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Bemessung des Wochengeldes für Zeiten ohne Einkommensbezug

MURATIZGI

Die Kl bezog für ihr am 4.10.2014 geborenes Kind bis 29.11.2014 Wochengeld und anschließend bis 3.10.2015 ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld von € 53,39 täglich. Ihr Dienstverhältnis beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung war bis zum 2. Lebensjahr ihrer Tochter gegen Entfall des Arbeitsentgelts karenziert. Das zweite Kind der Kl wurde am 17.7.2016 geboren. Die Kl beantragte daraufhin Wochengeld.

Mit Bescheid vom 15.9.2016 wies die bekl Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) den Antrag der Kl auf Auszahlung von Wochengeld ab dem 20.5.2016 ab. Ihre Entscheidung begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie zwar dem Grunde nach aufgrund der aufrechten Versicherung und Inanspruchnahme des zweijährigen gesetzlichen Karenzurlaubs nach § 15 MSchG Anspruch auf Wochengeld habe, jedoch in den letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalls kein Einkommen erzielt habe. Bei Anwendung der Schutzfristregel des § 122 Abs 3 letzter Satz ASVG ergebe sich der Beginn der 32. Woche vor Eintritt des Versicherungsfalls mit 9.10.2015. Eine Bemessung des Wochengeldes könne daher nicht aufgrund des bis 3.10.2015 bezogenen Kinderbetreuungsgeldes erfolgen.

Das Erstgericht und das Berufungsgericht folgten dieser Rechtsansicht und wiesen daher die Klage ab. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Der OGH hielt die außerordentliche Revision zur Klarstellung für zulässig, wies sie aber als nicht berechtigt zurück.

Der OGH ging zunächst auf die Frage ein, ob eine aufrechte KV vorliegt, aus der sich ein Anspruch auf Wochengeld ableitet. Nach § 7 Abs 1 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) wird die Versicherung für die Zeit eines Urlaubs gegen Einstellung der Bezüge (Karenzurlaub) unterbrochen. Die Unterbrechung der KV, der die Leistung des Wochengeldes zuzuordnen ist (§ 51 Abs 1 Z 2 B-KUVG), tritt zufolge § 7 Abs 2 Z 2 B-KUVG während (soweit relevant) einer längstens bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes dauernden Karenz nach dem MSchG nicht ein, soweit keine Pflichtversicherung aufgrund eines Kinderbetreuungsgeldbezugs besteht. Diese sieht § 1 Abs 1 Z 20 B-KUVG für Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG vor, wenn – wie hier – die BVA zuständig ist. Damit ergibt sich im vorliegenden Fall eine aufrechte KV nach dem BKUVG zunächst aus dem Dienstverhältnis, die gem § 7 Abs 1 Z 2 BKUVG für die Dauer des Kinderbetreuungsgeldbezugs mit aufrechter Pflichtversicherung nach § 1 Abs 1 Z 20 BKUVG vom 30.11.2014 bis einschließlich 3.10.2015 unterbrochen war und danach während der restlichen Karenzzeit wieder bestand. Ebenfalls unstrittig für den OGH ist, dass die Kl zum Eintritt des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft am 20.5.2016 aus ihrem Dienstverhältnis aufrecht krankenversichert war und daher dem Grunde nach Anspruch auf Wochengeld aus der zweiten Schwangerschaft hat.

Die Höhe des Wochengeldes bemisst sich nach § 162 Abs 3 Satz 1 ASVG nach dem Durchschnitt des in den letzten 13 Wochen (bei monatlicher Abrechnung oder Bemessung drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalls der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge. In den Fällen des § 122 Abs 3 erster Satz ASVG sind, wenn dies für die Versicherte günstiger ist, für die Ermittlung der Höhe des Wochengeldes nicht die letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls heranzuziehen, sondern die letzten 13 Wochen bzw drei Kalendermonate vor dem Ende der Pflichtversicherung oder vor dem Ende des Dienstverhältnisses. § 122 Abs 3 ASVG enthält für den Versicherungsfall der Mutterschaft eine eigene Schutzfristbestimmung.

Das Begehren der Kl auf Zuspruch von Wochengeld ist entgegen ihrer Auffassung jedoch nicht mit § 122 Abs 3 ASVG zu rechtfertigen. Die Kl wollte die Frist des § 122 Abs 3 ASVG, welche sie nicht als absolute Frist sieht, um einige Tage nach hinten (vom 9.10. auf den 3.10.2015) in den Zeitraum des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld erstrecken. Der OGH kann eine Möglichkeit der Erstreckung aus der dazu von der Kl zitierten E vom 17.6.2014, 10 ObS 59/14w nicht ableiten. Im vorliegenden Fall nimmt er schon deshalb keinen120Schutzfristfall an, weil die Pflichtversicherung der Kl zum Eintritt des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft aufrecht war. Sie erfülle zudem – anders als in den der Rsp zu § 122 Abs 3 ASVG zugrundeliegenden Fällen – die Voraussetzung nicht, dass sie zum Zeitpunkt des Beginns der 32. Woche vor dem Eintritt des Versicherungsfalls noch Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. Wäre sie nach dem ASVG versichert gewesen, hätte sie keinen Anspruch auf Wochengeld gehabt. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber den nach dem ASVG Versicherten sieht der OGH damit nicht vorliegen.

Die Bestimmungen des § 162 Abs 3 erster und letzter Satz ASVG über die Bemessung des Wochengeldes sind unmittelbar auf den Anspruch der Kl anzuwenden. Die Kl hatte zu Beginn der Schutzfrist nach dem MSchG kein Einkommen (wie Weiterbildungsgeld, Kinderbetreuungs- oder Krankengeld), dessen Entfall das Wochengeld in seiner Funktion als Einkommensersatzleistung ausgleichen sollte. Nach Ansicht des OGH kommt eine Lösung durch Verschieben des Beobachtungszeitraums nach hinten, wie er es in 10 ObS 76/16y vom 18.5.2017 zur Schließung einer planwidrigen Lücke als zulässig fand, hier nicht in Betracht.

Der OGH führt im Ergebnis aus, dass das Wochengeld einer nach dem BKUVG Versicherten, deren KV (anders als bei nach dem ASVG Versicherten) nach Ende des Bezugs von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls der zweiten Mutterschaft noch vor Ende der zweijährigen Karenzzeit nach dem MSchG aufrecht war, sich mit 0 bemisst, wenn die Versicherte innerhalb des Beobachtungszeitraums des § 162 Abs 3 erster Satz ASVG keinerlei Einkommen mehr bezogen hat.