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Zulässige Verrechnung von Honoraren als Wahlarzt bei gleichzeitiger Vertragsarzteigenschaft in einem anderen Fachgebiet

MONIKAWEISSENSTEINER

Im Verfahren vor dem VwGH war die Auslegung des Gesamtvertrages zwischen einer Gebietskrankenkasse (GKK) und der Ärztekammer strittig. Gem § 245 Abs 2 Z 1 ASVG wurde die Landesschiedskommission von der GKK angerufen, sie möge feststellen, dass es die Vertragspartner (Ärzte) in Zukunft zu unterlassen hätten, Privathonorarforderungen an Versicherte zu stellen. Sowohl die zuständige Landesschiedskommission als auch das BVwG lehnten den Antrag der GKK ab. Das BVwG hält die Revision für zulässig, weil eine Rsp des VwGH zu dieser Frage fehle.

Der VwGH bestätigte die Zulässigkeit der Revision der GKK, wies sie jedoch als nicht berechtigt ab.

Dr. B war sowohl als Arzt für Allgemeinmedizin als auch als Arzt für Frauenheilkunde und111Geburtshilfe in die Ärzteliste eingetragen. Er übte seine Tätigkeit als Vertragsarzt für Allgemeinmedizin und außerhalb der im Einzelvertrag vereinbarten Ordinationszeiten seine Tätigkeit als Wahlarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus. Für diese Leistungen stellte er seinen Patientinnen Honorarrechnungen aus; darunter befanden sich zum Teil auch Leistungen, die auch von Allgemeinmedizinern erbracht werden könnten. Die GKK geht von der Auffassung aus, dass § 10 des Gesamtvertrags jegliche wahlärztliche Tätigkeit von Vertragsärzten verbiete.

Der VwGH hält am Grundsatz fest, dass ein Vertragsarzt schon auf Grund der Regelung des § 131 ASVG nicht zugleich Wahlarzt sein kann. Versicherte können nach § 131 ASVG entweder einen Vertragsarzt in Anspruch nehmen oder Kostenerstattung für die Inanspruchnahme eines Wahlarztes begehren. Dieses System dient einerseits dem Schutz der Versicherten, denen unter Wahrung der freien Arztwahl die Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen ermöglicht werden soll, ohne selbst zur Honorierung des Arztes herangezogen zu werden, und soll andererseits auch das Funktionieren des für diesen Zweck notwendigen Vertragsarztsystems gewährleisten.

Diese Überlegungen gelten aber nur insoweit, als es sich um eine Tätigkeit in dem Fach handelt, für das der Einzelvertrag des betreffenden Arztes abgeschlossen wurde. Weder aus dem Gesetz noch aus dem Gesamtvertrag ergibt sich dagegen, dass eine daneben ausgeübte Tätigkeit als Wahlarzt in einem anderen Fach – mit entsprechendem Honorar- bzw Erstattungsanspruch – nicht zulässig wäre, solange insb das im Einzelvertrag bedungene Ausmaß der vertraglichen Tätigkeit nicht beschnitten wird und die jeweiligen Tätigkeiten klar und (gerade bei einem ähnlichen oder teilweise überschneidenden Leistungsspektrum) schon im Vorhinein – etwa durch unterschiedliche Ordinationszeiten – voneinander abgrenzbar sind sowie tatsächlich eine Behandlung aus dem anderen Fach erbracht wird. Ob und inwieweit diese Handlungsoptionen für die Vertragsärzte unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten eingeschränkt werden sollen, ist eine Frage, deren normative Beantwortung nunmehr den Gesamtvertragsparteien bzw dem Gesetzgeber des ASVG obliegt. Solange eine derartige Regelung fehlt, gibt es keine Grundlage, den Vertragsärzten die Verrechnung von (Wahlarzt-)Honoraren ganz allgemein zu untersagen.