72Die Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 4 AngG (aF) für weibliche Angestellte ohne Wochengeldanspruch während der ersten sechs Wochen nach der Entbindung führt zum Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes
Die Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 4 AngG (aF) für weibliche Angestellte ohne Wochengeldanspruch während der ersten sechs Wochen nach der Entbindung führt zum Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes
Die Kl beantragte am 5.2.2016 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens auch für den Zeitraum ab der am 19.1.2015 erfolgten Geburt ihres zweiten Kindes bis zum 1.3.2015. Die Bekl hatte ihr Kinderbetreuungsgeld in Höhe von € 40,81 für den Zeitraum vom 2.3.2015 bis 18.1.2016 gewährt. Über den Zeitraum ab der Geburt bis 1.3.2015 wurde kein Bescheid erlassen. Mit ihrer Säumnisklage begehrte die Kl zum einen die Feststellung, dass die Nichtausstellung eines Bescheids rechtswidrig sei und zum anderen, den Zuspruch von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in der Höhe von € 40,81 pro Tag auch für den Zeitraum vom 19.1. bis 1.3.2015. Ihren Standpunkt begründet sie damit, dass sie aufgrund der zeitlichen Lagerung der zweiten Geburt keinen Anspruch auf Wochengeld habe, weswegen ein Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes aufgrund des Bezugs von Wochengeld nicht eintreten könne. Die Bekl begründete ihre Abweisung damit, dass die Kl im klagsgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem § 8 Abs 4 AngG habe. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung sei als eine dem Wochengeld gleichartige Leistung iSd § 6 Abs 1 KBGG anzusehen, weshalb der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in dieser Höhe ruhe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl keine Folge. Der OGH erachtete die Revision zwar für zulässig, jedoch nicht für berechtigt.
In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Vorinstanzen leitet auch der OGH seine Entscheidung aus dem Zweck der Bestimmung des § 6 Abs 1 KBGG ab. Diese sieht vor, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in der Höhe des Wochengeldes ruht, sofern ein Anspruch auf Wochengeld gem § 162 des ASVG oder gleichartige Leistungen nach anderen österreichischen oder ausländischen Rechtsvorschriften oder ein Anspruch auf Wochengeld gem § 102a GSVG oder § 98 BSVG besteht. Dadurch soll in einem Fall, in dem neben dem Kinderbetreuungsgeld noch weitere Mutterschaftsleistungen bezogen werden, eine Doppelversorgung verhindert werden. Nach den Wertungen des Gesetzgebers sollen Mutterschaftsleistungen zwecks Vermeidung einer Mehrfachversorgung grundsätzlich nicht neben dem Kinderbetreuungsgeld gebühren. Dies entspräche ganz allgemein dem Ziel von Ruhensbestimmungen, Leistungen nicht zu gewähren, wenn ein Sicherungsbedürfnis vorübergehend weggefallen ist, wozu es insb kommt, wenn eine andere funktionsgleiche Leistung bezogen wird. Ein Doppelbezug ist nur dann möglich, wenn die gleichzeitig gewährte Mutterschaftsleistung nicht die Höhe des Wochengeldes erreicht. In diesem Fall gebührt zusätzlich zur Mutterschaftsleistung der Differenzanspruch auf das höhere Kinderbe-121treuungsgeld. Es sei daher nicht am engen Wortsinn des § 6 Abs 1 KBGG zu haften, sondern eine am offenkundigen Zweck der Regelung orientierte Auslegung dahingehend geboten, dass nicht nur das Wochengeld, sondern jede gleichartige Leistung erfasst wird. Decke sich der Zweck einer anderen zustehenden in- oder ausländischen Leistung mit dem Zweck des Wochengeldes bzw der Betriebshilfe, dann führt auch der Anspruch auf diese Leistung zu einem Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes.
Der OGH leitet zutreffend aus § 8 Abs 4 AngG (aF) ab, dass dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dieser Bestimmung und dem Wochengeldanspruch die gleiche Zweckrichtung innewohnt, nämlich den durch die Mutterschaft erlittenen Entgeltverlust zu ersetzen und eine finanzielle Absicherung zu schaffen.
Der OGH hält somit im Ergebnis fest, dass die am Zweck der Regelung orientierte Auslegung des § 6 Abs 1 KBGG ergibt, dass auch die Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 4 AngG (aF) für weibliche Angestellte ohne Wochengeldanspruch während der ersten sechs Wochen nach der Entbindung als vergleichbare Leistung iSd § 6 Abs 1 KBGG anzusehen ist. Die Vorinstanzen haben der Kl daher den Zuspruch des Wochengeldes für den relevanten Zeitraum zu Recht versagt.