessungsgrundlage für das Wochengeld sei somit, ob der Versicherten der Bezug während der Wochengeldbezugszeit (des Beschäftigungsverbots) weiter zugekommen ist. Sei dies der Fall, ist er für die Höhe des Wochengeldes nicht relevant, weil es am auszugleichenden Entgeltausfall fehle.

Im vorliegenden Fall wurden die Bonuszahlung an die Kl nicht mit den Gehaltszahlungen monatlich, sondern einmal jährlich und ausschließlich an durch die Geschäftsleitung nach ihrem Arbeitserfolg in einem Verfahren ausgewählte Mitarbeiter gewährt. Der OGH führt in Anlehnung der Rsp des VwGH (4.7.2007, 2005/08/0024; 17.3.2004, 2001/08/0015) aus, dass anders als eine – auch jährlich im Nachhinein abgerechnete – vertraglich zustehende Umsatzprovision, deren Entstehen nach der dienstvertraglichen Vereinbarung allein von der Tätigung laufender Umsätze abhängig ist, das Entstehen des Anspruchs auf die Bonuszahlung von weiteren Bedingungen abhängt, nämlich nicht nur davon, dass die im letzten Jahr erbrachte Arbeitsleistung in besonderer Weise den Vorstellungen und Zielsetzungen der Geschäftsleitung entsprochen hat, sondern darüber hinaus auch davon, dass der Mitarbeiter von der Geschäftsleitung aus allen anderen Mitarbeitern, auf die diese Bedingung allenfalls in gleicher Weise zutrifft, für die Bonuszahlung ausgewählt wurde. Eine vertragliche Garantie für den regelmäßigen Erhalt der Bonuszahlung besteht nicht. Der Anspruch ergibt sich daher nicht unmittelbar aus der (eigenen) erfolgreichen Arbeitsleistung, sondern entsteht erst mit der Erfüllung der für die Leistung wesentlichen, zusätzlichen Bedingung.

Die Bonuszahlung sei dementsprechend als Sonderzahlung iSd § 49 Abs 2 ASVG zu qualifizieren.

Ausgehend von seiner Rechtsansicht, dass die Bonuszahlung als Sonderzahlung zu behandeln ist, hebt er das Berufungsurteil (wegen einer notwendigen Sachverhaltsergänzung) auf und trägt dem Erstgericht auf, die Höhe des täglichen Wochengeldanspruchs mit den Parteien zu erörtern und danach eine neuerliche Entscheidung zu treffen. Mit dieser Entscheidung bleibt der OGH seiner bisherigen Judikaturlinie treu.107